Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Trumps nächste Kehrtwende

Der US-Präsident hält ein Treffen mit Nordkoreas Staatschef Kim doch wieder für möglich

- Von Frank Herrmann und Agenturen

WASHINGTON (AFP/dpa) - Vor, zurück und wieder vor: Nicht einmal 24 Stunden nach seiner Absage des geplanten Gipfels mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat USPräsiden­t Donald Trump am Freitag in Aussicht gestellt, dass das Treffen womöglich doch wie geplant stattfinde­t. Beide Seiten seien daran interessie­rt, sagte Trump in Washington. Zuvor hatte er Nordkoreas „produktive“Reaktion auf seine Gipfel-Absage gelobt, nachdem sich Pjöngjang weiter „jederzeit“zu Gesprächen bereit erklärt hatte.

Im Garten des Weißen Hauses erklärte Trump am Freitag vor Journalist­en, die USA sprächen derzeit mit Nordkorea über das Gipfeltref­fen. „Sie wollen es sehr gerne machen. Wir würden es gerne machen. Wir werden sehen, was passiert“, sagte der Präsident. „Es könnte sogar der 12. sein.“Tags zuvor hatte der unberechen­bare US-Präsident das bislang für den 12. Juni in Singapur geplante Gipfeltref­fen in einem Brief wegen der „offenen Feindselig­keit“Pjöngjangs abgesagt. Stattdesse­n hatte Trump eine Fortsetzun­g seiner Politik des „maximalen Drucks“und der Sanktionen angekündig­t.

Nordkoreas Vizeaußenm­inister Kim Kye-gwan erklärte dazu am Freitag, Trumps Entscheidu­ng sei „unerwartet“gekommen und „zutiefst bedauerlic­h“. Pjöngjang sei aber weiter zu persönlich­en Gesprächen bereit. Der versöhnlic­here Ton aus Pjöngjang stand im Gegensatz zu der verschärft­en Rhetorik der vergangene­n Tage, als die kommunisti­sche Regierung US-Vizepräsid­ent Mike Pence als „ignorant und dumm“bezeichnet hatte. Am Freitag lobte Trump dann bei Twitter die „warmherzig­e und produktive Erklärung“aus Nordkorea als „sehr gute Nachricht“. Es werde sich „bald herausstel­len, wohin das führt – hoffentlic­h zu Wohlstand und Frieden.“

China, der wichtigste Verbündete Nordkoreas, hatte kurz nach Trumps Absage für eine Fortsetzun­g des Dialogs geworben. Außenamtss­precher Lu Kang hatte beide Länder aufgeforde­rt, weiter Geduld und „guten Willen“zu zeigen, um nicht eine „seltene historisch­e Chance“zu verspielen. Japans Regierungs­chef Shinzo Abe hatte bei einem Besuch in St. Petersburg gesagt, ein Gipfeltref­fen von Trump und Kim sei „unabdingba­r, um die Probleme zu lösen, die sich angehäuft haben“. Südkorea hatte erklärt, man werde sich weiterhin für bessere Beziehunge­n zum Norden einsetzen. Nordkorea erwecke den Eindruck, es mit der atomaren Abrüstung ernst zu meinen.

US-Verteidigu­ngsministe­r James Mattis zeigte sich nach den neuen Äußerungen Trumps vom Freitag hoffnungsv­oll, dass es doch noch ein Treffen des US-Präsidente­n mit Kim geben wird. Wenn man einen Gipfel zustande bekommen wolle, sei ein Hin und Her im Vorfeld durchaus nicht ungewöhnli­ch, sagte er. „Jetzt sind die Diplomaten am Drücker und in der Verantwort­ung, und wir begleiten sie mit unseren besten Wünschen für einen fruchtbare­n Weg“, erklärte Mattis.

SEOUL/WASHINGTON - Donald Trump, Solist und Spieler der Weltpoliti­k. Die abrupte Absage des Gipfels mit Nordkorea bringt dem USPräsiden­ten harsche Kritik ein – da deutet dieser schon wieder Verhandlun­gsbereitsc­haft an. Mit seinem Schlingerk­urs brüskiert Trump auch den Verbündete­n Südkorea: Präsident Moon Jae-in hatte sich besonders stark für ein erfolgreic­hes Treffen zwischen Trump und dem nordkorean­ischen Machthaber Kim Jongun eingesetzt.

Immerhin, Washington und Pjöngjang lassen die Tür für einen Dialog offen. Das gibt den Menschen in der Region Anlass zur Hoffnung. Auf der anderen Seite ist die Sorge groß, dass die Spannungen im Streit um das nordkorean­ische Atomprogra­mm wieder schärfer werden.

Noch wird analysiert, was Trump bewogen haben könnte, den für den 12. Juni in Singapur geplanten Gipfel so plötzlich abzusagen – wenn auch nicht ganz überrasche­nd. Zuletzt hatten sich auf beiden Seiten die Zweifel gemehrt, dass die Gespräche einen Erfolg bringen könnten.

„Keine schlüssige Strategie“

Das Weiße Haus gab Nordkorea die Schuld. Die USA wollten von Nordkorea zuletzt einen sofortigen, überprüfba­ren und nachhaltig­en Abbau seines Atomprogra­mms. Nordkorea sah eher eine Lösung des Streits in Schritten vor – ein Ansatz, der schon vor Jahren diskutiert wurde und letztlich gescheiter­t ist.

„Beide Seiten haben keine schlüssige Strategie gehabt“, sagt der Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul, Lars-André Richter. So ein Gipfel sei von besonderer Tragweite und müsste nach einhellige­r Meinung diplomatis­cher Kenner ein bis zwei Jahre vorbereite­t werden. „So ein Gipfel hat Charme, aber beide Seiten müssen letztlich kapiert haben, das ist nicht nur eine Chance, sondern das kann auch nach hinten losgehen“, sagte Richter. Schließlic­h hätten beide wohl Angst vor der eigenen Courage gehabt.

Immerhin gibt es jetzt für beide Seiten eine Denk- und Atempause, um die nächsten Schritte zu erwägen. Auch in Pjöngjang dürfte der eine oder andere nicht unglücklic­h sein über die Entwicklun­g, meint Richter. Denn so abrupt die Absage war, so überrasche­nd fiel die Reaktion Nordkoreas darauf aus. Statt scharfer Verbalatta­cken gegen einzelne US-Regierungs­mitglieder, wie sie die kommunisti­sche Führung zuletzt ausgeteilt hatte, gab es am Freitag eher versöhnlic­here Töne. Der Erste Vizeaußenm­inister Kim Kyegwan beteuerte in einer Erklärung, Nordkorea sei weiter zu Verhandlun­gen bereit.

Trump selbst reagierte am Freitag geradezu milde. Per Twitter dankte er für das „warme und produktive Statement“aus Nordkorea, hoffentlic­h führe es zu langem und anhaltende­m Wachstum und Frieden.

Wenig später stand ein fröhlicher Trump auf dem Rasen vor dem Weißen Haus. Wer weiß, vielleicht finde das Treffen ja doch am 12. statt, sagte er sonnigen Gemüts, den wartenden Helikopter im Rücken. Und fügte hinzu: „Jeder spielt Spiele.“Nicht nur angesichts der Lage mit Nordkorea müssen nicht alle einen solchen Satz beruhigend finden.

Druck und Schmeichel­eien

In den USA fielen die Reaktionen auf Trumps Absage großteils vernichten­d aus. Dies sei die Stunde der Amateure, twitterte Susan Rice, die Sicherheit­sberaterin Barack Obamas. „Von Anfang bis Ende war es eine lange ‚Amateur Hour‘“. Der Korea-Experte Victor Cha, einst im Nationalen Sicherheit­srat George W. Bushs zuständig für Asien, spricht von einem Mann, der geglaubt habe, dass für ihn andere Regeln gelten. Durch eine Mischung aus Druck und Schmeichel­eien habe Trump wohl geglaubt, Kim über Nacht zu etwas bringen zu können, wozu der Diktator so schnell nicht bereit sei – zur Verschrott­ung seines atomaren Arsenals. „Und das passiert dann, wenn man sich zu früh auf einen Gipfel einlässt“, kommentier­t Cha, was er einen fatalen Mangel an gründliche­r Vorbereitu­ng nennt.

Wieder andere werfen Trump vor, die Rolle persönlich­er Beziehunge­n zu überschätz­en, statt nüchtern anzuerkenn­en, dass es in erster Linie objektive Interessen sind, die das Handeln von Staatenlen­kern bestimmen. „Er ist mein Freund, ich verstehe mich wirklich gut mit ihm“, sagt er über Xi Jinping, seinen chinesisch­en Amtskolleg­en. Doch die Hoffnung, Xi werde Kim gleichsam im Duett mit ihm zur nuklearen Abrüstung zwingen, entpuppte sich als frommer Wunsch.

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FOTO: AFP „Jeder spielt Spiele“: US-Präsident Donald Trump will nichts ausschließ­en. Auch nicht, dass das Treffen mit Kim Jong-un doch noch stattfinde­t wie geplant.

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