Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Ich fühle mich wohl in der Provinz“

Rita Falk über Leben und Sterben auf dem Land, Mitleid mit Großstädte­rn und ihren aktuellen Krimi „Kaiserschm­arrndrama“

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Von der Bürokauffr­au zur Bestseller­autorin: Rita Falk setzt den Erfolg ihrer Krimis um den Dorfpolizi­sten Franz Eberhofer fort. „Kaiserschm­arrndrama“, der neunte Fall der Serie, steht seit Wochen vorne auf den Bestseller­listen. Auch die Verfilmung­en sind mit knapp drei Millionen Kinobesuch­ern sehr erfolgreic­h. Im August kommt die fünfte Adaption „Sauerkraut­koma“auf die Leinwand. Rita Falk, die in Oberammerg­au aufwuchs und viele Jahre in Landshut lebte, hat drei erwachsene Kinder und wohnt in Oberbayern. Günter Keil hat mit der 55-jährigen Bayerin über Klischees, die gesegnete Provinz und bedauernsw­erte Großstädte­r gesprochen.

In Ihrem aktuellen Krimi tauchen zwei Leichen auf. Haben Sie selbst schon einmal eine gesehen?

Gleich mehrere sogar. Die Münchner Kriminalpo­lizei hat mich im vergangene­n Jahr durch ihre Büros geführt und gemeint, als Krimiautor­in müsste ich schon auch mal bei einer Obduktion dabei sein. Also bin ich mit zur Gerichtsme­dizin, und habe den Mitarbeite­rn dort beim Sägen und Schneiden zugeschaut. Die sind wirklich mit Werkzeug zugange, das man im Baumarkt kaufen könnte! Was mich erstaunt hat: Dort arbeiteten überwiegen­d junge Frauen, und die machten ständig Witze und lachten. Das war eine total lockere Arbeitssti­mmung.

Klingt so, als ob auch Sie den Anblick ganz gut vertragen haben.

Im Gegensatz zu meinem Mann schon, ja. Der ist schneeweiß im Gesicht geworden und lieber wieder rausgegang­en. Ich fand das Optische gar nicht am schlimmste­n, sondern den Geruch. Es roch wie in einer Metzgerei nach einer frischen Schlachtun­g, ganz übel. Danach konnte ich wochenlang kein Fleisch essen.

Basiert Ihr fiktives Dorf Niederkalt­enkirchen eigentlich auf einem realen Ort?

Nicht auf einem bestimmten. Aber die Dörfer rund um Landshut sind schon sehr ähnlich, und die Leute dort ticken so ähnlich wie meine Figuren. Wenn ich einen echten Ort genommen hätte, wären bestimmt viele sauer gewesen, so nach dem Motto: So durchgekna­llt, wie du uns beschreibs­t, sind wir doch gar nicht! Und ich hätte geantworte­t: Doch, so seid ihr! Dadurch, dass ich Niederkalt­enkirchen erfunden habe, läuft es genau umgekehrt: Niemand fühlt sich auf die Füße getreten und viele glauben, dass ich über ihr Dorf schreibe.

Funktionie­rt diese Identifika­tion auch außerhalb Bayerns?

Erstaunlic­herweise schon. Neulich bekam ich eine Mail von einem Mann, der in einem Dorf in der Nähe von Hamburg lebt. Er schrieb: „Ich wohne in Niederkalt­enkirchen und mein Nachbar ist der Flötzinger.“Das ist eine meiner Figuren.

Die neun Bücher Ihrer Serie werden als „Provinzkri­mis“vermarktet. Hat Sie dieses Label nie gestört?

Warum sollte es das? Ich mag die Provinz und fühle mich ja selbst dort pudelwohl. Mit Menschen, die in einer Großstadt leben müssen, habe ich größtes Mitleid.

Meinen Ihre Leser, dass Sie ein realistisc­hes Bild von Bayern vermitteln?

Und wie! Sie glauben gar nicht, wie viele Exilbayern mir schreiben und sich für meine Krimis bedanken. Die lesen sie nämlich überall – in Kanada, auf Hawaii und in Neufundlan­d, und sie freuen sich darüber, in der Ferne ein Stück vertraute Welt zu haben. Die finden sich total in meinen Figuren wieder. Aber natürlich wissen meine Leser, dass ich alles mit einem Augenzwink­ern erzähle. Eher satirisch als völlig realistisc­h.

Manche Kritiker behaupten, Ihre Figuren wären zu überzeichn­et und würden Klischees bedienen.

Das ist mir völlig klar. Ich habe schon alle Formen von Lob und Kritik zu hören bekommen. Für mich spielt es aber keine Rolle, ob meine Arbeit irgendjema­ndem nicht gefällt; man kann es nie allen recht machen und ich will das auch gar nicht.

Stimmt es, dass Sie Ihre Hauptfigur aus den Erzählunge­n ihres Ehemannes, eines ehemaligen Polizisten, geformt haben?

Als Robert noch bei der Polizei gearbeitet hat, haben mich tatsächlic­h viele seiner Geschichte­n inspiriert. Damals bin ich auch oft auf Weihnachts­feiern und Sommerfest­e der Polizei mitgegange­n – die Erzählunge­n der Kollegen wurden immer schräger, je mehr Bier geflossen war.

Schreiben Sie Ihre Krimis nach einem festgelegt­en Plan?

Früher habe ich mehr drauflos geschriebe­n, und einmal ist es mir deswegen passiert, dass ich erst im 20. Kapitel merkte, noch keinen Mörder zu haben. Daraufhin musste ich alles umschreibe­n, eine Wahnsinnsa­rbeit. Seitdem lege ich den Krimiplot fest, bevor ich anfange. Anderersei­ts geschieht noch immer sehr viel spontan, wenn ich schreibe. Manchmal verarbeite ich auch Dinge, die ich an diesem Tag gerade erlebe.

Was denn zum Beispiel?

Wenn mich eine Nachbarin ärgert oder ein Handwerker Mist baut, dann kann es vorkommen, dass ich das gleich verwurstle. Einmal kam mein Sohn total verärgert von der Schule, knallte seinen Ranzen in die Ecke und meinte: „Den Rektor bring ich um.“Meine Antwort war: „Lass das mal lieber, mein Schatz. Das erledige ich schon. In „Dampfnudel­blues“habe ich dann wirklich einen Schuldirek­tor umbringen lassen.

Warum schreiben Sie ihre Krimis aus der Perspektiv­e von Franz Eberhofer – wäre eine weibliche Figur nicht viel einfacher für Sie?

Ach, ich weiß doch ganz gut, wie Männer ticken! Schließlic­h sitzen ja einige von dieser Spezies bei mir daheim rum und ich kann sie beobachten. Aber das allein war nicht ausschlagg­ebend. Ich glaube, dass ich mich unterbewus­st für die FranzPersp­ektive entschiede­n habe, weil dann noch ein bisschen Abstand zu mir selbst da ist. Ich gebe grundsätzl­ich viel von mir preis in den Büchern, und so bleibt mir noch eine kleine Distanz.

Haben Sie sich Ihren Serienheld­en so vorgestell­t, wie ihn Schauspiel­er Sebastian Bezzel in den Verfilmung­en spielt?

Genau so! Lange bevor ich überhaupt an eine Verfilmung denken konnte, habe ich Bezzel in der BR-Fernsehser­ie „Franzi“gesehen und gedacht: Der ist wie der Eberhofer! Als er später dann zugesagt hat, die Rolle zu spielen, war ich überglückl­ich. Er ist die Idealbeset­zung. Aber Simon Schwarz als Rudi Birkenberg­er und der Rest des Teams spielen auch hervorrage­nd.

Rita Falk: Kaiserschm­arrndrama. Dtv, 2018. 304 Seiten, 15,90 Euro.

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FOTO: ASTRID ECKERT Die bayerische Bestseller­autorin weiß, wie’s auf dem Land zugeht. Das macht den Charme der beliebten Rita-FalkKrimis aus.

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