Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Armut spaltet die Gesellscha­ft“

Bad Wurzacher Evangelisc­he Kirchengem­einde initiiert Aktionsjah­r zur sozialen Gerechtigk­eit

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - „Immer mehr Menschen in unserer Stadt sind arm. Aber das sieht man ihnen meistens nicht an.“Das hat Pfarrerin Barbara Vollmer festgestel­lt. Die evangelisc­he Kirchengem­einde hat mit ökumenisch­er Beteiligun­g daher das Aktionsjah­r „Armut. Reichtum. Soziale Gerechtigk­eit?!“initiiert.

Mit zahlreiche­n Veranstalt­ungen soll auf den gesellscha­ftlichen Missstand aufmerksam gemacht und nach Lösungsweg­en gesucht werden. Vollmer hofft dabei auch, Unternehme­r, Geschäftsl­eute und Politiker mit ins Boot holen zu können.

Dass sich die Kirche damit auf ein politische­s Feld begibt, und das nicht von allen gutgeheiße­n werden wird, ist der Pfarrerin dabei bewusst. „Armut und soziale Gerechtigk­eit ist aber auch ein theologisc­hes Thema. Die ganze Bibel ist voll davon, von den Propheten bis zu Jesus“, hält sie dem entgegen. Das bekämpfen der Armut sei aber weit darüber hinaus eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe, also auch eine der Kirche: „Sie muss sich einmischen“, ist Vollmer überzeugt.

Am Aktionsjah­r beteiligen sich auch die katholisch­e Kirchengem­einde und der Stadtsenio­renrat. „Aus persönlich­er Erfahrung weiß ich, dass die Altersarmu­t zunimmt“, sagt Heinrich Stauß, Vorsitzend­er des Stadtsenio­renrats. „Und politische Reformen, die dagegen angehen sind nicht in Sicht. Also wird diese Altersarmu­t noch zunehmen.“

„Das Thema muss einer breiten Öffentlich­keit vermittelt werden“, sagt Herbert Müller als Vertreter der katholisch­en Kirche im Arbeitskre­is. „Ich habe schon lange mitbekomme­n, dass viele Mitbürger, abseits der Asylfrage, in Not sind. Im Alter ebenso wie zum Beispiel als Alleinerzi­ehende.“

Allen ist dabei bewusst, dass es sich meist um versteckte Armut handelt. „Die Scham ist groß“, weiß Patricia Gragnato und erzählt aus dem Kleiderlad­en „Jacke wie Hose“: „Oft wird der Tafelladen­ausweis erst dann vorgezeigt, wenn niemand sonst mehr im Laden ist.“

Ebenso im Klaren sind sich die Initiatore­n, dass Armut in Bad Wurzach sich meist nicht in Hunger, Lumpen oder Obdachlosi­gkeit äußert. „Armut ist Spaltung der Gesellscha­ft. Wer Hartz IV erhält, kann nicht mehr am öffentlich­en Leben teilnehmen“, sagt Heinrich Stauß. Konzert- oder andere Veranstalt­ungsbesuch­e, gemütliche Abende am Stammtisch sind für einen selbst ebenso wenig bezahlbar wie beispielsw­eise Schulausfl­üge oder eine Sportausrü­stung für die Kinder.

Facetten der Armut und der damit verbundene­n sozialen Gerechtigk­eit sollen im Verlauf des Aktionsjah­rs, das bis in den Januar 2019 hineinreic­hen wird, beleuchtet werden. Dazu gibt es Vorträge, Diskussion­srunden, Besichtigu­ngen und abschließe­nd eine Podiumsdis­kussion mit hiesigen Politikern. „Das wird spannend zu sehen, welche Politiker daran teilnehmen werden“, sagt Herbert Müller und bezieht das auch auf einen Vortrag im November, bei dem es um das bedingungs­lose Grundeinko­mmen gehen wird.

Auch die ökumenisch­e Predigtrei­he im Juli und die ökumenisch­en Bibeltage im Oktober sind in das Aktionsjah­r integriert.

Zum Arbeitskre­is der Initiative gehören Barbara Vollmer, Nicole Bodenmülle­r, Astrid Greshake, Christine Heine, Sabine Manthei, Herbert Müller, Detlef Sachse, Christine SillaKiefe­r, Heinrich Stauß, Diakon Berndt Rosenthal und Ursula Weizenegge­r.

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FOTO: STEFFEN LANG Pfarrerin Barbara Vollmer, Herbert Müller (links) und Heinrich Stauß präsentier­en den Flyer.

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