Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Barock kann vieles sein

Antwerpen hat ein neues Festival, das sich dem Vermächtni­s von Peter Paul Rubens widmet

- Von Sabine Glaubitz

ANTWERPEN (dpa) - Sechs weiße Männer stoppen mit ihren Autos einen Afro-Amerikaner, weil er eine weiße Frau bei sich hat. Im Licht der Scheinwerf­er halten die Masken tragenden Männer den Schwarzen fest und kastrieren ihn. Die riesige AntiRassis­mus-Installati­on hat in Deutschlan­d auf der documenta 1972 viel Aufsehen erregt. Danach verschwand das Werk, auf das damals ein Rauchbombe­nanschlag verübt wurde, mehrere Jahrzehnte aus der Öffentlich­keit. Nun ist „Five Car Stud“des Künstlers Edward Kienholz in Antwerpen zu sehen.

„Antwerpen Barock 2018. Rubens inspiriert“heißt das Festival, das bis Anfang Januar 2019 ein Kulturprog­ramm mit zahlreiche­n Werkschaue­n bietet, in denen das Vermächtni­s von Peter Paul Rubens im Rampenlich­t steht. Zu ihnen gehört „Blutrot“im Museum für zeitgenöss­ische Kunst „M HKA“mit der antirassis­tischen Installati­on des 1994 gestorbene­n amerikanis­chen Objektküns­tlers Kienholz.

Alte Meister und Modernes

Kuratiert wurde die bis zum 16. September dauernde Werkschau von dem belgischen Starkünstl­er Luc Tuymans. Er stellt neben Meister der barocken Malerei wie Peter Paul Rubens, Caravaggio und Francisco de Zurbarán kühn zeitgenöss­ische Künstler wie Jan Fabre, John Armleder, Sigmar Polke und Berlinde De Bruyckere.

Die brutale und gespenstis­che Anti-Rassismus-Installati­on steht vor dem Museum in einem Rundzelt – so wie damals auf der documenta 5 in Kassel. Nach dem Skandal war das Werk aus fünf Automobile­n und neun lebensgroß­en Figuren jahrzehnte­lang bei einem japanische­n Sammler verborgen. Nach seiner Restaurier­ung wurde es nur in Los Angeles, in Kopenhagen und 2016 in der Fondazione Prada in Mailand gezeigt.

Was haben nun „Five Car Stud“und die ausgestopf­ten Pferde von De Bruyckere mit der „Flagellati­on von Christus“und „Jüngling von einer Eidechse gebissen“von Caravaggio gemeinsam? Mit Blick auf Stil und Technik nicht viel. Gemeinsam ist ihnen das Thema Leben und Tod. „Blutrot“als Ausstellun­gstitel bekommt dadurch einen leitmotivi­schen Sinn.

Videos und Installati­onen

Tuymans versteht den Begriff „barock“, der als kunsthisto­rische Bezeichnun­g erst im 19. Jahrhunder­t entstanden ist, im weitesten Sinne. Und dazu gehören auch die in ihm mitschwing­enden Konnotatio­nen wie seltsam, bizarr, überladen, pomphaft und chaotisch. Skurril wirken auch das Video von Javier Téllez, das eine suggestive Löwenproze­ssion durch die Slums von Caracas zeigt, sowie die Fernseher- und DVD-Player-Installati­on „Kopfverlus­te“des deutschen Shootingst­ars Tobias Rehberger.

Er sei nicht als Kunsthisto­riker an die Ausstellun­g herangegan­gen, sondern als Künstler, sagte Tuymans der dpa. Die Präsentati­on und Wahl der Werke basiere auf einer persönlich­en Interpreta­tion. Und so als würde er schon mit Kritiken rechnen, fügte Tuymans hinzu, damit werde er wohl einige Fachleute provoziere­n.

An dem Festival nehmen sieben Kunsteinri­chtungen teil, darunter auch das Rubenshaus, das in Zusammenar­beit mit dem MAS-Museum barocke Frauenpowe­r zeigt. Bis zum

2. September wird dort der Künstlerin Michaelina Woutiers ihre erste Retrospekt­ive gewidmet. Sie hat im

17. Jahrhunder­t gewirkt und war zu einer Zeit bekannt, in der Frauen nicht an der Akademie zugelassen waren.

Internet: www.stadantwer­pen.prezly.com

 ?? FOTOS: DPA ?? Der Künstler Luc Tuymans steht vor der Installati­on „In Flanders Fields“von Berlinde De Bruyckere.
FOTOS: DPA Der Künstler Luc Tuymans steht vor der Installati­on „In Flanders Fields“von Berlinde De Bruyckere.

Newspapers in German

Newspapers from Germany