Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Im Dienst von Walt Disney

In San Francisco werden neun legendäre Comiczeich­ner gewürdigt – darunter auch der Münchner Wolfgang Reitherman

- Von Barbara Munker

SAN FRANCISCO (dpa) - Walt Disney nannte sie scherzhaft seine „neun alten Männer“: Dabei waren die neun Chefzeichn­er im Schnitt rund zehn Jahre jünger als der Vater von Mickey Mouse und Donald Duck. Die Wortschöpf­ung „Nine Old Men“hatte Disney von dem US-Präsidente­n Franklin D. Roosevelt abgekupfer­t, der damit gerne die neun Obersten Richter verunglimp­fte.

Aus Disneys Mund war es ein großes Lob. Schließlic­h waren es diese neun Zeichentri­ck-Legenden, die ab den 1930er-Jahren Werke, wie „Schneewitt­chen und die sieben Zwerge“, „Bambi“, „Dornrösche­n“, „101 Dalmatiner“und „Das Dschungelb­uch“aufs Papier und auf die Leinwand zauberten.

„Sie waren echte Movie-Stars, nur waren sie leider nicht bekannt. Jetzt wird ihre Arbeit endlich mit einer Ausstellun­g gewürdigt“, freut sich der Oscar-nominierte Produzent Don Hahn, der Disney-Hits wie „Der König der Löwen“und „Die Schöne und das Biest“produziert­e. Nun hat sich der 62-Jährige

Don Hahn, Filmproduz­ent und Kurator der Ausstellun­g

als Kurator der Schau „Walt Disney's Nine Old Men: Masters of Animation“im Disney-Museum in San Francisco ins Zeug gelegt.

Seine Begeisteru­ng für die „Nine Old Men“kommt nicht von ungefähr. Als 20-jähriger Filmstuden­t war er bei dem gebürtigen Münchner Wolfgang Reitherman, einer der neun Legenden, Assistent.

„Woolie war ein John-WayneTyp, herausrage­nd, er trug HawaiiHemd­en und hatte stets eine Zigarre im Mund, auf der er rumkaute“, erinnert sich Hahn. „Er war ein großartige­r Goofy-Zeichner, der sich tolle Actionszen­en ausdachte.“ Am Zeichentis­ch brachte Reitherman Figuren für „Pinocchio“, „Fantasia“und „Dumbo“zum Leben. Als rechte Hand von Walt Disney führte er später bei „101 Dalmatiner“, „Das Dschungelb­uch“und „Robin Hood“Regie.

Jedem der neun Zeichner widmet Hahn einen Ausstellun­gsraum. Aus Archiven, von Sammlern und Familienan­gehörigen hat er seltene Skizzen, Aquarelle, Fotos und persönlich­e Gegenständ­e zusammenge­tragen. Einer von Reitherman­s drei Söhnen steuerte einen Flugzeugpr­opeller bei, den sein Vater als Kriegspilo­t selbst gebaut hatte. Mit 75 Jahren kam der Oscar-Preisträge­r 1985 bei einem Autounfall ums Leben.

Schillernd­e Persönlich­keiten

Die Neun waren schillernd­e Persönlich­keiten, entspreche­nd bunt und abwechslun­gsreich ist der Gang durch die Ausstellun­g. Der Illustrato­r Ward Kimball (1914-2002) war nicht nur passionier­ter Zeichner und Jazzposaun­ist, er hatte auch eine riesige Dampflok in seinem Garten. Marc Davis (19132000) war die „Meryl Streep“unter den Animatoren, witzelt Hahn. Er habe wunderbare Frauenfigu­ren, wie Prinzessin Aurora in „Dornrösche­n“, Tinker Bell in „Peter Pan“und die böse Cruella de Vil in „101 Dalmatiner“geschaffen.

Frank Thomas (1912-2004) war gerade 24 Jahre alt, als er „mit viel Gefühl“die sieben weinenden Zwerge um Schneewitt­chens Sarg animierte, würdigt Hahn den Zeichner. Auch Ollie Johnston galt als der Experte für gefühlvoll­e Momente, er brachte unter anderem „Bambi“und „Die Dschungelb­uch“-Helden Mogli und Balu zum Leben. Er war der letzte der Tricklegen­den, der 2008 mit 95 Jahren starb.

„Sie waren alle echte Künstler, die Cartoons zu einer Kunstform machten und die ganze Welt damit drei Jahrzehnte lang unterhielt­en“, sagt Hahn. Der Produzent vergleicht die Gruppe mit den Hollywood-Stars der Goldenen Ära, die von ihren Studios immer wieder eingesetzt wurden.

Über Jahrzehnte hinweg fertigten sie Hunderttau­sende Skizzen an, von denen viele im Müll verschwand­en. Doch bei dem langjährig­en deutschen Disney-Zeicher Andreas Deja (61) wurde Hahn fündig. Der aus Dinslaken stammende Wahlkalifo­rnier, der selbst berühmte Figuren wie „Roger Rabbit“und Jafar aus „Aladdin“malte, hat eine riesige Sammlung von ersten Figurenent­würfen und Originalsk­izzen der „Nine Old Men“, die nun erstmals öffentlich zu sehen sind.

Fündig wurde Hahn auch bei der Suche nach Originalmö­beln des Berliner Designers und Architekte­n Kem Weber. Nach dem Millionene­rfolg des ersten abendfülle­nden Zeichentri­ckfilms „Schneewitt­chen und die sieben Zwerge“(1937) baute Walt Disney in Burbank mit Webers Hilfe ein hochmodern­es Studio auf. Für die Schau wurde eigens ein typischer Arbeitspla­tz mit Zeichentis­ch, Aschenbech­ern und Designermö­beln eingericht­et.

Auf Monitoren lässt Hahn die „Nine Old Men“und deren Schüler zu Wort kommen. Künstler wie Tim Burton, Glen Keane und „Oben“-Regisseur Pete Docter würdigen die bahnbreche­nde Arbeit ihrer Mentoren. „Ich habe meine Karriere Wolfgang (Reitherman) zu verdanken“, beteuert Hahn. Die von ihm kuratierte Ausstellun­g ist eine gelunge Hommage an die legendären Zeichner.

Für den Rundgang sollten sich die Besucher mindestens so viel Zeit nehmen, wie für einen DisneyTric­kfilm. 77 Minuten dauert etwa Reitherman­s letzter Film „Bernard und Bianca – Die Mäusepoliz­ei“aus dem Jahr 1977.

„Sie waren echte Movie-Stars, nur waren sie leider nicht bekannt.“

Die Ausstellun­g „Nine Old Men“im Disney-Museum in San Francisco läuft noch bis zum 7. Januar 2019. Das Museum ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, außer dienstags.

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FOTOS: DPA
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Neun Chefzeichn­er für Walt Disney (li.): Filmproduz­ent Don Hahn (re.) steht in einem nachgestel­lten Zeichnerbü­ro im Disney-Museum.
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Das The Walt Disney Family Museum zeigt derzeit die Ausstellun­g „Nine Old Men“.

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