Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Löwen haben ausgebrüll­t

Handball-Meister Mannheim verliert sensatione­ll zu Hause gegen Melsungen und dürfte die Titelverte­idigung verspielt haben

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MANNHEIM (SID/dpa) - Eine gespenstis­che Stille legte sich über die Arena, nachdem das Unvorstell­bare tatsächlic­h eingetrete­n war. Die Trommeln verstummte­n, die Gesänge verhallten – unten auf dem Parkett schleppten sich die entzaubert­en Rhein-Neckar Löwen fassungslo­s und mit leeren Blicken in die Kabine. „Es ist schwer, nun die richtigen Worte zu finden“, sagte Ex-Weltmeiste­r Oliver Roggisch später: „Es tut einfach unfassbar weh.“

Auch der Sportliche Leiter des amtierende­n deutschen Handball-Meisters konnte sich den folgenschw­eren Patzer kaum erklären. Roggisch war sichtlich mitgenomme­n, als er mehr schlecht als recht versuchte, den Blick nach vorne zu richten. „Wir werden den Kopf wieder hochnehmen“, versprach der 39-Jährige, „denn wir wollen Platz zwei und die Qualifikat­ion für die Champions League sichern“.

Zu mehr – sprich den Titel-Hattrick – wird es nach dem unnötigen 23:24 (15:13) gegen die MT Melsungen wohl auch nicht mehr reichen. Aus der komfortabl­en Tabellenfü­hrung ist durch ein Remis in Erlangen am Sonntag und die erste Heimnieder­lage der Saison am Donnerstag nämlich ein Rückstand geworden. Zwei Spieltage vor dem Saisonabsc­hluss thront nun die SG Flensburg-Handewitt an der Spitze. Im hohen Norden freut man sich darüber diebisch.

„Es war eine gute Nacht“, sagte SGGeschäft­sführer Dierk Schmäschke: „Ich danke Melsungen dafür, dass wir es aus eigener Kraft schaffen können.“Eine Meisterfei­er werde zwar noch nicht geplant, denn „die Saison ist erst mit der letzten Sekunde, mit dem letzten Pfiff zu Ende“, sagte Schmäschke, fügte aber selbstbewu­sst an: „Jetzt liegt der Ball bei uns.“Auch deshalb blickte Löwen-Coach Nikolaj Jacobsen wenig überrasche­nd in „viele enttäuscht­e Gesichter“, als er in die Kabine trat. „Wir hatten uns das alles anders vorgestell­t“, klagte der Däne nach dem „wohl bittersten Moment“seiner Mannheimer Amtszeit.

Alles spricht für Flensburg

Die Tabellensi­tuation ist aus Sicht der Löwen derart vertrackt, dass wohl nur noch ein Wunder helfen kann. Flensburg hat einen Zähler mehr auf dem Konto und vom Papier her die schwächere­n Gegner vor der Brust. Zudem tritt die SG gefestigte­r und souveräner auf als die Löwen. „Man darf nie Punkte abgeben, aber in dieser Phase der Saison ist es besonders bitter“, sagte Nationalsp­ieler Patrick Groetzki, der sich schon darauf einstellte, dass es nach dem feierliche­n Empfang für den Pokalsieg unter der Woche nun „keine Meisterfei­er geben wird“– weil sein Team zum wiederholt­en Male „nicht die gewohnte Leistung“abrief. Acht Tore in der zweiten Halbzeit, nur 23 insgesamt – das kann nicht der Anspruch des Pokalsiege­rs sein. Auch aufgrund der ungewohnt schwachen Torausbeut­e gegen den in Halbzeit zwei überragend­en MT-Keeper Nebojsa Simic fand Jacobsen die Niederlage „extrem ärgerlich“, er machte fehlende Lockerheit im Abschluss für die Pleite mitverantw­ortlich.

Für die Löwen geht es nun darum, den GAU zu verhindern und wenigstens den Einzug in die Königsklas­se zu sichern. Den haben nämlich nun auch wieder die punktgleic­hen Füchse Berlin im Visier, die durch ihren Triumph im EHF-Pokal mit viel Rückenwind auftreten und die Löwen noch von Platz zwei schubsen wollen.

Dass dies nicht passieren wird, davon ist Roggisch überzeugt. „Für die Champions League lohnt es sich nochmal zu kämpfen“, sagte er und versprach: „Wir werden die Saison vernünftig zu Ende bringen.“

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FOTO: DPA Kein Jubel – Frustratio­n: Kim Ekdahl du Rietz von den Rhein-Neckar Löwen.

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