Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Druck auf Bamf-Chefin wächst
Bundesinnenminister will Bamf-Skandal aufklären – und erwägt personelle Konsequenzen
REGENSBURG (AFP) - In der Bremer Asylaffäre steigt der Druck auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sowie dessen Chefin Jutta Cordt. Laut „Bild“-Zeitung hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Ermittlungen gegen Cordt eingeleitet. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte am Dienstag mögliche „personelle Konsequenzen“im Skandal um unrechtmäßige Asyl-Bescheide an. FDP und AfD forderten einen Untersuchungsausschuss.
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BERLIN - Bundesinnenminister Horst Seehofer geht im Skandal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in die Offensive. „Es muss eine Menge geschehen, nicht nur in Bremen“, sagt der CSU-Chef. Er verspricht maximale Aufklärung und deutet auch Folgen für die Verantwortlichen an, womöglich auch für Bamf-Chefin Jutta Cordt. „Ich werde in der nächsten Woche Entscheidungen über organisatorische und gegebenenfalls auch personelle Konsequenzen treffen“, so Seehofer.
Nach Bekanntwerden des Skandals, der Ausstellung von fast 1200 irregulären Asylbescheiden der Bremer Bamf-Außenstelle und weiteren Unregelmäßigkeiten, war der Druck auf den Bundesinnenminister täglich gewachsen. Ein „Weiter so“werde es nicht geben, verspricht er jetzt. Alles komme auf den Prüfstand. Er werde schon bald entscheiden, „was wir an Vorkehrungen treffen müssen, damit rechts- und regelwidrige Asylverfahren verhindert werden können“und ob die 2017 eingeführten Maßnahmen wie das Vier-Augen-Prinzip „ausreichend“seien, die Qualität zu sichern.
Dem Eindruck, auch in anderen Außenstellen habe es systematischen Betrug gegeben, tritt Seehofer vorsichtig entgegen: Andernorts auffällig hohe oder geringe Anerkennungsquoten könnten auch auf Schlampigkeit zurückzuführen sein. „Wir sind ja mit Hochdruck dabei, die ganzen Dinge aufzuklären.“
Kritik an Leiterin wächst
Für Jutta Cordt, die seit dem 1. Januar 2017 die Behörde leitet, wird es eng. Schon im Skandal um den rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A., der vom Bamf als Flüchtling anerkannt worden war, machte die 54Jährige keine gute Figur. Mitarbeiterbeschwerden über ihren Führungsstil machen die Runde.
Und im aktuellen Skandal soll Cordt bei der Aufklärung gebremst haben, um neue Negativschlagzeilen zu verhindern. Nun soll die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth einem Bericht zufolge ein Ermittlungsverfahren gegen Behördenchefin Cordt eingeleitet haben. Das Portal „bild.de“berief sich auf einen Leitenden Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg. Wie es hieß, ermittele die Behörde wegen des Verdachts der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt. Für eine Stellungnahme war am Dienstag zunächst niemand zu erreichen.
Auch politisch wächst der Druck. „Wenn sich verdichtet, dass die Leiterin des Bamf entweder Hinweise ignoriert hat oder nicht hinreichend informiert wurde, ist sie kaum mehr zu halten“, zweifelt die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Luise Amtsberg, am Dienstag. Die SPD geht noch nicht so weit, sieht Cordt und Seehofer gemeinsam in der Pflicht, dafür zu sorgen, „dass Schwachstellen innerhalb der Behörde schnellstmöglich abgestellt werden“, so ihr innenpolitischer Fraktionssprecher Burkhard Lischka. Inzwischen werden als Konsequenz aus dem Bamf-Skandal 18 000 Bescheide aus Bremen noch einmal überprüft, auch die Bescheide in den zehn Außenstellen mit auffälligen Quoten werden unter die Lupe genommen. Zudem startet der Bundesrechnungshof eine unabhängige Kontrolle der Mega-Behörde mit 6000 Mitarbeitern. Seehofer wird am kommenden Dienstag vor dem Innenausschuss des Bundestages zu der Sache befragt. Er muss den Abgeordneten vor allem erklären, wann er selbst von dem Skandal erfuhr.
Kann er die meisten Parlamentarier überzeugen, dass er jetzt mit Volldampf aufräumt und sich nicht weggeduckt hat, dann kann er die Einberufung eines Untersuchungsausschusses womöglich abwenden. Diesen fordern AfD und FDP, bräuchten aber auch die Unterstützung von Grünen und Linkspartei. Die Grünen sind dagegen, wollen den Rechtspopulisten keine Bühne geben. Der Widerstand der Linkspartei gegen einen Untersuchungsausschuss bröckelt inzwischen. Ob man das Instrument mittragen werde, „wird mit Sicherheit nicht über Medien erörtert“, legte sich Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch am Dienstag nicht fest.