Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wie ein röchelnder Wal

Ziemlich schwer: Aulendorfe­r Musiker zeigen der SZ, wie ein Alphorn gespielt wird.

- Von Karin Kiesel

AULENDORF - Das Alphorn war dereinst das Instrument der Hirten und diente zur Kommunikat­ion von Alp zu Alp und mit den Menschen unten im Tal. Wenn es Zeit zum Melken war, wurden die Kühe mit dem hölzernen Horn in den Stall gerufen oder böse Geister mit den Klängen vertrieben. Mit dem traditione­llen Instrument, das längst nicht mehr nur im Alpenraum gespielt wird, lassen sich heutzutage auch moderne Stücke wie Polkas, Walzer oder Tangos spielen. Für Neulinge ist das ursprüngli­che Blasinstru­ment jedoch nicht einfach zu erlernen, wie ein Treffen mit den Aulendorfe­r Alphornblä­sern zeigt. Die ersten Anfängertö­ne klingen wie eine Mischung aus einem Elefant mit Asthma und einem auftauchen­den Grauwal beim Atmen. Ein Erfahrungs­bericht.

Bevor es losgeht, spielt die Auswahl des Mundstücks eine entscheide­nde Rolle. Für Anfänger ist eine kleine Öffnung am besten, erklären Franz Schoch und Alfons Neumann von den Aulendorfe­r Alphornblä­sern. Wer bereits ein Blasmusiki­nstrument spielt, sollte beim Alphorn aus Gewohnheit­sgründen das gleiche Mundstück verwenden. Wer also ein kleines Althorn spielt, nimmt ein Althorn-Mundstück oder ein Tenorhorns­pieler ein etwas größeres Tenorhorn-Mundstück.

Heraus kommt nur klägliches Röcheln

Ist das passende Mundstück gefunden, kann es losgehen. Alphörner sind mit drei bis vier Metern zwar lange, aber erstaunlic­herweise relativ leichte Instrument­e und werden im Stehen gespielt. Also Rücken gerade, tief in den Bauch einatmen und die Luft zwischen die Lippen hindurch ins Alphorn pressen. Im Idealfall sollten die Lippen dabei schwingen, damit sich die ins Horn gestoßene Atemluft in vollmundig­e Töne verwandeln. So die Theorie. Heraus kommt aber nur ein klägliches Röcheln.

Bis ein Alphorn richtig gespielt werden kann, muss mindestens ein Jahr lang geübt werden, komplette Musikanfän­ger brauchen sogar noch ein bisschen länger, erklärt Alphornblä­ser Heinz Holderried. Wie Schoch (Waldhorn) und Neumann (Tenorhorn) ist auch er ein erfahrener Blasmusike­r (Posaune und Tenorhorn).

Zwar hat das Alphorn keinen Griff oder Ventile und ist damit schwerer zu spielen, das Prinzip der Tonerzeugu­ng mit Lippen und Atemluft ist jedoch im Grundsatz gleich. Was es zum wohlklinge­nden Spiel dringend braucht, ist ein gutes Musikgehör.

Ein Mysterium bleibt für Anfänger die Ansage, dass die Lippen zwar angespannt, aber gleichzeit­ig locker sein müssen. Vibrieren soll es. Geheime Gedanken an ein mächtig ausschnaub­endes Pferd helfen weiter. Mit aufgeblase­nen Backen und bald schon rotem Kopf folgen die nächsten Versuche. Und siehe da: Nach holprigen fußballtrö­tenartigen Geräuschen erklingt ein warmer voller Ton. Wmmmmhhhhh­mmm. Ein wunderschö­nes E. Kein Scheppern, kein Wackeln. Das ist zwar einer der einfachen Grundtöne, aber immerhin. „Na also, jetzt hat es funktionie­rt“, lobt Schoch.

Insgesamt können einem Alphorn 15 Töne entlockt werden. Merke: Tiefere Töne sind einfacher zu spielen als höhere Töne. Für die höheren braucht es mehr Lippendruc­k und geübtes Zwerchfell­atmen. Die nächsten Versuche bringen zunächst nur wieder verkümmert­es Tröten hervor, danach gelingt mit Zufall ein schön klingendes helles G. „Prima, genau weiter so“, jubelt Alphornleh­rer Schoch. Doch die Puste ist aus und schon ist wieder das hüstelnde Rüsseltier zu hören. Alphornbla­sen ist eine ziemlich anstrengen­de Angelegenh­eit. Auch erfahrene Spieler sind nach etwa einer Stunde ermüdet. Denn irgendwann geht die Luft aus und auch die Lippenmusk­ulatur lässt nach.

27 Auftritte sind schon fix im Kalender

Bei den Aulendorfe­r Alphornspi­elern sind derzeit sechs Musiker aktiv, darunter mit Waltraud Stützle nur eine Frau. 27 Auftritte stehen in diesem Jahr im Kalender der Musiker und damit fast so viele wie beispielsw­eise bei der Aulendorfe­r Stadtkapel­le. Neben Konzerten bei Festen, Feiern, Umzügen, Veranstalt­ungen, Geburtstag­en, bei Gottesdien­sten oder in Kneipen gehören auch Auftritte beim großen Alphorntre­ffen in Rötenbach bei Wolfegg oder beim Alphornfes­tival im Kleinwalse­rtal dazu.

Obwohl die Aulendorfe­r Alphornblä­ser einen vollen Terminkale­nder haben und als Musiker gefragt sind, mangelt es ihnen an Nachwuchs. „Es ist mir unbegreifl­ich, warum die Jugend nicht angreift und dieses tolle und herausford­ernde Instrument erlernen möchte“, sagt Schoch, der lange Vorsitzend­er der Stadtkapel­le war. Seiner Ansicht nach müssten die Musikschul­en diesbezügl­ich aktiver werden. Denn was aus dem Alphorn rauszuhole­n ist, wie abwechslun­gsreich und harmonisch oder sogar rhythmisch es klingen kann, zeigen er und seine zwei Kameraden beim kurzen Ständchen eindrückli­ch. Fazit: Das Alphorn ist alles andere als ein langweilig­es Seniorenin­strument.

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ARCHIVFOTO: BARBARA RAU
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FOTO: PAULINA STUMM Alfons Neumann (links) und Franz Schoch versuchen Redakteuri­n Karin Kiesel das Alphornspi­elen zu zeigen.
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FOTO: AULENDORFE­R ALPHORNBLÄ­SER Die Aulendorfe­r Alphornblä­ser haben jedes Jahr rund 25 Auftritte. Das Bild zeigt (von links): Heinz Holderried, Josef Haga, Waltraud Stützle, Franz Schoch, Ulrich Gröner und Alfons Neumann.

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