Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„2214 offene Stellen im Kreis Biberach“
Mathias Auch und Peter Kaltenmark von der Agentur für Arbeit über Situation im Landkreis
BIBERACH - Die Agentur für Arbeit Ulm ist für den Landkreis Biberach, den Alb-Donau-Kreis und die Stadt Ulm zuständig. Es ist ein großes Gebiet, das die 350 Mitarbeiter betreuen. In Biberach gibt es zudem die Besonderheit, dass das Jobcenter Biberach in alleiniger Verantwortung des Landkreises betrieben wird. Redakteurin Tanja Bosch hat mit Mathias Auch, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung aus Ulm, und Peter Kaltenmark, dem Biberacher Geschäftsstellenleiter, über die Situation in Biberach, offene Stellen und den Fachkräftemangel gesprochen.
In Biberach herrscht Vollbeschäftigung. Wie sieht es da mit freien Stellen aus?
Mathias Auch: Im April hatte der Landkreis Biberach eine Arbeitslosenquote von 2,1 Prozent, da kann man tatsächlich von Vollbeschäftigung sprechen. Null gibt es nicht. Biberach hat damit die Poleposition im Land Baden-Württemberg. In Biberach haben wir einen überdurchschnittlich hohen Anteil an produzierendem Gewerbe, das spiegelt sich auch im Stellenmarkt wider. Im April gab es insgesamt 2214 offene Stellen im Kreis Biberach, im gesamten Bezirk waren es 6569.
In welchen Bereichen gibt es freie Stellen?
Mathias Auch: Einen großen Bedarf gibt es im verarbeitenden Gewerbe, im Baugewerbe, im Handel und natürlich im Sozialwesen. Das sind die größten Blöcke. Dabei muss man auch immer unterscheiden, auf welchem Niveau gesucht wird: Sind es die Fachkräfte oder die Helfer? Da haben wir derzeit eine Schieflage auf dem Arbeitsmarkt.
Also herrscht Fachkräftemangel?
Mathias Auch: Die Zahlen sind signifikant, wenn wir uns einmal die Bewerberlage, also die Arbeitslosen, anschauen. Im Helferbereich gibt es aktuell rund 1220 Bewerber, dem stehen rund 340 Helferstellen gegenüber. Im Fachkräftebereich ist es genau andersherum: Da gibt es 830 Bewerber und 1550 Fachkräftestellen. Pro Helfer gibt es also 0,3 Arbeitsstellen und pro Fachkraft 1,9 Arbeitsstellen. Auf höherem Qualifikationsniveau ist das Verhältnis ausgeglichen. Von einem Fachkräftemangel möchte ich pauschal nicht sprechen. Der Begriff legt nahe, dass dieser in allen Berufsfeldern und Bereichen vorherrscht. Dem ist nicht so. Es stimmt aber, dass in vielen Bereichen ein hoher Fach- kräftebedarf oder gar -engpass besteht.
Wie kann man dem entgegenwirken?
Peter Kaltenmark: Es ist extrem wichtig, dass Jugendliche eine Ausbildung absolvieren oder eben studieren. Und da haben wir einen wesentlichen Teil dazu beizutragen. Denn unsere Aufgabe bei der Agentur für Arbeit ist es nicht nur, uns um Arbeitssuchende, Arbeitslose und um regionale Arbeitgeber zu kümmern, sondern auch um Jugendliche, die aus der Schule kommen. Ausbildung schützt vor Arbeitslosigkeit und sichert den Fachkräftebedarf.
Wie gehen Sie da vor?
Peter Kaltenmark: Der Übergang Schule - Beruf ist von hoher Wichtigkeit. Wir sind deshalb schon frühzeitig an den Schulen unterwegs, arbeiten eng mit ihnen zusammen und informieren über die verschiedenen Möglichkeiten. Hilfestellung bei der Berufsorientierung zu geben, hat für uns oberste Priorität. Mathias Auch: Die duale Ausbildung ist für mich eine Herzensangelegenheit. Keiner soll zurückgelassen werden, für jeden gibt es den richtigen Beruf. Für mich ist deshalb auch Qualifizierung Trumpf und schützt vor Arbeitslosigkeit und dabei spielt das Alter keine Rolle. Wir haben auch die Möglichkeit, geringqualifizierte Arbeitnehmer auf Fachkraftniveau zu bringen. Momentan ist der Arbeitsmarkt so aufnahmefähig wie lange nicht.
Auch in Biberach? Was bedeutet das?
Mathias Auch: Der Arbeitsmarkt in Biberach ist sehr aufnahmefähig, vor allem im produzierenden Gewerbe boomt es. Wir haben Höchststände bei offenen Stellen und auch am Ausbildungsmarkt sehen wir Potenzial. Einen Bewerberrückgang bei den Ausbildungssuchenden sehen wir momentan keinen, wir verzeichnen sogar ein leichtes Plus.
Wie sehen Sie die langfristige Perspektive in Biberach?
Mathias Auch: Wenn die Rahmenbedingungen so bleiben, ist die Prognose weiterhin sehr positiv für den Landkreis Biberach. Was ich allerdings ein bisschen problematisch sehe, ist der Hang zu höherwertigen Schulabschlüssen und einem Studium. Das ist natürlich auch positiv zu werten, aber nicht für jeden Jugendlichen der richtige Weg.