Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Rund 300 Gesellen in Weingarten erwartet
Jahrestreffen der „rechtschaffenden fremden Gesellen“– Fahnenumzug am Freitag
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WEINGARTEN - Ein schicker Hut, ein sechsknöpfiges Jacket sowie eine achtknöpfige Weste. Dazu die passende Hose mit breitem Schlag und zwei Reißverschlüssen. Alles in Schwarz, versteht sich. Ein weißes, kragenloses Hemd, ein Holzstock, der sogenannte Stenz, und ein Gepäckstück im Tuch, der sogenannte Charlottenburger, runden das Bild ab. Und genau dieses Bild wird die kommenden Tage die Weingartener Innenstadt prägen. Denn die „Gesellschaft der rechtschaffenden Fremden zu Ravensburg“laden zum Fremdentreffen ihrer Zunft ein. Aus ganz Deutschland, der Schweiz und sogar Florida werden bis zu 300 Zunftmitglieder zum ersten Treffen in der Region erwartet. „Das gab es hier noch nie“, sagt Altgeselle Sebastian Rüde, der das Treffen mit seinen Kollegen seit einem knappen Jahr plant.
Gemeint ist die Zunft der Zimmerund Schieferdeckergesellen. Während der Hauptsitz in Kiel ist, gibt es in Ravensburg einen kleinen Ableger. 17 einheimische Gesellen gehören dazu. Doch damit der Kontakt nach der mindestens dreijährigen Walz zu den übrigen rund 1500 Zunftmitgliedern weltweit nicht abreit, gibt es jährlich ein gemeinsames Treffen. Das fand im vergangenen Jahr in Hamburg statt, beim nächsten Mal ist Flensburg dran – und nun eben Ravensburg beziehungsweise Weingarten. Denn in Weingarten steht die sogenannte „ehrbare Herberge“der Ravensburger Gesellen: Der Gasthof Rössle von Gerhard Flaitz. Seit dem 4. Oktober 2014 ist die Wirtschaft die Heimat der Ravensburger Gesellen. Vormals hatten die zwar ihren Sitz in der südlichen Nachbarstadt. Doch da eine ehrbare Herberge verschiedene Voraussetzungen erfüllen muss, wechselten die Gesellen nach Weingarten.
Treffen wegen Blutritt verschoben
So muss eine Herberge auch kurzfristig den Gesellen auf Wanderschaft, der sogenannten Walz, bieten können. Außerdem sollte der Besitzer oder Pächter nicht immer wechseln. Auch muss die Herberge zur Zunft passen. „Und da haben wir mit Gerhard Flaitz einen guten Fang gemacht“, meint der 30-jährige Rüde. „Mit ihm kann man reden.“Zudem verfügt Flaitz über eine Vielzahl an Übernachtungsmöglichkeiten, was sich nun auch für das Treffen der gesamten Zunft auszahlt. Da diese aber auch während Christi Himmelfahrt und damit dem Blutritt immer voll belegt sind, verschoben die Gesellen ihr Treffen extra um drei Wochen nach hinten, sodass es nun das Fronleichnamstreffen ist.
Geselle kommt aus Florida
Doch das soll dem ganzen keinen Abbruch tun – im Gegenteil. „Die Leute kommen von überall – sogar aus Daytona Beach aus Florida“, sagt Rüde. „Von der Stimmung her geht es in Richtung Klassentreffen.“So steht vor allem die Geselligkeit im Mittelpunkt, wenn die Handwerker bis einschließlich Sonntag beisammen sind. „Wir nutzen das, um uns zu präsentieren und alte Kameraden zu treffen. Das ist ein großes Wiedersehen“, sagt Rüde. Doch nicht nur das. Auch das Kennenlernen der Region ist ihnen wichtig. So wird es diverse Ausflüge und Besichtigungen geben, wie beispielsweise zu den Pfahlbauten am Bodensee oder der Basilika. Diese laufen allerdings intern ab.
Doch ist den Handwerkern auch der Kontakt zu den Weingartenern wichtig. Daher wird es am Freitag um 11 Uhr einen Fahnenumzug vom Löwenplatz über das Rathaus bis hin zum Münsterplatz geben, zu dem alle Weingartener Bürger ganz herzlich eingeladen sind. „Wir wollen den Leuten erklären, was wir machen. Das funktioniert nur, wenn du die Leute abholst“, meint Rüde, der die Menschen ausdrücklich auffordert, die Gesellen anzusprechen: „Die Leute sollen lieber mit uns Reden als heimlich Fotos zu machen. Nur keine Scheu, wir beißen nicht.“Genau das wollen die Gesellen dann auch am Freitag- und Samstagnachmittag unter Beweis stellen. Jeweils ab 14.30 Uhr wird bei der Pilgerstatue an der Schussen gegenüber des Rössle Showhandwerk gezeigt. Wer dann noch nicht genug von den schick gekleideten Handwerkern hat, ist auch abends immer ins Rössle eingeladen, wenn dort gefeiert wird: „Da ist jeder willkommen. Das ist keine geschlossene Gesellschaft.“
Von Samstag, 26. Mai, bis Freitag, 8. Juni, gibt es jeweils von 14 bis 17 Uhr im Museum „Schlössle“eine Sonderausstellung zum Thema „Traditionen und Gebräuche der fremden Gesellen“. Montag und Dienstag hat das Museum geschlossen.