Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bier der Brauerei Härle darf nicht „bekömmlich“sein
Bundesgerichtshof verbietet Bierbrauer in letzter Instanz gesundheitsbezogene Angabe
KARLSRUHE/LEUTKIRCH (tja) - Drei Jahre lang hat Brauereibesitzer Gottfried Härle aus Leutkirch im Allgäu vor Gerichten dafür gekämpft, sein Bier mit dem Begriff „bekömmlich“bewerben zu dürfen. Am Donnerstag entschied nun der Karlsruher Bundesgerichtshof (BGH) in letzter Instanz gegen Härle. Die Bezeichnung „bekömmlich“suggeriere eine gesundheitsfördernde Wirkung, erklärten die Bundesrichter. Der BGH bestätigte damit ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart. Härle zeigte sich enttäuscht.
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KARLSRUHE - Die Härle-Brauerei aus Leutkirch darf ihre Biere weiter nicht mit dem Wort „bekömmlich“bewerben. Das hat am Donnerstag der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden. Nach Ansicht der Richter suggeriert die Werbung, Härles Bier sei weniger gefährlich für die Gesundheit als andere alkoholische Getränke. Wer so wirbt, verstößt aber gegen EU-Recht zum Verbraucherschutz.
Schon bevor die Verhandlung überhaupt anfing, wurde Härles Bier aus dem Gericht verbannt. Drei Flaschen „Härle Gold“hatte der Brauer aus dem Allgäu mitgebracht, zu Anschauungszwecken. Sie ruhen seit drei Jahren im Archiv des Traditionsunternehmens – als Dokument des Rechtsstreits. Der dreht sich seit 2015 um die Frage, ob man Bier als „bekömmlich“bewerben darf. So stand es auf der Webseite von Härle und auf den Etiketten von 30 000 Flaschen.
Doch bis in den Saal durfte Gottfried Härle das Bier aus Sicherheitsgründen nicht mitnehmen. Dort verhandelte der Erste Zivilsenat über den Fall. Geklagt hatte 2015 der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW). Der VSW beruft sich auf eine EUVerordnung. Sie soll die Gesundheit der Verbraucher schützen und verbietet unter anderem irreführende Werbung. Genau eine solche sei es aber, wenn Härle seine Biere als „bekömmlich“bewerbe.
Dieser Auffassung hatten sich das Landgericht Ravensburg und zuletzt 2017 das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) angeschlossen. Härle legte Revision beim Bundesgerichtshof ein. Doch auch der folgte am Donnerstag den beiden Vorinstanzen.
Dabei klang in der Verhandlung heraus, dass die höchsten deutschen Zivilrichter durchaus Sympathie für Härles Position hatten. So war der Senat selbst in einem vorherigen Fall zu dem Schluss gelangt, dass das Wort bekömmlich als Werbung für einen Kräuterlikör erlaubt sei.
Doch das letzte Wort hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) als Hüter der entsprechenden EU-Verordnungen. Und die Luxemburger Richter hatten in einem anderen Fall bereits geurteilt: „Bekömmlich“ist eine gesundheitsbezogene Angabe und darf deshalb nicht zur Bewerbung alkoholischer Getränke mit mehr als 1,2 Prozent genutzt werden. Denn Alkohol schade bekanntermaßen. Wer seine Produkte als bekömmlich bezeichne, führe Verbraucher in die Irre.
„Aber um diese Gefahren weiß nun wirklich jeder. Wird sich irgendjemand von diesem Wissen abbringen lassen, nur weil Herr Härle ,bekömmlich‘ auf sein Bier schreibt?“, hatte Härles Anwalt angeführt. Des- wegen sei ein solches Verbot unsinnig und trage keinesfalls zum Gesundheitsschutz bei. Außerdem richte sich Härles Werbung nur an Biertrinker im Allgäu, dem östlichen Bodenseeraum und in Oberschwaben. Dort sei der Begriff „bekömmlich“im Zusammenhang mit Bier gebräuchlich. Niemand komme auf die Idee, dass Härles Gerstensaft deswegen gesünder sei als andere Biere.
Dieses Argument ließen die Richter nicht gelten. Immerhin hatte Härle auf seiner Webseite mit der umstrittenen Vokabel geworben. Und die sei schließlich deutschlandweit abrufbar, so der BGH.
Ebensowenig überzeugte den Senat Härles Ansicht, „bekömmlich“sei seit mehr als hundert Jahren eine gängige Beschreibung für Bier. Für solche traditionellen Bezeichnungen gelten Ausnahmen von den EU-Vor- gaben. Das trifft nach Ansicht der Richter aber nicht auf Härles Bier zu. Die Regel gelte nur für ganze Getränkegruppen – etwa Digestifs verschiedener Marken, die bekanntlich gut für die Verdauung sein sollen.
Härle brachte außerdem vor, „bekömmlich“beziehe sich in seinen Werbetexten nie auf die Gesundheit, sondern auf den Geschmack oder das allgemeine Wohlbefinden. Auch das sahen die Karlsruher Richter anders. Im Ergebnis müsse man sich an die Rechtssprechung des EuGh halten. Dieser räumt dem Schutz der Gesundheit einen sehr hohen Stellenwert ein. Darum legt er die Frage, was irreführende Werbung ist, sehr weitgehend aus. „Die Werbung der Brauerei Härle ist deshalb in dieser Form unzulässig“, sagte der Vorsitzende Richter.
Der Brauer zeigte sich nach dem Urteil enttäuscht: „Schon mein Urgroßvater hat sein Bier so beworben. Eine traditionelle Bezeichnung für das Kulturgut Bier wird damit verboten.“Er muss nun rund 20 000 Euro an Prozesskosten tragen. Das falle seiner kleiner Brauerei nicht leicht. Härle macht nach Angaben des Unternehmens pro Jahr 7,5 Millionen Euro Umsatz.
Die Auswirkungen des Urteils treffen Brauer in ganz Deutschland. Während Härle selbst seit 2015 nicht mehr mit dem Wort wirbt, nutzen andere Brauer es weiter.