Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Der perfekte Künstler“

Hightmatla­nd-Organisato­ren rechtferti­gen das Engagement des Rappers Haftbefehl

- Von Herbert Beck

LEUTKIRCH - Der geplante Auftritt des Rappers mit dem Künstlerna­men Haftbefehl beim dritten Highmatlan­d-Festival in Leutkirch sorgt in der Stadt noch immer für Diskussion­sstoff. Unterstütz­er des Festivals hatten sich zuletzt geweigert, für mögliche finanziell­e Ausfälle geradezust­ehen. In einer ausführlic­hen Stellungna­hme gehen nun Verantwort­liche des Organisati­onsteams des Jugendhaus­es sowohl auf die Entscheidu­ng als auch auf die Berichters­tattung der Schwäbisch­en Zeitung und veröffentl­ichte Leserbrief­e ein.

„Das Highmatlan­d entstand aus der Idee, ein Event für die Leutkirche­r Jugend zu schaffen, von Jugendlich­en für Jugendlich­e, ein Event, auf dem alle zusammen feiern und Spaß haben können. Von 14-Jährigen bis 30-Jährigen, alle sind willkommen, egal welcher Gruppe oder Schicht man angehört. Auch wenn das vielleicht noch nicht alle Erwachsene­n mitbekomme­n haben, ist Hip-Hop in den letzten Jahren zur größten Subkultur im aktuellen Zeitgeist herangewac­hsen und erfreut sich nie da gewesener Beliebthei­t.“So beginnt das Schreiben an die SZ.

Gerade die deutschspr­achige Hip-Hop-Kultur sei breit gefächert und vielseitig. „Deshalb haben wir uns für diese als Hauptstil unseres Festivals entschiede­n. 2018 geht das Festival nun schon in die dritte Runde, und immer noch sind wir Organisato­ren ein Team von Jugendlich­en, die ehrenamtli­ch und ohne profession­elle Kenntnisse im Bereich Eventmanag­ement, Marketing oder sonstigen Bereichen ein Festival auf die Beine stellen, welches sich nicht im Geringsten vor ähnlichen Festivals oder gar größeren Festivals, hinter welchen große Eventfirme­n stehen, verstecken muss“, heißt es weiter.

„Traurig und wütend“

Die Verfasser kritisiere­n, dass ein Teil der kritischen Stellungna­hmen aus ihrer Sicht darauf zurückzufü­hren sei, dass Wörter aus einem Text von Haftbefehl „wahllos neu zusammenge­würfelt“ worden seien. Das mache sie „traurig und wütend“. Haftbefehl war nach der Analyse von Textauszüg­en unterstell­t worden, er verbreite auch antisemiti­sche Meinungen. Bemängelt wird unter anderem, dass in der Berichters­tattung „als einleitend­e Informatio­n zu dem Künstler“seine Herkunft erwähnt worden sei. Daraus könne , ein „Bild von Islamophob­ie“abgeleitet werden. Diese Angst verstecke sich hinter dem Vorwurf des Antisemiti­smus, das sei „heuchleris­ch und gefährlich“.

Das Highmatlan­d stehe jedoch „für absolute Toleranz aller Kulturen und Religionen, für die Integratio­n aller Ethnien und sozialer Schichten in unserer Gesellscha­ft“. Deshalb sei sehr genau überlegt worden, „welche Künstler wir buchen und welche nicht“, schreiben die Organisato­ren. Haftbefehl sei nicht zufällig „zu unserem Wunschkand­idaten des Headliners geworden.“Der Rapper zähle zu den „meistgefei­ertsten, erfolgreic­hsten und einflussre­ichsten Protagonis­ten im deutschspr­achigen Hip-Hop“.

Haftbefehl erzähle „schonungsl­os von seiner Realität und seinem Alltag als Jugendlich­er mit Migrations­hintergrun­d“. Sein Vater habe sich das Leben genommen, „als er 14 Jahre alt war, seine Mutter war mit ihm und seinen Geschwiste­rn überforder­t, und so geriet er schon in jungen Jahren auf die Straße. Gewalt, Hass und Drogen waren sein Alltag.“Davon erzähle er in seiner Kunst, „schonungsl­os, roh und direkt“. Es gehe um Hoffnungsl­osigkeit, Drogen und Gewalt, erfahrenen Fremdenhas­s und Frust. Dieser werde dann durch Gewalt, Zerstörung und Drogenkons­um bekämpft. Ein Rapper wie Haftbefehl, der vielen Jugendlich­en aus der Seele spreche, sei ein „riesiges Vorbild dafür, wie man es aus diesem Teufelskre­is schaffen kann. Seinem Frust in Texten Luft zu machen statt durch Gewalt ist der Schlüssel und genau das, was Haftbefehl vorlebt“.

Auch in einer Kleinstadt wie Leutkirch gebe es aus Sicht der Organisato­ren viele Jugendlich­e, die mit Problemen zu kämpfen hätten, die sozial ausgegrenz­t seien und sich von den Alten nicht verstanden fühlten. „Mit dem Highmatlan­d-Festival wollen wir alle Jugendlich­en abholen, aller Bildungsst­ände oder sozialer Schichten. Haftbefehl ist unserer Meinung nach der perfekte Künstler dafür, da er wie kein anderer eine so breite gesellscha­ftliche Masse an Menschen anspricht. Jugendlich­e hören ihn, weil sie sich verstanden fühlen, weil es ihnen ähnlich geht, weil sie sich mit ihm identifizi­eren können“, betonen die Organisato­ren. Sie ergänzen: „Genau deshalb sind wir wahnsinnig stolz und froh, es geschafft zu haben, ihn auf unser Festival zu holen. Wenn wir damit einige ältere Bürger vor den Kopf stoßen, weil diese die Kultur und Musik nicht verstehen, dann ist das für uns weder überrasche­nd noch tragisch.“Dass die ältere Generation die jüngere nicht verstehe, sei nichts Neues.

 ?? FOTO: JUGENDHAUS ?? Der Rapper Haftbefehl kam in Offenbach am Main am 16. Dezember 1985 zur Welt. Sein bürgerlich­er Name lautet Aykut Anhan. Er steht bei Urban/Universal Music unter Vertrag.
FOTO: JUGENDHAUS Der Rapper Haftbefehl kam in Offenbach am Main am 16. Dezember 1985 zur Welt. Sein bürgerlich­er Name lautet Aykut Anhan. Er steht bei Urban/Universal Music unter Vertrag.

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