Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wie ein röchelnder Wal
Ziemlich schwer: Aulendorfer Musiker zeigen der SZ, wie ein Alphorn gespielt wird.
●
AULENDORF - Das Alphorn war dereinst das Instrument der Hirten und diente zur Kommunikation von Alp zu Alp und mit den Menschen unten im Tal. Wenn es Zeit zum Melken war, wurden die Kühe mit dem hölzernen Horn in den Stall gerufen oder böse Geister mit den Klängen vertrieben. Mit dem traditionellen Instrument, das längst nicht mehr nur im Alpenraum gespielt wird, lassen sich heutzutage auch moderne Stücke wie Polkas, Walzer oder Tangos spielen. Für Neulinge ist das ursprüngliche Blasinstrument jedoch nicht einfach zu erlernen, wie ein Treffen mit den Aulendorfer Alphornbläsern zeigt. Die ersten Anfängertöne klingen wie eine Mischung aus einem Elefant mit Asthma und einem auftauchenden Grauwal beim Atmen. Ein Erfahrungsbericht.
Bevor es losgeht, spielt die Auswahl des Mundstücks eine entscheidende Rolle. Für Anfänger ist eine kleine Öffnung am besten, erklären Franz Schoch und Alfons Neumann von den Aulendorfer Alphornbläsern. Wer bereits ein Blasmusikinstrument spielt, sollte beim Alphorn aus Gewohnheitsgründen das gleiche Mundstück verwenden. Wer also ein kleines Althorn spielt, nimmt ein Althorn-Mundstück oder ein Tenorhornspieler ein etwas größeres Tenorhorn-Mundstück.
Heraus kommt nur klägliches Röcheln
Ist das passende Mundstück gefunden, kann es losgehen. Alphörner sind mit drei bis vier Metern zwar lange, aber erstaunlicherweise relativ leichte Instrumente und werden im Stehen gespielt. Also Rücken gerade, tief in den Bauch einatmen und die Luft zwischen die Lippen hindurch ins Alphorn pressen. Im Idealfall sollten die Lippen dabei schwingen, damit sich die ins Horn gestoßene Atemluft in vollmundige Töne verwandeln. So die Theorie. Heraus kommt aber nur ein klägliches Röcheln.
Bis ein Alphorn richtig gespielt werden kann, muss mindestens ein Jahr lang geübt werden, komplette Musikanfänger brauchen sogar noch ein bisschen länger, erklärt Alphornbläser Heinz Holderried. Wie Schoch (Waldhorn) und Neumann (Tenorhorn) ist auch er ein erfahrener Blasmusiker (Posaune und Tenorhorn).
Zwar hat das Alphorn keinen Griff oder Ventile und ist damit schwerer zu spielen, das Prinzip der Tonerzeugung mit Lippen und Atemluft ist jedoch im Grundsatz gleich. Was es zum wohlklingenden Spiel dringend braucht, ist ein gutes Musikgehör.
Ein Mysterium bleibt für Anfänger die Ansage, dass die Lippen zwar angespannt, aber gleichzeitig locker sein müssen. Vibrieren soll es. Geheime Gedanken an ein mächtig ausschnaubendes Pferd helfen weiter. Mit aufgeblasenen Backen und bald schon rotem Kopf folgen die nächsten Versuche. Und siehe da: Nach holprigen fußballtrötenartigen Geräuschen erklingt ein warmer voller Ton. Wmmmmhhhhhmmm. Ein wunderschönes E. Kein Scheppern, kein Wackeln. Das ist zwar einer der einfachen Grundtöne, aber immerhin. „Na also, jetzt hat es funktioniert“, lobt Schoch.
Insgesamt können einem Alphorn 15 Töne entlockt werden. Merke: Tiefere Töne sind einfacher zu spielen als höhere Töne. Für die höheren braucht es mehr Lippendruck und geübtes Zwerchfellatmen. Die nächsten Versuche bringen zunächst nur wieder verkümmertes Tröten hervor, danach gelingt mit Zufall ein schön klingendes helles G. „Prima, genau weiter so“, jubelt Alphornlehrer Schoch. Doch die Puste ist aus und schon ist wieder das hüstelnde Rüsseltier zu hören. Alphornblasen ist eine ziemlich anstrengende Angelegenheit. Auch erfahrene Spieler sind nach etwa einer Stunde ermüdet. Denn irgendwann geht die Luft aus und auch die Lippenmuskulatur lässt nach.
27 Auftritte sind schon fix im Kalender
Bei den Aulendorfer Alphornspielern sind derzeit sechs Musiker aktiv, darunter mit Waltraud Stützle nur eine Frau. 27 Auftritte stehen in diesem Jahr im Kalender der Musiker und damit fast so viele wie beispielsweise bei der Aulendorfer Stadtkapelle. Neben Konzerten bei Festen, Feiern, Umzügen, Veranstaltungen, Geburtstagen, bei Gottesdiensten oder in Kneipen gehören auch Auftritte beim großen Alphorntreffen in Rötenbach bei Wolfegg oder beim Alphornfestival im Kleinwalsertal dazu.
Obwohl die Aulendorfer Alphornbläser einen vollen Terminkalender haben und als Musiker gefragt sind, mangelt es ihnen an Nachwuchs. „Es ist mir unbegreiflich, warum die Jugend nicht angreift und dieses tolle und herausfordernde Instrument erlernen möchte“, sagt Schoch, der lange Vorsitzender der Stadtkapelle war. Seiner Ansicht nach müssten die Musikschulen diesbezüglich aktiver werden. Denn was aus dem Alphorn rauszuholen ist, wie abwechslungsreich und harmonisch oder sogar rhythmisch es klingen kann, zeigen er und seine zwei Kameraden beim kurzen Ständchen eindrücklich. Fazit: Das Alphorn ist alles andere als ein langweiliges Senioreninstrument.