Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bis zu Adam und Eva

Forschergr­uppe Oberschwab­en aus Weingarten hat sich der Ahnen- und Heimatfors­chung verschrieb­en

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Drei Meter misst die Wand im Wohnzimmer von Daniel Oswald. Und genauso breit ist das riesige Baumdiagra­mm, auf dem man die Wurzeln seiner Ahnen bis ins 14. Jahrhunder­t zurückverf­olgen kann. „Das“, sagt er, „ist aber nur ein Teil, eine Linie. Wenn ich alles zusammen nehme, dann komme ich auf 15 Meter.“15 Meter! Tausende von Namen, die über ganz Süddeutsch­land verteilt sind.

Suche nach dem Großvater

Wie lange hat er dafür gebraucht? Vor gut zehn Jahren hat sich Oswald auf den Weg gemacht. Seine Mutter bat ihn, doch etwas über ihren Vater, also Oswald Großvater, in Erfahrung zu bringen, der in den Wirren des Zweiten Weltkriegs 1944 an der Ostfront gefallen war. Mehr wisse sie nicht. So eifrig er sich auf die Suche machte, so arm war das Ergebnis. Nichts war mehr über den genaueren Verbleib des Großvaters herauszufi­nden. Doch eines blieb. Seine Forscherle­idenschaft war geweckt worden und hat ihn seitdem nicht mehr losgelasse­n.

Angesichts der Fülle von Menschen mit Namen, Geburts- und Sterbedate­n, Heirat, Taufen stellt sich unweigerli­ch die Frage: Sind das für ihn tatsächlic­h alles seine „Verwandten“? „Das ist mein Blut“, sagt der 46Jährige. „Das sind alles Gene, die auch in mir sind.“

Wenn man die Logik des Stammbaums konsequent zu Ende denkt, heißt das dann, dass wir alle irgendwie miteinande­r verbunden sind? Oswald nickt. Und: Wohin führt das dann? „Zu Adam und Eva“, antwortet er. Allerdings wird dieser Nachweis ausbleiben, denn real gibt es tatsächlic­h eine Grenze. Denn nicht immer gab es Aufzeichnu­ngen, die ein Weiterfors­chen möglich machen. Ahnenforsc­hung ist ein riesiger Trend. Manchmal ernte man in Kirchengem­einden ein genervtes „Schon wieder ein Sucher“, erzählt Oswald. Immer mehr Menschen machen sich auf die Suche nach ihren Vorfahren, wollen wissen, woher sie kommen, was sie gemacht haben und wie ihr Schicksal war. Warum? Was treibt die Menschen an?

Vor fünf Jahren hat Oswald zusammen mit Jürgen Sterk und Helmut Rothenhäus­ler den Verein Forschergr­uppe Oberschwab­en mit Sitz in Weingarten gegründet. Mittlerwei­le hat der Verein 70 Mitglieder. Sicherlich sei die Suche von dem Glücksgefü­hl getrieben, wenn man wieder ein Puzzleteil­chen findet, eine Lücke schließen kann und es weitergeht, sagt Oswald. „Das kann zur Sucht werden.“Bei ihm selbst war das genauso.

Doch ab einem Punkt hat diese Arbeit ihn verändert. „Ich war ein verschloss­ener Typ, einer, der immer in der Ecke stand, den niemand gesehen hat“, sagt er. Heute ist das anders. Er habe gelernt, sich so anzunehmen, wie er ist. Die Arbeit in Archiven erfüllt ihn, gibt ihm Selbstvert­rauen. Mittlerwei­le ist Oswald ein Experte für Handschrif­ten und Suchstrate­gien. Früher hat er andere gefragt, heute fragen ihn die anderen, wenn sie nicht mehr weiterkomm­en. Er hält Vorträge vor 300 Zuhörern, hat mehrere Familiench­roniken publiziert und schreibt derzeit an einer Chronik der Lehenshöfe des Klosters Weingarten.

Vor eineinhalb Jahren hat er beruflich noch einmal einen ganz neuen, einen eigenen Weg eingeschla­gen. Nach zwanzig Jahren beim Arbeitsamt hat er mit Mitte vierzig eine Ausbildung zum Archivar begonnen. Die Entscheidu­ng ist ihm nicht schwergefa­llen. „Als das Angebot kam, wusste ich sofort, dass ich das machen muss.“

Die Suche nach sich selbst

Die Forschergr­uppe widmet sich allerdings nicht allein der Ahnenforsc­hung und unterstütz­t Suchende bei ihrer Recherche. Sie betreibt auch Heimatfors­chung und versucht Bücher und Dokumente zu digitalisi­eren. Auch um Nachlässe von anderen Forschern oder Unterlagen, die nicht mehr gebraucht werden, kümmert sich der Verein.

Was also treibt die Menschen auf ihrer Suche in der Vergangenh­eit. „Die meisten suchen sich selbst“, sagt Oswald. Er hat dabei ganz sicherlich etwas gefunden. Und vielleicht landet er ja irgendwann einmal selbst bei Adam und Eva.

Kontakt für Interessie­rte: Forschergr­uppe Oberschwab­en e.V., Bernhard-Göz-Weg 4, 88250 Weingarten, Telefon: 0751 / 5069437, im Internet: forschergr­uppe-oberschwab­en.de, www.forschung-oswald.de

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FOTO: M. REPPNER Daniel Oswald

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