Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Zu viert in einem Bügelzimmer
Vierköpfige Familie aus Ravensburg lebt immer noch auf neun Quadratmetern
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RAVENSBURG - Sandra P. ist verzweifelt. Die 31-jährige Ravensburgerin, über deren familiäre Notlage die „Schwäbische Zeitung“vor vier Monaten berichtete, hat immer noch keine Wohnung gefunden. Jetzt droht die vierköpfige Familie aus dem Bügelzimmer der Schwiegereltern ausziehen zu müssen. Die Spannungen unter so vielen Menschen auf kleinem Raum wurden einfach zu groß.
Die Altenpflegerin hatte sich um die Jahreswende an die Redaktion der „Schwäbischen Zeitung“gewandt: Hochschwanger mit dem zweiten Kind – der ältere Sohn ist fünf –, konnte sie keine Bleibe finden. Ihr Mann, der seinerzeit arbeitslos war, zog in die Obdachlosenunterkunft in der Florianstraße in Weißenau, sie selbst wohnte mit dem Kind im neun Quadratmeter großen Bügelzimmer der Schwiegereltern. Was mit einem Kindergartenkind schon eine Belastung war, hat sich mit dem neuen Baby, das im Februar zur Welt gekommen ist, verschärft. Zudem wollte auch der Ehemann nicht weiter in der Obdachlosenunterkunft bleiben und zog ebenfalls mit ins Bügelzimmer. Ein unfassbarer Zustand der Enge – selbst Gefängnis-Insassen haben mehr Platz. So kam es immer häufiger zum Streit mit den Schwiegereltern von Sandra P.
Dabei sah es nach dem Erscheinen des Artikels im Januar zunächst so aus, als gehe es aufwärts. Der 36jährige Familienvater fand Mitte Februar wieder einen Job, in dem er gut verdient. Viele Leser meldeten sich bei der Redaktion mit guten Ratschlägen, aber kein einziger Vermieter bot eine Wohnung an.
Um 35 Wohnungen auf dem freien Markt hat sich die Familie zwischenzeitlich bemüht – ohne Erfolg. „Meistens werden wir nicht mal eingeladen.“Nach Besichtigungen mit jeweils 40, 50 anderen Leuten bekamen sie immer eine Absage. Sandra P. glaubt, dass das entweder daran liegt, weil die Vermieter Kinderlärm fürchten, oder am Hund, einem zehn Jahre alten Appenzeller-Mischling. „Den würden wir zur Not aber auch abgeben, wenn es daran scheitern sollte.“
„Meistens werden wir nicht mal eingeladen.“Sandra P. zur Reaktion auf Wohnungs-Bewerbungen
Vater verdient wieder gut
Mittlerweile ist die Familie auch davon abgekommen, unbedingt in Ravensburg bleiben zu wollen, wo der ältere Sohn in den Kindergarten geht. Ein Umkreis von 20 Kilometern wäre kein Problem. Da der Vater wieder gutes Geld verdient, muss es auch nicht unbedingt eine superbillige Wohnung sein. „Wir haben eine Kaution zusammengespart und
könnten 1000 Euro Kaltmiete zahlen, aber wir finden einfach nichts“, sagt Sandra P. und weint.
Denn die Lage wird immer schlimmer: Ihre Schwiegereltern wollen den Zustand, zu sechst in einer 75-Quadratmeter-Wohnung zu sein, nicht mehr akzeptieren. Sie haben darum gebeten, dass die vier so schnell wie möglich ausziehen. „Wir würden auch eine Zwei-Zimmer-Wohnung nehmen“, meint Sandra P. „Hauptsache, irgendein Dach über dem Kopf.“
Bei sozialen Einrichtungen wie Caritas, Diakonie und Ravensburger Stadtverwaltung hat man der Familie bislang nicht weiterhelfen können. Denn in Ravensburg ist ein solches Schicksal kein Einzelfall. Nach dem ersten Artikel meldeten sich bei der Redaktion weitere Betroffene. Alleinerziehende, die trotz Berufs und geregelten Einkommens kein Vermieter haben will, oder eine junge Lehrerin, die die Kündigung von ihrem Vermieter bekam, nachdem sie sich darüber beschwert hatte, dass dieser den Allgemeinstrom über ihren Stromzähler abrechnete.
Wer auf die Schnelle eine Wohnung für Sandra P., ihren Mann und die zwei Jungen hat, kann eine Mail an a.vincenz@schwaebische.de schreiben. Wir leiten die Angebote weiter.