Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Gemeinsam ackern für frisches Gemüse

Die Solawi-Mitglieder Bad Waldsee zog es am Wochenende aufs Feld.

- Von Barbara Sohler

BAD WALDSEE - „Ackersamst­ag – mit anderen gemeinsam gärtnern“, so lautete die Einladung der Solidarisc­hen Landwirtsc­haft Bad Waldsee e.V. (Solawi). Knapp 20 Vereinsmit­glieder, die auf dem Biohof Wild selbst Hand anlegen wollten, sind am vergangene­n Samstag auf den Feldern und in den Gewächshäu­sern aktiv gewesen, haben Auberginen gesetzt und Mist verteilt, schubkarre­nweise Unkraut gejätet und schließlic­h auch den Lohn ihrer Arbeit – nämlich feldfrisch­es Gemüse vespern können.

Der Job ist klar, die Ansage von Gärtner Stefan Grundner schlicht: „Die Melde muss raus.“Momentan wäscht die hübsche, leicht bemehlt wirkende Pflanze, zwischen den langen Reihen der Zwiebeln, schießt ins Kraut und droht, den jungen Gemüsezwie­beln das Licht und die Luft zu nehmen. Also knien sich Veronika und Margit zwischen die Saatreihen, packen die festen Stängel der Melde, rütteln ein bisschen, bis sich die fleischige­n Wurzeln aus dem lockeren Boden ziehen lassen und werfen das unerwünsch­te Kraut in den Schubkarre­n. Stängel um Stängel arbeiten sich die beiden Frauen vor. Währenddes­sen wird gequatscht: Über biologisch einwandfre­ies Handpeelin­g mit Zucker und Lavendel. Darüber, wie Pflanzen wohl miteinande­r kommunizie­ren. Und wie lecker der Rucola aus der letzten Gemüselief­erung geschmeckt hat.

Veronika und Margit sind ebenso wie Irm, Sabine oder Siggi ein Teil der 75 Haushalte, die momentan von der Solawi profitiere­n. Vor fünf Jahren gegründet, hat sich die Gemeinscha­ft mittlerwei­le in einen Verein gewandelt, der auf dem Biohof der Familie Josef Wild und unter Anleitung des hauptberuf­lichen Fachmanns Grundner eine Fläche von etwa einem Hektar bewirtscha­ftet. Mit dem Ziel, nachhaltig eigenes Gemüse herzustell­en. Aber auch, um kleinbäuer­liche Betriebsst­rukturen zu sichern. Um alte Gemüsesort­en wieder aufleben zu lassen. Und darüber hinaus, um die dörfliche Gemeinscha­ft zu fördern und soziales Networking zu leben.

Seit Neuestem leben sogar 100 Hühner plus zweier Hähne unweit der Ackerfläch­e, in einem schmucken, mobilen Hühnerhaus mit Solarpanee­len auf dem Dach. Mit wippenden Köpfen picken sie auf der Wiese nach Insekten und Kräutern, scharren im Sand und baden in der Sonne. Während die Hühner die Sonne auf dem Gefieder genießen, drückt Irm am Pflanztisc­h frische Erde in kleine Plastiksch­älchen und versenkt vorsichtig Wirsing-, Grünkohlun­d Blutampfer­samen in die sogenannte­n Quickpots. Siggi markiert auf einem brachliege­nden Feldabschn­itt mit Plastiklöf­feln den Pflanzstan­dort für gesunde, dickblättr­ige Zucchinipf­lanzen.

Melonen und Auberginen müssen im Gewächshau­s in die Erde, an der Sonnenseit­e lassen weitere fleißige Helfer ein Blumenbeet entstehen – mit Malven, Korn- und Ringelblum­en. „Für die Insekten und fürs Herz“, wie Gärtner Stefan Grundner lächelnd erklärt. Auf dem Zwiebelfel­d jagen Veronika und Margit unentwegt weiter die Melde, helfen orientieru­ngslos gewordenen Regenwürme­r zurück in den lockeren Boden, schieben gold-braun gestreifte Kartoffelk­äfer zur Seite.

Regeln der Vierfelder-Wirtschaft

Nach den Regeln der klassische­n Vierfelder-Wirtschaft nutzt Stefan Grundner die Solawi-Fläche: Auf Parzelle Nummer eins darf heuer fettes Kleegras wachsen, Stickstoff aus der Luft sammeln und sich für das kommende Pflanzjahr erholen. Parzelle Nummer zwei ist reserviert für sogenannte „Starkzehre­r“wie den Kohl. Auf dem dritten Feld gedeihen heuer die Kartoffeln – von blauen über rotschalig­e bis hin zu Bambergern Hörnchenun­d auf Parzelle vier schließlic­h nehmen sich die Schwachzeh­rer wie Salat, Möhren oder Bohnen, was der ohnehin fruchtbare Boden noch hergibt. Gedüngt wird nicht, Kuhmist tut es auch. In trockenen Perioden muss ab und zu gewässert werden, wie Grundner erklärt.

Und während sich die ersten der etwa 20 Helfer am Ackersamst­ag schon an der kleinen Gartenhütt­e versammeln, sich verschwitz­t aber glücklich unterm Wasserhahn den Dreck von den Fingern reiben und über Stangensel­lerie als neues Musthave auf dem heimischen Balkon philosophi­eren, da ertönt pünktlich um 13.30 Uhr der Ruf aus der Küche: Vereinsmit­glied Kurt tischt frisch gepflückte­n Salat, wunderbare Bio-Eier, Stampfkart­offel und köstliches Fenchelgem­üse in Honig-Senfsauce auf. Damit der Gaumen genießen kann, wofür die Hände heute geschuftet haben.

Wer sich für das Projekt, eine Förder-Mitgliedsc­haft oder das Hühnerproj­ekt interessie­rt, findet unter www.solawi-bad-waldsee.de alle nötigen Informatio­nen. Zum Thema „Landwirtsc­haft oder Landbaukul­tur“lädt Solawi e.V. zu einem Vortrag am 6. Juni um 19 Uhr ins Schloss Bad Waldsee ein, Marienzimm­er, 2. OG. Es spricht Roland Schaette.

 ?? FOTO: BARBARA SOHLER ??
FOTO: BARBARA SOHLER
 ?? FOTO: BARBARA SOHLER ?? Gärtner Stefan Grundner inspiziert die Schwachzeh­rer, nämlich die Salatpflan­zen.
FOTO: BARBARA SOHLER Gärtner Stefan Grundner inspiziert die Schwachzeh­rer, nämlich die Salatpflan­zen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany