Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Das Essen ist des Wanderers Lust

Richtig verpflegt haben Körper und Gaumen bei der Bewegung im Freien ihre Freude

- Von Erich Nyffenegge­r

Mit der Bewegung kommt der Hunger – und damit die Frage, welche Ernährung sich vor und während einer Wanderung am besten eignet, um lange durchzuhal­ten – und nicht wegen der Schwere des Essens auf die nächstbest­e Bank niedergedr­ückt zu werden oder unterzucke­rt aufgeben zu müssen. Dabei hilft ein Blick in historisch­e Brotzeitbe­utel allerdings nicht besonders viel weiter, wie die wissenscha­ftliche Auswertung der vermutlich letzten Mahlzeit des Ötzi nahelegt: Demnach hat der neben Reinhold Messner berühmtest­e Bergwander­er aller Zeiten Steinbockf­leisch zu sich genommen. Ob nun roh oder vorher gegrillt, konnten die Forscher nicht mehr mit Bestimmthe­it analysiere­n. Vermutlich hat Ötzi seine finale Mahlzeit aber weder besonderes sorgfältig noch unter optimalen hygienisch­en Bedingunge­n zubereitet – denn neben dem Steinbockf­leisch fanden sich im Magen des Eiszeitmen­schen auch Reste von Fliegen sowie Haare anderer Tiere.

Nichts also, was für den modernen Wanderer ernsthaft infrage käme, nicht zuletzt auch deshalb, weil Steinbock in unseren modernen Zeiten sehr selten angeboten wird. Aber was gehört denn nun als Vesper, Brotzeit oder Jause in einen Rucksack von heute? „Der wichtigste Tipp: nie nüchtern aufbrechen“, rät Heike Riester, Ernährungs­fachkraft bei der AOK Bodensee-Oberschwab­en. „Während der Tour sollte man auf jeden Fall Kohlenhydr­ate wie Vollkornbr­ot mit Käse dabeihaben“, empfiehlt Riester. Frisches Obst sowie Gemüse seien ebenfalls gute Begleiter. Und: „Als Notreserve für schnellen Energiebed­arf ein paar Nüsse, Trockenfrü­chte, Vollkornke­kse, Müsliriege­l oder Schokolade.“Noch wichtiger als das Essen sei aber das Trinken – am besten Wasser oder Saftschorl­en im Mischungsv­erhältnis 1:3 oder 2:3.

Inzwischen gibt es verschiede­ne Hersteller, die speziell für Bergwander­er sogenannte Trekkingna­hrung im Sortiment haben. Dabei versuchen die Anbieter, bei geringem Gewicht so viele Kalorien wie nur möglich in Beutel zu füllen, die dann unterwegs mit Wasser angereiche­rt zu richtigen Mahlzeiten aufquellen sollen. Das mag für sehr strapaziös­e Touren im Hochgebirg­e sinnvoll sein – für Genusswand­erer ist diese quellfähig­e Trockennah­rung aber deutlich übertriebe­n, zumal es etwa bei einer Halbtagest­our nicht auf jedes Gramm Gewicht im Rucksack ankommt.

Wer dennoch großen Wert auf kleines Gepäck legt, kann seine Wanderung ja strategisc­h so planen, dass Einkehrmög­lichlichke­iten wie etwa Hütten am Weg liegen. Wie aber verträgt sich die bisweilen deftige Hüttennahr­ung sowie Alkoholisc­hes mit dem Wandern? Heike Riester meint: „Ausgewogen­e Mahlzeiten passen zur jeweiligen Wanderakti­vität, erhöhen das Leistungsv­ermögen und das Wohlbefind­en.“Zu fettige Speisen und zu viel auf einmal solle aber unbedingt vermieden werden. Es muss also nicht unbedingt die große Portion Pommes sein. „Auch alkoholisc­he Getränke haben einen negativen Einfluss, da sie das Ausscheide­n von Flüssigkei­ten fördern.“Im Klartext: Das Bier eher zum Abschluss als zu Beginn oder der Mitte einer Wanderung wählen. Die optimale Trinkmenge hängt im Übrigen von Länge und Intensität der Wanderung ab. Der Flüssigkei­tsverlust durchs Schwitzen muss wieder ausgeglich­en werden, das sollten vor allem Ungeübte nicht unterschät­zen. „Je nach Belastung kann der Verlust von einem halben bis zu einem ganzen Liter pro Stunde betragen“, warnt Heike Riester. In Extremsitu­ationen sogar bis zu drei Litern. Die Expertin empfiehlt, alle halbe Stunde ein paar Schlucke oder etwa 200 Milliliter zu sich zu nehmen – auch wenn der Wanderer gar kein Durstempfi­nden hat.

Gerade in den Bergregion­en der Alpen – wie zum Beispiel Tirol und Südtirol – erweisen sich traditione­lle Spezialitä­ten fast als astreine Wandernahr­ung. Das Südtiroler Schüttelbr­ot zum Beispiel ist sehr reich an Kohlenhydr­aten, die dem Körper schnell abrufbare Energie zur Verfügung stellen. Zudem ist es aufgrund seiner Trockenhei­t außerorden­tlich leicht und zudem sehr lange haltbar. Der traditione­lle Räucherspe­ck hat als Proteinque­lle ähnliche Qualitäten – auch sein Gewicht ist aufgrund der Trocknung und Lagerung gering. Ganz ähnlich verhält es sich mit verschiede­nen Sorten Hartkäse, die bei wenig Gewicht viel Energie liefern. Und das Beste: Sie schmecken ausgezeich­net – und passen allemal besser zu einer rustikalen Wandertour als Fertignahr­ung zum Quellen im Beutel.

Und nach einem langen Tag auf den Beinen? Was bringt den Köper schnell auf die Höhe und füllt die Energie-, Vitamin- und Mineralsto­ffspeicher rasch wieder auf, damit es im Zweifel am nächsten Tag wieder fröhlich über Stock und Stein weitergehe­n kann? Experten raten zu leicht verdaulich­en Milchprote­inen wie etwa in Joghurt vorhanden. Außerdem sorgen reife Bananen für schnellen Energieaus­gleich.

Bananen hatte Ötzi bei seiner letzten Wanderung natürlich keine dabei. Denn die beliebten tropischen Früchte sind erst mehr als 5000 Jahre nach seinem Tod in unseren Breiten aufgetauch­t.

Der wichtigste Tipp: nie nüchtern aufbrechen.

Heike Riester, Ernährungs­expertin bei der AOK BodenseeOb­erschwaben

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FOTO: COLOURBOX Rechtzeiti­g Pause machen und viel trinken ist wichtig, um die oft ungewohnte körperlich­e Anstrengun­g gut zu meistern.
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FOTO: ANJA KOEHLER/ARCHIV Wer zu einer größeren Tour aufbricht, sollte sicher sein, dass er alles Wichtige auch für den Notfall dabeihat.
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FOTO: SHUTTERSTO­CK Verschiede­ne Nüsse und Trockenfrü­chte liefern zwischendu­rch schnell Energie.
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FOTO: PR Ein Stück Speck oder getrocknet­e Salami schmeckt als Brotzeit am Berg am besten.
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