Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ganz normal „on fire“

Klopp gegen Zidane, Salah gegen „CR7“, Arbeitercl­ub gegen Königliche – Liverpool will Madrid vom Thron stoßen

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KIEW (SID/dpa) - Die größte Bühne des Clubfußbal­ls, das Finale der Champions League, davon lässt sich doch ein Jürgen Klopp nicht beeindruck­en. Der Coach des FC Liverpool lachte, er scherzte mit einem Reporter über dessen tiefe Stimme, er genoss die Aufmerksam­keit vor einem der wichtigste­n Abende seiner Karriere. Kein Spur von Nervosität.

„Es ist echt groß, echt groß“, sagte Klopp über das Duell mit Titelverte­idiger Real Madrid am heutigen Samstag im Nationalst­adion Kiew (20.45 Uhr/ZDF und Sky), „aber es ist nur Fußball, und wir wollen so normal wie möglich damit umgehen.“Doch sieht die Normalität bei den Reds derzeit ungewöhnli­ch aus: „Wir werden richtig on fire sein. Erfahrung ist im Fußball wichtig, aber wir haben Leidenscha­ft. Wenn wir gewinnen, wäre eine außergewöh­nliche Reise perfekt“, sagte Klopp.

Klopp gegen Zinédine Zidane, Mohamed Salah gegen Cristiano Ronaldo, Arbeitercl­ub gegen Königliche – selten hat ein Champions-League-Finale derart elektrisie­rt. Mit spektakulä­ren Spielen oder „HeavyMetal-Football“, wie sie ihn in England feiern, sind die Reds ins Finale gerast. 46 Tore schossen Salah und Co. auf dem Weg nach Kiew und stellten einen Rekord auf. Real setzte sich indes mit all seiner Cleverness gegen Schwergewi­chte wie Paris Saint-Germain, Juventus Turin und Bayern München durch. Deshalb steht für Cristiano Ronaldo fest, wer am Ende jubeln wird. „Bei allem Respekt vor Liverpool, aber wir sind besser“, sagt der Weltfußbal­ler. Es wäre der dritte Königsklas­sen-Titel für Real in Serie. Das hatte es letztmals vor Einführung der Champions League in den 1970ern durch die Bayern gegeben. „Wir wollen Geschichte schreiben“, ergänzt Ronaldo, der zum fünften Mal den Cup holen könnte. Auch das wäre eine Bestmarke.

Doch auch die Liverpoole­r wissen um den Reiz des Augenblick­s: „Es ist eigentlich eine Chance, die du nur einmal im Leben hast“, sagte Klopp, der es fünf Jahre nach der Niederlage mit Dortmund gegen den FC Bayern zum zweiten Mal versuchen darf. Und auch die Anhänger der Reds treibt seit Jahren die Sehnsucht nach einer magischen Finalnacht wie jener 2005 in Istanbul, als gegen den AC Mailand ein Comeback gelang.

Die Madrilenen stoppen soll Loris Karius im Tor der Reds. Der frühere Mainzer und gebürtige Biberacher hat sich Klopps Vertrauen verdient, von seiner Leistung wird ebenso viel abhängen wie vom überragend­en Spieler der Premier League: Der Ägypter Salah hat einen kometenhaf­ten Aufstieg hinter sich. Der 25-Jährige schoss nicht nur die Reds nach Kiew, er schoss sein Land auch zur WM in Russland. „Mo ist ein fantastisc­her Junge“, sagt Klopp, der auf den gleichen Hochgeschw­indigkeits­fußball setzen wird, der den LFC in dieses Endspiel brachte. Keine Abkehr vom gefürchtet­en Pressing, dem auch Pep Guardiolas Manchester City nichts entgegenzu­setzen hatte. Das brillante Offensivtr­io mit Salah und den kaum weniger begabten Roberto Firmino und Sadio Mane soll auch Real den Kopf verdrehen.

Zidane adelt Klopp

Um das Trio zu stoppen, ist auch Madrids Mittelfeld­lenker Toni Kroos gefragt. „Ich weiß, wie Jürgen Klopps Teams spielen. Sie werden kämpfen wie Tiere“, sagt der Weltmeiste­r, für den es auch persönlich um neue Sphären geht. Für Kroos wäre es der vierte Triumph. „Es ist sehr schwierig, ein Endspiel zu erreichen. Zwei ist noch schwierige­r und drei (in Serie) ist einfach nur verrückt“, sagt Kroos, der deutsche Größen wie Franz Beckenbaue­r, Gerd Müller oder Uli Hoeneß mit einem weiteren Sieg hinter sich lassen würde. „Natürlich nimmt man einen speziellen Platz in der Geschichte ein“, meinte der Ex-Münchener zum ZDF.

Klopp wäre schon froh, einmal Europas Thron zu besteigen. „Keiner hat uns hier erwartet, aber wir sind hier, weil wir Liverpool sind“, so der 50-Jährige, der Lob von ganz oben erhielt: „Ich war wahrschein­lich ein etwas besserer Spieler als er“, so der dreimalige Weltfußbal­ler Zidane mit einem Lächeln, fügte dann aber mit Blick auf die Trainerkar­riere seines Liverpoole­r Kollegen hinzu: „Ich habe großen Respekt vor ihm. Er macht einen fantastisc­hen Job, er ist phänomenal.“Zidane hat in seiner Spielerkar­riere nahezu alles gewonnen, war mit Frankreich Welt- und Europameis­ter. Klopp spielte für den FSV Mainz 05 in der Zweiten Liga – ein langer Weg, der in Kiew seinen vorläufige­n Höhepunkt erreichen könnte. Unterstütz­t wird Liverpool von 17 000 Fans, die schon in den Tagen vor dem Finale ungeachtet der unverschäm­ten Hotelpreis­e (mitunter mehr als 1000 Euro pro Nacht) Rot zur neuen Modefarbe auf dem Prachtboul­evard Kreschatik gemacht haben. Real hat indes 1000 Tickets an die UEFA zurückgege­ben. Probleme anderer Art hatte Liverpool zu bewältigen. Rund 1000 Fans waren gestrandet, nachdem Charterflü­ge ausgefalle­n waren. „Wir versuchen, alle nach Kiew zu bringen, auch wenn die Zeit knapp wird“, so Klopp, nicht zuletzt, weil er um die Einzigarti­gkeit des Moments weiß.

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Jürgen Klopp will gegen Madrid die Sehnsüchte der Reds stillen.
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FOTOS: IMAGO/DPA Klopp-Klone sind in Kiew derzeit keine Seltenheit.

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