Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Der perfekte Künstler“
Hightmatland-Organisatoren rechtfertigen das Engagement des Rappers Haftbefehl
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LEUTKIRCH - Der geplante Auftritt des Rappers mit dem Künstlernamen Haftbefehl beim dritten Highmatland-Festival in Leutkirch sorgt in der Stadt noch immer für Diskussionsstoff. Unterstützer des Festivals hatten sich zuletzt geweigert, für mögliche finanzielle Ausfälle geradezustehen. In einer ausführlichen Stellungnahme gehen nun Verantwortliche des Organisationsteams des Jugendhauses sowohl auf die Entscheidung als auch auf die Berichterstattung der Schwäbischen Zeitung und veröffentlichte Leserbriefe ein.
„Das Highmatland entstand aus der Idee, ein Event für die Leutkircher Jugend zu schaffen, von Jugendlichen für Jugendliche, ein Event, auf dem alle zusammen feiern und Spaß haben können. Von 14-Jährigen bis 30-Jährigen, alle sind willkommen, egal welcher Gruppe oder Schicht man angehört. Auch wenn das vielleicht noch nicht alle Erwachsenen mitbekommen haben, ist Hip-Hop in den letzten Jahren zur größten Subkultur im aktuellen Zeitgeist herangewachsen und erfreut sich nie da gewesener Beliebtheit.“So beginnt das Schreiben an die SZ.
Gerade die deutschsprachige Hip-Hop-Kultur sei breit gefächert und vielseitig. „Deshalb haben wir uns für diese als Hauptstil unseres Festivals entschieden. 2018 geht das Festival nun schon in die dritte Runde, und immer noch sind wir Organisatoren ein Team von Jugendlichen, die ehrenamtlich und ohne professionelle Kenntnisse im Bereich Eventmanagement, Marketing oder sonstigen Bereichen ein Festival auf die Beine stellen, welches sich nicht im Geringsten vor ähnlichen Festivals oder gar größeren Festivals, hinter welchen große Eventfirmen stehen, verstecken muss“, heißt es weiter.
„Traurig und wütend“
Die Verfasser kritisieren, dass ein Teil der kritischen Stellungnahmen aus ihrer Sicht darauf zurückzuführen sei, dass Wörter aus einem Text von Haftbefehl „wahllos neu zusammengewürfelt“ worden seien. Das mache sie „traurig und wütend“. Haftbefehl war nach der Analyse von Textauszügen unterstellt worden, er verbreite auch antisemitische Meinungen. Bemängelt wird unter anderem, dass in der Berichterstattung „als einleitende Information zu dem Künstler“seine Herkunft erwähnt worden sei. Daraus könne , ein „Bild von Islamophobie“abgeleitet werden. Diese Angst verstecke sich hinter dem Vorwurf des Antisemitismus, das sei „heuchlerisch und gefährlich“.
Das Highmatland stehe jedoch „für absolute Toleranz aller Kulturen und Religionen, für die Integration aller Ethnien und sozialer Schichten in unserer Gesellschaft“. Deshalb sei sehr genau überlegt worden, „welche Künstler wir buchen und welche nicht“, schreiben die Organisatoren. Haftbefehl sei nicht zufällig „zu unserem Wunschkandidaten des Headliners geworden.“Der Rapper zähle zu den „meistgefeiertsten, erfolgreichsten und einflussreichsten Protagonisten im deutschsprachigen Hip-Hop“.
Haftbefehl erzähle „schonungslos von seiner Realität und seinem Alltag als Jugendlicher mit Migrationshintergrund“. Sein Vater habe sich das Leben genommen, „als er 14 Jahre alt war, seine Mutter war mit ihm und seinen Geschwistern überfordert, und so geriet er schon in jungen Jahren auf die Straße. Gewalt, Hass und Drogen waren sein Alltag.“Davon erzähle er in seiner Kunst, „schonungslos, roh und direkt“. Es gehe um Hoffnungslosigkeit, Drogen und Gewalt, erfahrenen Fremdenhass und Frust. Dieser werde dann durch Gewalt, Zerstörung und Drogenkonsum bekämpft. Ein Rapper wie Haftbefehl, der vielen Jugendlichen aus der Seele spreche, sei ein „riesiges Vorbild dafür, wie man es aus diesem Teufelskreis schaffen kann. Seinem Frust in Texten Luft zu machen statt durch Gewalt ist der Schlüssel und genau das, was Haftbefehl vorlebt“.
Auch in einer Kleinstadt wie Leutkirch gebe es aus Sicht der Organisatoren viele Jugendliche, die mit Problemen zu kämpfen hätten, die sozial ausgegrenzt seien und sich von den Alten nicht verstanden fühlten. „Mit dem Highmatland-Festival wollen wir alle Jugendlichen abholen, aller Bildungsstände oder sozialer Schichten. Haftbefehl ist unserer Meinung nach der perfekte Künstler dafür, da er wie kein anderer eine so breite gesellschaftliche Masse an Menschen anspricht. Jugendliche hören ihn, weil sie sich verstanden fühlen, weil es ihnen ähnlich geht, weil sie sich mit ihm identifizieren können“, betonen die Organisatoren. Sie ergänzen: „Genau deshalb sind wir wahnsinnig stolz und froh, es geschafft zu haben, ihn auf unser Festival zu holen. Wenn wir damit einige ältere Bürger vor den Kopf stoßen, weil diese die Kultur und Musik nicht verstehen, dann ist das für uns weder überraschend noch tragisch.“Dass die ältere Generation die jüngere nicht verstehe, sei nichts Neues.