Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Im Steinacher Ried führt der Weg an alten Torfstichen rauf und runter
Bei der Riedwanderung mit Ernst Brunner wird das Hochmoor in allen Facetten erlebbar
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BAD WALDSEE - Ein abendlicher Verdauungsspaziergang tut gut. Deshalb haben am vergangenen Freitag einige befreundete Mayenbad-Kurgäste – allesamt Frauen – beschlossen, die von der städtischen Kurverwaltung monatlich angebotene Riedwanderung anzugehen. Los ging es um 19 Uhr am Steinacher Riedparkplatz.
Für den 82-jährigen Wanderführer Ernst Brunner ist es fast normal, auch mit nur fünf Personen die rund vier Kilometer lange Runde zu starten. Die Eingangsfrage: „Wie gefällt euch Bad Waldsee und vor allem das städtische Rehazentrum bei der Therme?“wurde von allen Teilnehmerinnen sehr positiv beantwortet. „Ich habe Bad Waldsee für meinen weiteren Heilerfolg ausgewählt und nicht bereut. Die Angebote überzeugen und das Personal nimmt sich um die Patienten sehr fürsorglich an“, so die Aussage einer Frau aus dem Raum Schwäbisch Gmünd.
Mit festem Schuhwerk begann die Riedwanderung entlang von grünen Wiesen und Weiden. Hier hatte der Steinacher Schreinermeister Ernst Brunner gleich eine Begebenheit aus seiner Jugend parat: „An dieser Stelle haben wir als Schulbuben nachmittags immer die Kühe zum Weiden getrieben und dann gehütet. Da ich ein spannendes Buch zum Lesen dabei hatte, merkte ich einmal nicht, dass die Tiere sich davon gemacht haben. Ich wähnte die Herde schon im Wald und hatte Angst, die Kühe könnten im Moor einbrechen. So rannte ich so schnell ich konnte nach Hause und war erleichtert, als ich hier die Tiere bereits im Stall stehen sah“.
Auf dieser früheren Viehweide steht heute ein etwa 50-jähriger Fichtenbestand. Das heutige über 500 Hektar große Landschaftsschutzgebiet war einem ständigen Wandel unterworfen. Der Torfabbau im letzten Jahrhundert wurde mit einer systematischen Entwässerung eingeleitet. Jetzt konnten „Wasen“ für Heizzwecke gestochen werden. Anhand von Fotografien zeigte der Wanderführer diese früher oft bei sengender Sommerhitze sehr anstrengende Tätigkeit. Er berichtete, dass vor etwa einhundert Jahren rund 300 italienische Gastarbeiter mit Torfabbau in der Region beschäftigt waren. Auf montierten Gleisen wurde mit einer Torfbahn das Heizmaterial abtransportiert.
Badetorf für Heilbäder
Bis in die 1980er-Jahre wurde auch großflächig Badetorf für Heilbäder und Moorpackungen entnommen. Dessen Rückführung ergab meistens lange Zeit vegetationslose Oberflächen. Der Wanderweg führte an diesen alten Torfstichen rauf und runter. „Immer wenn es hochgeht, kommen wir auf Reste des Hochmoores“, informierte Brunner die Mitwanderer. Da aber das Steinacher Ried von Entwässerungsgräben durchzogen ist, findet man nur noch wenige Flächen, die auch heute noch die typische Hochmoorvegetation aufweisen. Bei einem kurzen Halt zur Halbzeit des zweistündigen Rundweges blickte Brunner weit in die Geschichte zurück. Die Entstehung des Steinacher Riedes begann nach der letzten Eiszeit (Würmeiszeit), als Oberschwaben mit einer mächtigen Gletscherschicht bedeckt war. In den eiszeitlichen Seen wuchsen dann in Tausenden von Jahren die Torfmoose. Im Jahr, so erklärt Brunner, wachse das Moor etwa um einen Millimeter.
Heilmittel für Magenleiden
„Totholz ist ein wichtiger Bestandteil von Rieden“, so der Wanderführer, als der Pfad über eine vom Sturm umgelegte Birke ging. Aus dem modernden Stamme wachsen bereits junge Fichten. Auch der Birkenporling, das natürliche Antibiotikum und Heilmittel für Magenleiden aller Art aus dem Wald, gedeiht nur am toten Birkenholz. Schon die Gletschermumie „Ötzi“hatte einen Birkenporling bei sich. Interessantes gab es auch zum Bärlapp. Es ist ein Moos, in dessen Fruchtständen ein feines Sporenpulver gedeiht. Als Puder verwendet, hilft es bei so manchen Hautkrankheiten.
Bei der Überquerung einer Brücke aus Eisenbahnschwellen konnte man Pfeifengras bewundern. Lange Zeit diente es auch zum Reinigen der Tabakspfeife. Nach einem herrlichen Sonnenuntergang hatte die Riedwanderung seinen besonderen Reiz, denn ringsum begannen die Vögel mit ihrem abendlichen Gesang, und auch der Kuckuck fing aufs Neue wieder an zu rufen.
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