Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
China investiert bevorzugt im Süden
Unternehmen im Südwesten laut Studie besonders beliebt bei Investoren
PEKING (dpa) - Mehr denn je sind Technologiefirmen das Ziel chinesischer Investoren in Deutschland. Mit 175 Übernahmen oder Beteiligungen von 2014 bis 2017 entfielen demnach 112 auf diese Branchen, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung. Der Großteil der Beteiligungen verteilt sich laut der Studie auf drei Bundesländer: Baden-Württemberg (23 Prozent), Nordrhein-Westfalen (20 Prozent) und Bayern (16 Prozent). Heute reist Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Peking.
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FRANKFURT - Während aus dem Weißen Haus in Washington das Motto „America First“an erster Stelle steht, klingt die chinesische Strategie etwas differenzierter: „Made in China 2025“. Will heißen: Nicht sofort, aber in ein paar Jahren will die chinesische Regierung in bestimmten Wirtschaftsbereichen weltweit führend sein. Damit soll das Land von einer bloß produzierenden Werkbank zum globalen Technologieführer aufsteigen.
Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass das Land bei diesem Ansinnen planmäßig vorzugehen scheint. Die Autoren haben sich im Zeitraum zwischen 2014 und 2017 chinesische Firmenbeteiligungen in Deutschland angeschaut, bei denen der Beteiligungswert über 10 Prozent am Unternehmen lag. Denn ab diesem Wert kann man von einer Direktinvestition ausgehen, die mit einem Kontrollanspruch verbunden und langfristig motiviert ist. Das Ergebnis ist eindeutig; „Unsere Ergebnisse zeigen, dass etwa zwei Drittel dieser Beteiligungen in die zehn Schlüsselbranchen passen, die China in seiner Strategie für 2025 definiert hat“, sagt die Autorin der Studie, Cora Jungbluth. Der Großteil der relevanten chinesischen Beteiligungen verteilt sich auf nur drei Bundesländer: Baden-Württemberg (23 Prozent), Nordrhein-Westfalen (20 Prozent) und Bayern (16 Prozent). Dies sind demnach diejenigen Regionen, in denen die Mehrheit Deutschlands technologische Weltmarktführer angesiedelt sind.
So etwa der überraschende Einstieg des chinesischen Autobauers Geely bei Daimler; oder die Beteiligung des chinesischen Haushaltsgerätekonzerns Midea am Roboterbauer Kuka. Diese Beispiele sind auch deswegen bezeichnend, weil es sich hierbei eben um jene Bereiche handelt, die China zu Schlüsseltechnologien mit dem Ziel der Marktführerschaft auserkoren hat. Hierzu zählen etwa alternative oder elektrische Antriebstechniken für Autos, der Bereich Robotik und künstliche Intelligenz oder auch die prosperierende Sparte der Biomedizin.
Allerdings sollte man nicht voreilig Schlüsse aus solchen Studienergebnissen ziehen. Denn zum einen liegt es auf der Hand, dass China in zukunftsweisenden Bereichen führend sein will; dieser Wunsch dürfte in allen Ländern und Unternehmen gleichermaßen vorherrschen. Zum anderen erfolgen Investitionen ihrer eigenen Logik nach in zukunftsträchtigen Bereichen. Deswegen kann es sich auch um eine Koinzidenz handeln, die nicht ursächlich mit dem Plan technologischer Marktführerschaft verknüpft sein muss. So glaubt etwa Thomas Heck von der Wirtschaftsberatung PwC nicht, dass die Einkaufstour chinesischer Investoren in Deutschland aus Peking gesteuert wird. „Ich habe jeden Tag mit chinesischen Investoren zu tun. Diese Investoren haben in erster Linie wirtschaftliche Motive“, sagt Heck. Motive etwa wie starke Marken, das Gewinnen neuer Kunden oder auch das Knüpfen von Lieferantennetzwerken.
Allerdings gibt es eindeutig eine Schieflage. Denn chinesische Firmen haben einen ziemlich ungehinderten Zugang zum Europäischen Markt und können so die Arme nach hiesigen Unternehmen ausstrecken. Auf der anderen Seite aber schützt China seine Schlüsseltechnologien, sprich: Die Regierung in Peking behindert ausländische Konkurrenten beim Marktzugang. Das Problem liegt also zunächst in einer Asymmetrie zwischen China und seinen Handelspartnern.
Das sieht auch der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, so. Er und sein Team diskutieren ebenfalls seit Längerem, ob die chinesischen Investitionen möglicherweise sogar eine Gefahr für Deutschland darstellen. Eine eindeutige Antwort auf diese Frage kann er nicht geben.
Sehr sensible Bereiche
Allerdings haben er und seine Mitarbeiter ebenfalls festgestellt, dass chinesische Investitionen einer bestimmten Agenda folgen, gegen die die Gesetze der EU nur unzureichend schützen. „Uns ist aufgefallen, dass die chinesischen Investitionen sich in sehr sensiblen Bereichen bewegen, beispielsweise der Infrastruktur für die Versorgung mit Elektrizität“. Zudem sei auffällig, dass die chinesischen Unternehmen bei ihren Shopping-Touren in Europa oft höhere Preise bezahlen, als aus rein wirtschaftlichem Kalkül nötig wäre.
Das weist darauf hin, dass zumindest andere strategische Interessen bei den Beteiligungen eine Rolle spielen dürften. So befürchten Beobachter seit Längerem, dass durch das Ungleichgewicht bei den Marktzugängen in die eine oder andere Richtung technologisches Know-how aus den europäischen Firmen ab – und nach China – wandern könnte. Und das würde dem Land bei seinem staatlich geförderten Projekt der industriellen Vorherrschaft natürlich in die Karten spielen.
Auf 13,7 Milliarden Euro beziffert die Unternehmensberatung EY das Volumen chinesischer Aufkäufe und Beteiligungen an deutschen Firmen im Jahr 2017. Andererseits gibt es aber auch eine positive Seite der chinesischen Zukäufe. Denn die Investitionen von potenten Geldgebern aus China helfen den Unternehmen auch. Auf diese Art nämlich kommen sie an Kapital, mit dem sie planen und das sie für Investitionen nutzen können.
Cora Jungbluth und Jörg Krämer kommen wegen dieser Zweiseitigkeit der Direktinvestitionen in hiesige Firmen zu dem gleichen Schluss: Sie fordern, die Schwelle für Prüfverfahren herunterzusetzen. Derzeit liegt diese Schwelle für Überprüfungen von ausländischen Direktinvestitionen bei 25 Prozent; sie solle auf zehn Prozent heruntergeschraubt werden – eben weil ab diesem Wert schon erhebliche Kontrollbefugnisse und Mitspracherechte in den Unternehmen zum Tragen kommen.