Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Abschiebestopp soll enden
Merkel für Kurswechsel in Sachen Afghanistan
BERLIN (dpa/se) - Nach dem jüngsten Regierungsbericht zur Lage am Hindukusch sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Notwendigkeit mehr für einen Abschiebestopp nach Afghanistan. „Aus unserer Sicht sind die Einschränkungen entfallen“, sagte die CDU-Vorsitzende am Mittwoch bei der Regierungsbefragung im Bundestag. Bislang gibt es einen teilweisen Abschiebestopp nach Afghanistan. Ausnahmen gelten nur bei Gefährdern und Straftätern sowie bei Menschen, die bei der Identitätsfeststellung nicht mitwirken.
Bei der Regierungsbefragung nahm Merkel außerdem Stellung zur Außenpolitik und zu Bamf-Skandal und Flüchtlingspolitik. Merkel stellte sich erstmals in ihrer Amtszeit den Fragen der Abgeordneten. Dieses neue Format hatte die SPD in den Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU durchgesetzt. Künftig soll sich Merkel dreimal pro Jahr dem Parlament stellen.
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RAVENSBURG - Die Zigarette als Symbol für Freiheit und Individualität: In fast allen EU-Staaten ist solche Werbung für Tabakprodukte in der Öffentlichkeit verboten. In Deutschland dürfen sie als Lifestyle-Produkte auf Litfaßsäulen und Plakatwänden noch vermarktet werden.
Dabei sterben hierzulande geschätzt jährlich rund 121 000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Am späten Donnerstag bringt die Grünenfraktion daher einen Gesetzesentwurf zur ersten Lesung in den Bundestag ein, der derartige Werbung aus der Öffentlichkeit verbannen soll – doch voraussichtlich wird dieser am Widerstand der Großen Koalition scheitern.
Der Grünen-Entwurf sieht ein umfassendes Verbot vor. Er „gilt für alle Tabakprodukte und E-Zigaretten und auch für Tabakwerbung im Kino, die derzeit noch ab 18 Uhr zulässig ist“, erklärt Kirsten Kappert-Gonther, drogenpolitische Sprecherin der Grünen. Verboten werden soll auch die kostenlose Abgabe von Tabakprodukten bei Großveranstaltungen.
Dafür hat Kappert-Gonther mehrere Argumente. Zwar sinke auch hierzulande die Zahl der Raucher, „aber deutlich geringer als in den Ländern, in denen Außenwerbung schon länger verboten ist“. Von den 18- bis 59-Jährigen rauchen laut dem Drogenund Suchtbericht der Bundesregierung seit 2003 immer weniger. Waren es vor 15 Jahren noch 33 Prozent, sind es heute noch 25 Prozent.
Kappert-Gonther nennt jedoch Studien, nach denen Kinder und Jugendliche eher mit dem Rauchen anfangen, je öfter sie mit Tabakwerbung in Kontakt kommen. „Auch ehemalige Raucher werden dadurch getriggert. Nikotin hat ein ähnlich hohes Suchtpotenzial wie Heroin“, so die Medizinerin. Diese Reklame konterkariere daher alle Präventitionsmaßnahmen.
Mehrere Anläufe der Regierung
Dabei hat es durchaus Ansätze für ein Tabakwerbeverbot gegeben. Es ist die Langzeitbaustelle der deutschen Politik. Bereits 2004 hatte sich Deutschland gegenüber der Weltgesundheitsorganisation verpflichtet, Tabakwerbung zu verbieten – bis spätestens 2010. Doch passiert ist nichts.
In der vorherigen Legislaturperiode einigte sich die Große Koalition auf einen Vorstoß von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) für ein Verbot von öffentlicher Zigarettenwerbung ab Juli 2020. Doch vom Parlament beschlossen wurde es nicht mehr. Volker Kauder, Fraktionschef der Union, und deren wirtschaftspolitischer Sprecher Joachim Pfeiffer gelten als erbitterte Gegner eines solchen Verbots. Die Argumente: Tabak sei legal, daher dürfe man dafür werben. Zudem sei es eine weitere Bevormundung der Bürger. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag gab es einen Passus zum Tabakverbot. Doch dieser wurde – laut dem Magazin „Spiegel“– wieder auf Druck der Union gekippt, ebenso ein Register für Lobbyisten. „Hier hat die Tabaklobby offensichtlich ganze Arbeit geleistet“, so Kappert-Gonther.
Die Fraktion äußert sich nicht zu dem Vorstoß. Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, findet es jedenfalls „echt ärgerlich“, „dass der Bundestag unseren Gesetzentwurf für ein weitgehendes Tabakwerbeverbot vor der Wahl nicht mehr verabschiedet hat“. Die Gegenargumente seien für die CSU-Politikerin „definitiv nicht überzeugend“.
Sie verweist auf die Todesfälle und den volkswirtschaftlichen Schaden. „Wir gehen von fast 80 Milliarden Euro im Jahr aus. Wenn ein Produkt solchen Schaden anrichtet, können wir es doch nicht zulassen, wenn auf überlebensgroßen Plakaten an Bushaltestellen, Bahnsteigen und Straßenkreuzungen das Image der Zigarette aufpoliert wird“, so Mortler weiter. Sie begrüße daher „jeden Vorstoß, der die Diskussion voranbringt“. Der Koalitionspartner SPD wird ihn nicht mittragen, ist jedoch offen für ein Verbot. „Der jetzige Entwurf der Grünen fällt weit hinter das zurück, was Christian Schmidt damals vorgelegt hat“, sagt Rainer Spiering, agrarpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er habe über das Werbeverbot hinaus eine Einschränkung bei Zusatzstoffen in Tabakprodukten vorgesehen. „Wegen Zigaretten werden wir den Koalitionsfrieden nicht gefährden“, so Spiering weiter. Die SPD hofft, dass die zuständige CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner diesen Entwurf wieder neu ins Kabinett und damit auch in den Bundestag einbringt, dieser beraten und beschlossen wird.
Die FDP hingegen lehnt ein Verbot grundsätzlich ab. „Wir stehen dem Entwurf kritisch gegenüber“, sagt Wieland Schinnenburg, sucht- und drogenpolitischer Sprecher der Liberalen. „Wir sind der Meinung, dass eine Verschärfung nichts bringt. Es gibt seit Jahrzehnten Werbung für das Rauchen, aber die überwiegende Mehrheit der Menschen raucht nicht.“Mit Verboten käme man nicht weiter. „Dann dürfen wir auch keine Werbung mehr für Süßigkeiten machen. Jeder weiß, dass zu viel davon ungesund ist. Die Frage ist, wo man die Grenze zieht“, sagt Schinnenburg.
Die Grünen haben die Linken jedenfalls auf ihrer Seite. Auch sie haben angekündigt, einen ähnlichen Antrag einzubringen.