Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Gemeinsam ackern für frisches Gemüse
Die Solawi-Mitglieder Bad Waldsee zog es am Wochenende aufs Feld.
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BAD WALDSEE - „Ackersamstag – mit anderen gemeinsam gärtnern“, so lautete die Einladung der Solidarischen Landwirtschaft Bad Waldsee e.V. (Solawi). Knapp 20 Vereinsmitglieder, die auf dem Biohof Wild selbst Hand anlegen wollten, sind am vergangenen Samstag auf den Feldern und in den Gewächshäusern aktiv gewesen, haben Auberginen gesetzt und Mist verteilt, schubkarrenweise Unkraut gejätet und schließlich auch den Lohn ihrer Arbeit – nämlich feldfrisches Gemüse vespern können.
Der Job ist klar, die Ansage von Gärtner Stefan Grundner schlicht: „Die Melde muss raus.“Momentan wäscht die hübsche, leicht bemehlt wirkende Pflanze, zwischen den langen Reihen der Zwiebeln, schießt ins Kraut und droht, den jungen Gemüsezwiebeln das Licht und die Luft zu nehmen. Also knien sich Veronika und Margit zwischen die Saatreihen, packen die festen Stängel der Melde, rütteln ein bisschen, bis sich die fleischigen Wurzeln aus dem lockeren Boden ziehen lassen und werfen das unerwünschte Kraut in den Schubkarren. Stängel um Stängel arbeiten sich die beiden Frauen vor. Währenddessen wird gequatscht: Über biologisch einwandfreies Handpeeling mit Zucker und Lavendel. Darüber, wie Pflanzen wohl miteinander kommunizieren. Und wie lecker der Rucola aus der letzten Gemüselieferung geschmeckt hat.
Veronika und Margit sind ebenso wie Irm, Sabine oder Siggi ein Teil der 75 Haushalte, die momentan von der Solawi profitieren. Vor fünf Jahren gegründet, hat sich die Gemeinschaft mittlerweile in einen Verein gewandelt, der auf dem Biohof der Familie Josef Wild und unter Anleitung des hauptberuflichen Fachmanns Grundner eine Fläche von etwa einem Hektar bewirtschaftet. Mit dem Ziel, nachhaltig eigenes Gemüse herzustellen. Aber auch, um kleinbäuerliche Betriebsstrukturen zu sichern. Um alte Gemüsesorten wieder aufleben zu lassen. Und darüber hinaus, um die dörfliche Gemeinschaft zu fördern und soziales Networking zu leben.
Seit Neuestem leben sogar 100 Hühner plus zweier Hähne unweit der Ackerfläche, in einem schmucken, mobilen Hühnerhaus mit Solarpaneelen auf dem Dach. Mit wippenden Köpfen picken sie auf der Wiese nach Insekten und Kräutern, scharren im Sand und baden in der Sonne. Während die Hühner die Sonne auf dem Gefieder genießen, drückt Irm am Pflanztisch frische Erde in kleine Plastikschälchen und versenkt vorsichtig Wirsing-, Grünkohlund Blutampfersamen in die sogenannten Quickpots. Siggi markiert auf einem brachliegenden Feldabschnitt mit Plastiklöffeln den Pflanzstandort für gesunde, dickblättrige Zucchinipflanzen.
Melonen und Auberginen müssen im Gewächshaus in die Erde, an der Sonnenseite lassen weitere fleißige Helfer ein Blumenbeet entstehen – mit Malven, Korn- und Ringelblumen. „Für die Insekten und fürs Herz“, wie Gärtner Stefan Grundner lächelnd erklärt. Auf dem Zwiebelfeld jagen Veronika und Margit unentwegt weiter die Melde, helfen orientierungslos gewordenen Regenwürmer zurück in den lockeren Boden, schieben gold-braun gestreifte Kartoffelkäfer zur Seite.
Regeln der Vierfelder-Wirtschaft
Nach den Regeln der klassischen Vierfelder-Wirtschaft nutzt Stefan Grundner die Solawi-Fläche: Auf Parzelle Nummer eins darf heuer fettes Kleegras wachsen, Stickstoff aus der Luft sammeln und sich für das kommende Pflanzjahr erholen. Parzelle Nummer zwei ist reserviert für sogenannte „Starkzehrer“wie den Kohl. Auf dem dritten Feld gedeihen heuer die Kartoffeln – von blauen über rotschalige bis hin zu Bambergern Hörnchenund auf Parzelle vier schließlich nehmen sich die Schwachzehrer wie Salat, Möhren oder Bohnen, was der ohnehin fruchtbare Boden noch hergibt. Gedüngt wird nicht, Kuhmist tut es auch. In trockenen Perioden muss ab und zu gewässert werden, wie Grundner erklärt.
Und während sich die ersten der etwa 20 Helfer am Ackersamstag schon an der kleinen Gartenhütte versammeln, sich verschwitzt aber glücklich unterm Wasserhahn den Dreck von den Fingern reiben und über Stangensellerie als neues Musthave auf dem heimischen Balkon philosophieren, da ertönt pünktlich um 13.30 Uhr der Ruf aus der Küche: Vereinsmitglied Kurt tischt frisch gepflückten Salat, wunderbare Bio-Eier, Stampfkartoffel und köstliches Fenchelgemüse in Honig-Senfsauce auf. Damit der Gaumen genießen kann, wofür die Hände heute geschuftet haben.
Wer sich für das Projekt, eine Förder-Mitgliedschaft oder das Hühnerprojekt interessiert, findet unter www.solawi-bad-waldsee.de alle nötigen Informationen. Zum Thema „Landwirtschaft oder Landbaukultur“lädt Solawi e.V. zu einem Vortrag am 6. Juni um 19 Uhr ins Schloss Bad Waldsee ein, Marienzimmer, 2. OG. Es spricht Roland Schaette.