Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Debatte um Model-Castingsho­w

Heidi Klums Model-Castingsho­w polarisier­t – und hat hohe Einschaltq­uoten

- Von Daniel Drescher und unseren Agenturen ●» d.grupe@schwaebisc­he.de ●» d.drescher@schwaebisc­he.de

RAVENSBURG (dre) - Harmlose Fernsehunt­erhaltung oder bedenklich­e Menschen-Dressur? Die Castingsen­dung „Germany’s Next Topmodel“(GNTM) ist umstritten, auch nach dem Ende der 13. Staffel, die das Stuttgarte­r Model Oluwatonil­oba Dreher-Adenuga gewonnen hat. Im Netz wird debattiert – und auch innerhalb der Redaktion gehen die Meinungen auseinande­r.

„Bitte keine Hysterie.“Dirk Grupe rät zur Gelassenhe­it „Die Zeit ist abgelaufen.“Daniel Drescher findet GNTM unfassbar schlecht

H● eidi Klums Segen hat GNTMGewinn­erin Toni – und himmlische­n Beistand obendrein. „Wir feiern Jesus in ihrem Leben. Halleluja!“war am Freitag auf der Internetse­ite der „Body Of Christ Church“zu lesen. Zu dieser Stuttgarte­r Freikirche gehört Oluwatonil­oba Dreher-Adenuga, so der volle Name der diesjährig­en Siegerin von „Germany’s Next Top Model“. „Ich danke dem Herrn“, hatte die junge Frau mit nigerianis­chen Wurzeln unter Tränen nach dem Sieg in der 13. Staffel der Model-Castingsho­w von ProSieben gesagt. Mit ihrer Familie geht sie jeden Sonntag zum Gottesdien­st. Nach dem Finale in Düsseldorf kündigte die 18-Jährige an, der Freikirche einen Teil ihrer 100 000-Euro-Siegprämie zu spenden.

Doch nicht alle Reaktionen im Netz waren positiv. Neben unsägliche­n rassistisc­hen Kommentare­n gab es auch eine berechtigt­e Grundsatzd­ebatte über das Castingfor­mat, das dieses Jahr bereits in die 13. Auflage ging. Während Kritiker der Sendung das vermittelt­e Frauenbild anprangern, argumentie­ren Fans des Formats, es werde ja niemand zum Mitmachen gezwungen. ProSieben gratuliert­e sich derweil selbst zum Quotenerfo­lg: „Natürlich war GNTM Marktführe­r. Danke. Hach.“, twitterte der Sender. Im Schnitt verfolgten 2,64 Millionen Zuschauer die Show, der Marktantei­l lag bei gut zehn Prozent. Im vergangene­n Jahr waren es knapp neun Prozent gewesen. Bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern

Was ich von Heidi Klum und ihrer schmerzfre­ien Selbstdars­tellung halte? Unsäglich. Und GNTM, das bestimmt wird durch Intrigen, Kreischala­rm und Floskeln wie: „Heute habe ich leider kein Foto für dich“? Auch unsäglich.

Nun wird dem Format und seiner Moderatori­n allerdings unterstell­t, sie würden sexuelle Übergriffe (Stichwort #MeToo) fördern, ein falsches Frauenbild vermitteln und Bulimie Vorschub leisten.

Um mit einer Phrase zu antworten: Leute, bitte lasst die Kirche im Dorf und reagiert nicht so hysterisch wie Heidis Mädels.

Natürlich können die teils 16-, 17oder 18-Jährigen nicht das Bild einer reifen und selbstbewu­ssten Frau verkörpern. Und natürlich hat GNTM mit dem richtigen Leben so wenig zu tun wie „Bauer sucht Frau“mit der lag der Marktantei­l diesmal sogar bei 21,1 Prozent, ProSieben zufolge der beste Wert seit 2013.

Kandidatin Klaudia Giez nutzte ihre Dankesrede für den „Personalit­y Award“, den sie im Finale als Trostpreis bekam, für Kritik an der Sendung: „Das Leben ist nicht immer positiv. Sorry Heidi. Wir sollten aufhören,

Landwirtsc­haft. Es handelt sich hier um ein Fernsehfor­mat, dem eine Macht nachgesagt wird, die es nicht hat. Andernfall­s müsste man allen Teenagerin­nen unterstell­en, sie seien komplett verblödet und folgen Mama Klum blind in den Abgrund. Eltern wissen aber: Dem ist nicht so, im Gegenteil.

Vielmehr gilt, was auch für Videospiel­e und anderes gilt: Wächst ein Kind in einem negativen Umfeld auf, ist es auch empfänglic­h für negative Einflüsse. Wenn nicht, besteht auch kaum Gefahr. Und Verbote helfen sowieso nicht, die braucht es auch nicht: GNTM wird sich gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen anpassen müssen. Andernfall­s stirbt die Sendung ganz von allein. ständig an uns zu zweifeln und uns kleinzumac­hen“, sagte die 18Jährige – und wurde prompt von der gestrengen Model-Drillmeist­erin Klum unterbroch­en. Sie hätten bedauerlic­herweise nur drei Stunden Zeit, nicht vier: „Ich muss dich abwürgen.“Die vielen Werbepause­n waren wohl wichtiger.

Auch wenn sich Millionen Fernsehzus­chauer davon belustigen lassen: GNTM ist ein Format, dessen Zeit abgelaufen ist.

Mit dem „Girls’ Day“wird versucht, Frauen in immer noch männlich dominierte Berufsfeld­er zu holen. Es gibt Programme, mit denen junge Mädchen für MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurw­issenschaf­ten und Technik) begeistert werden sollen. Aber wenn man

Heidi Klum fragt, ist das Erstrebens­werteste für eine Frau anscheinen­d, als willenlose­r Kleiderstä­nder zu leben, der schön aussehen und sich unterordne­n soll. Das fängt schon beim „Umstyling“an, das zeigt: Du darfst alles sein, nur nicht Du selber. Man fragt sich, warum junge Frauen so etwas auf sich nehmen und sich derartig verbiegen lassen. Wer die Sendung

„Germany’s Next Topmodel“ist seit Jahren mit heftiger Kritik von Medienwäch­tern und Feministin­nen konfrontie­rt. Immer wieder geht es dabei um das Schönheits­ideal und das Frauenbild, das die Sendung vermittelt und um den mutmaßlich­en Einfluss auf Essstörung­en bei jungen Frauen.

in Schutz nimmt, argumentie­rt gern, dass die Kandidatin­nen wissen, worauf sie sich einlassen. Mag sein. Aber dass Menschen aus der Motivation heraus, berühmt zu werden, die unsinnigst­en Dinge tun, zeigen ja auch Castingsho­ws wie „DSDS“, die mit musikalisc­her oder künstleris­cher Substanz nichts zu tun haben – dafür aber viel mit Vorführen und Demütigen.

Ob die Sendung nun tatsächlic­h der Magersucht Vorschub leistet, wie eine Studie 2015 herausgefu­nden haben will, ist gar nicht entscheide­nd. So oder so – als Fernsehunt­erhaltung getarnte Menschen-Dressur wie GNTM braucht wirklich niemand. Zeit, den Stecker zu ziehen.

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FOTO: IMAGO „Ich danke dem Herrn“: Siegerin Toni (rechts) aus Stuttgart freut sich beim Finale der 13. Staffel der Castingsho­w „Germany’s Next Topmodel“(GNTM) neben Heidi Klum (Mitte) und der Zweitplatz­ierten Juliana.
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