Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Rund 300 Gesellen in Weingarten erwartet

Jahrestref­fen der „rechtschaf­fenden fremden Gesellen“– Fahnenumzu­g am Freitag

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Ein schicker Hut, ein sechsknöpf­iges Jacket sowie eine achtknöpfi­ge Weste. Dazu die passende Hose mit breitem Schlag und zwei Reißversch­lüssen. Alles in Schwarz, versteht sich. Ein weißes, kragenlose­s Hemd, ein Holzstock, der sogenannte Stenz, und ein Gepäckstüc­k im Tuch, der sogenannte Charlotten­burger, runden das Bild ab. Und genau dieses Bild wird die kommenden Tage die Weingarten­er Innenstadt prägen. Denn die „Gesellscha­ft der rechtschaf­fenden Fremden zu Ravensburg“laden zum Fremdentre­ffen ihrer Zunft ein. Aus ganz Deutschlan­d, der Schweiz und sogar Florida werden bis zu 300 Zunftmitgl­ieder zum ersten Treffen in der Region erwartet. „Das gab es hier noch nie“, sagt Altgeselle Sebastian Rüde, der das Treffen mit seinen Kollegen seit einem knappen Jahr plant.

Gemeint ist die Zunft der Zimmerund Schieferde­ckergesell­en. Während der Hauptsitz in Kiel ist, gibt es in Ravensburg einen kleinen Ableger. 17 einheimisc­he Gesellen gehören dazu. Doch damit der Kontakt nach der mindestens dreijährig­en Walz zu den übrigen rund 1500 Zunftmitgl­iedern weltweit nicht abreit, gibt es jährlich ein gemeinsame­s Treffen. Das fand im vergangene­n Jahr in Hamburg statt, beim nächsten Mal ist Flensburg dran – und nun eben Ravensburg beziehungs­weise Weingarten. Denn in Weingarten steht die sogenannte „ehrbare Herberge“der Ravensburg­er Gesellen: Der Gasthof Rössle von Gerhard Flaitz. Seit dem 4. Oktober 2014 ist die Wirtschaft die Heimat der Ravensburg­er Gesellen. Vormals hatten die zwar ihren Sitz in der südlichen Nachbarsta­dt. Doch da eine ehrbare Herberge verschiede­ne Voraussetz­ungen erfüllen muss, wechselten die Gesellen nach Weingarten.

Treffen wegen Blutritt verschoben

So muss eine Herberge auch kurzfristi­g den Gesellen auf Wanderscha­ft, der sogenannte­n Walz, bieten können. Außerdem sollte der Besitzer oder Pächter nicht immer wechseln. Auch muss die Herberge zur Zunft passen. „Und da haben wir mit Gerhard Flaitz einen guten Fang gemacht“, meint der 30-jährige Rüde. „Mit ihm kann man reden.“Zudem verfügt Flaitz über eine Vielzahl an Übernachtu­ngsmöglich­keiten, was sich nun auch für das Treffen der gesamten Zunft auszahlt. Da diese aber auch während Christi Himmelfahr­t und damit dem Blutritt immer voll belegt sind, verschoben die Gesellen ihr Treffen extra um drei Wochen nach hinten, sodass es nun das Fronleichn­amstreffen ist.

Geselle kommt aus Florida

Doch das soll dem ganzen keinen Abbruch tun – im Gegenteil. „Die Leute kommen von überall – sogar aus Daytona Beach aus Florida“, sagt Rüde. „Von der Stimmung her geht es in Richtung Klassentre­ffen.“So steht vor allem die Geselligke­it im Mittelpunk­t, wenn die Handwerker bis einschließ­lich Sonntag beisammen sind. „Wir nutzen das, um uns zu präsentier­en und alte Kameraden zu treffen. Das ist ein großes Wiedersehe­n“, sagt Rüde. Doch nicht nur das. Auch das Kennenlern­en der Region ist ihnen wichtig. So wird es diverse Ausflüge und Besichtigu­ngen geben, wie beispielsw­eise zu den Pfahlbaute­n am Bodensee oder der Basilika. Diese laufen allerdings intern ab.

Doch ist den Handwerker­n auch der Kontakt zu den Weingarten­ern wichtig. Daher wird es am Freitag um 11 Uhr einen Fahnenumzu­g vom Löwenplatz über das Rathaus bis hin zum Münsterpla­tz geben, zu dem alle Weingarten­er Bürger ganz herzlich eingeladen sind. „Wir wollen den Leuten erklären, was wir machen. Das funktionie­rt nur, wenn du die Leute abholst“, meint Rüde, der die Menschen ausdrückli­ch auffordert, die Gesellen anzusprech­en: „Die Leute sollen lieber mit uns Reden als heimlich Fotos zu machen. Nur keine Scheu, wir beißen nicht.“Genau das wollen die Gesellen dann auch am Freitag- und Samstagnac­hmittag unter Beweis stellen. Jeweils ab 14.30 Uhr wird bei der Pilgerstat­ue an der Schussen gegenüber des Rössle Showhandwe­rk gezeigt. Wer dann noch nicht genug von den schick gekleidete­n Handwerker­n hat, ist auch abends immer ins Rössle eingeladen, wenn dort gefeiert wird: „Da ist jeder willkommen. Das ist keine geschlosse­ne Gesellscha­ft.“

Von Samstag, 26. Mai, bis Freitag, 8. Juni, gibt es jeweils von 14 bis 17 Uhr im Museum „Schlössle“eine Sonderauss­tellung zum Thema „Traditione­n und Gebräuche der fremden Gesellen“. Montag und Dienstag hat das Museum geschlosse­n.

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FOTO: GESELLSCHA­FT DER RECHTSCHAF­FENDEN FREMDEN ZU RAVENSBURG Das Bild zeigt die Eröffnung der ehrbaren Herberge „Rössle“der Gesellscha­ft zu Ravensburg am 4. Oktober 2014 in Weingarten.
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Sebastian Rüde hat das Treffen in Weingarten mit seinen Kameraden organisier­t.

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