Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Deutschland ist sicherer geworden
Zahl der Straftaten geht deutlich zurück – Gewerkschaft verweist auf hohe Dunkelziffer
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BERLIN - Zwölf Prozent weniger Diebstähle, rund 23 Prozent weniger Wohnungseinbrüche und Taschendiebstähle – Deutschland ist laut der Kriminalstatistik 2017 sicherer geworden. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte bei der Vorstellung der Statistik in Berlin, insgesamt sei die Anzahl der Straftaten um 9,6 Prozent zurückgegangen. Das sei der niedrigste Stand seit 1992. „Deutschland ist sicherer geworden, gleichwohl gibt es zur Entwarnung keinen Anlass“, erklärte Seehofer. Absolute Sicherheit könne man nicht versprechen. In Baden-Württemberg ging die Zahl der Straftaten um 4,8 Prozent zurück, in Bayern um 28, 7 Prozent. Trotz der erfreulichen Zahlen der Statistik, so Seehofer, sehe das subjektive Gefühl der Deutschen anders aus. 87 Prozent fühlten sich zwar sicher, aber 44 Prozent fühlen sich weniger sicher als vor Jahren.
Seehofer meinte, dass manchmal auch einfache Dinge Abhilfe schaffen könnten, eine gute Beleuchtung zum Beispiel oder Sauberkeit auf den Straßen. Der Bundesinnenminister plädiert außerdem für mehr Videoüberwachung. Auch die Polizeipräsenz sei wichtig. Je 7500 Sicherheitskräfte soll es im Bund und in den Ländern mehr geben.
Für den Rückgang der Wohnungseinbrüche haben laut Seehofer vor allem die verstärkte internationale Zusammenarbeit, aber auch mehr Sicherungsmaßnahmen gesorgt. Die Unterstützung für Einbruchssicherung werde ausgeweitet, so Seehofer. Sorgen macht dem CSU-Politiker die Zahl politisch motivierter Straftaten. Die sei zwar erstmals um rund fünf Prozent zurückgegangen, aber es sei der zweithöchste Stand seit 2001. Im vergangenen Jahr habe es 312 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben, 2016 waren es noch 935.
Die Polizeigewerkschaft macht darauf aufmerksam, dass die Statistik nur die angezeigten Delikte enthält, dass die Dunkelziffer aber sehr viel höher sei. Auch der Bund deutscher Kriminalbeamter meint, die tatsächlichen Fallzahlen lägen weit über den 5,76 Millionen registrierten Straftaten.
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BERLIN – Erstmals seit 2012 geht in Deutschland die politisch motivierte Kriminalität wieder zurück. Im vergangenen Jahr registrierten die Sicherheitsbehörden in dem Bereich 39 505 Straftaten bundesweit, 4,9 Prozent weniger als 2016.
Sichtlich zufrieden präsentiert der neue Innenminister Horst Seehofer die Kriminalitätsstatistik des letzten Jahres. Am wichtigsten, so Seehofer, seien für die Leute immer Eigentum, Gesundheit und Leben. „Ich habe ein heißes Herz, wenn es um Gewaltkriminalität geht, wenn dort ein Rückgang zu verzeichnen ist“, so der Minister. Tatsächlich hat die Gewaltkriminalität um 2,4 Prozent abgenommen, von 193 542 Taten im Jahr 2016 auf 188 946 im letzten Jahr. Eigentumsdelikte nahmen deutlicher ab: Diebstähle um 11,8 Prozent, besonders stark gingen mit minus 23 Prozent Wohnungseinbrüche zurück. Aber auch Autos (minus 8,6 Prozent) und Fahrräder (9,8 Prozent) wurden weniger entwendet.
Zurückgegangen ist auch die Zahl nicht deutscher Tatverdächtiger. In der Gewaltkriminalität wurden zum Beispiel 110 494 deutsche und 67 869 nicht deutsche Tatverdächtige ermittelt, im Vorjahr waren es 112 346 und 69 163. Bei Wohnungseinbrüchen ging die Zahl nicht deutscher Tatverdächtiger um 16 Prozent zurück, die der deutschen um zwölf Prozent. Allerdings sind hier nicht deutsche Tatverdächtige mit 6114 überrepräsentiert gegenüber deutschen mit 8675 Fällen. Bei allen tatverdächtigen Straftätern insgesamt stellen nichtdeutsche Tatverdächtige einen An-teil von 30,4 Prozent.
Dass der Rückgang der Straftaten erfreulich ist, bestätigt auch die Opposition. Die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt meint: „Es ist eine gute Nachricht, dass die Polizei weniger Straftaten registriert hat.“Sie fordert aber, „Seehofer und die CSU müssen sich entscheiden: Wollen sie Angst schüren oder sich für gestiegene Sicherheit auf die Schulter klopfen?“Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, begrüßt den Rückgang der Eigentumsdelikte und meint, die Ausweitung des KfW-Programms Kriminalprävention durch Einbruchsicherung zeige Wirkung.
Videoüberwachung verstärken
Horst Seehofer will die Videoüberwachungen verstärken. Er erinnert an Fälle wie jenen des Berliner UBahn-Treters, der eine Frau von hinten so trat, dass sie die Rolltreppe hinunter stürzte. Ohne die Videoüberwachung hätte man den Täter kaum so schnell gefasst, meint Seehofer. „Unsere Kundschaft bedient sich modernster technischer Mittel, da können wir uns nicht wie in den 50er-Jahren ausstatten.“
Auf die Frage, ob es rechtsfreie Räume in Deutschland gebe, antwortet Seehofer allerdings mit Ja. Er verstehe unter rechtsfreien Räumen, so fügt er hinzu, dass der Rechtsstaat nicht alles tue, was er könne. Er lobt deshalb ausdrücklich, wie die Polizei im Fall Ellwangen gehandelt habe. Die Null-Toleranz-Haltung in BadenWürttemberg gegenüber Straftätern habe mehr Wert als jedes Gesetz.
Dass gleichzeitig die empfundene Sicherheitslage viel schlechter ist als die tatsächlichen Zahlen, bedauert Seehofer. Der sachsen-anhaltinische Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) ergänzt, die Differenz zwischen gefühlter und tatsächlicher Sicherheit habe es immer gegeben, „aber die Schere wird größer“. Wer den jährlichen Friedensindex der Denkfabrik Institute for Economics and Peace in Sidney studiert, der auch das Level von Gewaltverbrechen und die Terrorgefahr berücksichtigt, außerdem die Zahl von Polizisten und die Höhe des Misstrauens in Mitbürger, lernt: Deutschland lag 2017 auf Rang 16 unter 162 Staaten. Zum Vergleich: Die USA belegen Platz 114, Frankreich kommt auf Platz 51. Ganz vorne rangiert – Island.