Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Das „A und Oooohhhh“beim Salsa ist die Hüfte
Beim Salsa-Tanzen für Anfänger ist es möglich, die Beweglichkeit zu schulen und dabei Spaß zu haben
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BAD WALDSEE - „Wellfit-Salsa“verspricht regelmäßig der städtische Veranstaltungskalender, als Ort der Übung gibt er für Montage das Therapiezentrum Maximilianbad an. Die SZ hat beim Selbsttest mit allem Möglichen gerechnet, ehrlicherweise mit viel ruhiger, sanfter Bewegungstherapie. Immerhin sind diese Veranstaltungen ja auch und besonders von rekonvaleszenten Kurgästen frequentiert. Die Chronistin sollte jedoch eines Besseren belehrt werden.
Wenn Tanzlehrerin Anni die Beine und Hüften bewegt, „dann ist das beinahe schon waffenscheinpflichtig“, würde man in der Altherrenwitz-Fraktion witzeln. Weil sich zum Wellfit-Salsa-Kurs aber ausschließlich Frauen zwischen 40 und 60 eingefunden haben und sich jede um eine ausgewogene Geisteshaltung bemüht, befinden wir erwachsen: Das sieht sehr geschmeidig aus. Und wahnsinnig sexy, denke ich.
Derweil versuche ich, dem Rhythmus der Salsamusik folgend das zu tun, was Tanzlehrer Tom Roth uns gebetsmühlenartig vorkaut. „Dabbe – Dabbe – Dabbe – Pause“, wiederholt Annis Tanzpartner und Ehemann, wiegt auf den Fußballen nach vorne, wieder zurück, setzt den Fuß ab und pausiert. Freilich nur für einen kurzen Moment. Bis der Wiegeschritt nach hinten wiederholt wird.
„Salsa“ist eigentlich das spanische Wort für „Soße“, wird aber mittlerweile im Sprachgebrauch gleichgesetzt mit dem Paartanz, der sich in der Kolonialzeit aus afrokaribischen und europäischen Tanzstilen entwickelt und seit den 1980ern auch auf deutschen Tanzflächen durchgesetzt hat. „Neben dem religiösen Bezug hatte der Tanz immer auch die Funktion zum Finden eines Partners und zur Eroberung einer Frau“, erklärt das Lexikon etwas gestelzt, was nichts anderes heißt als „Hier wird geworben, was das Zeug hält“. Die Bewegungen sind sinnlich und lockend, unterlegt von stampfenden Rhythmen, zu denen LatinoSänger von Corazón schmachten – da muss Erotik in der Luft liegen.
Wie ist der Popo?
Das umzusetzen fällt im nüchternen Ambiente der gefliesten Halle des Therapiezentrums zunächst etwas schwer. Die schwül-warme Luft vom benachbarten Bad steht im Raum, immer wieder schlurfen Gestalten in Bademänteln durch die Tanzgruppe, nicken, beäugen skeptisch unsere noch stümperhaften Hüftrotationen und ziehen achselzuckend von dannen. Tänzer Tom sucht im mitgebrachten Kassettendeck nach neuem Sound und nutzt den Augenblick nach dem Abgang eines solch gebeugten Zaungastes. „So soll es genau nicht aussehen, wie ein Geier, mit wippendem Kopf und hochgezogenen Schultern“, warnt er vor falscher Tanzhaltung.
Tom wirft sich in Positur, breitet die Arme aus, strafft den Rücken und summt im Vier-Viertel-Takt seiner flinken Füße „dabbe dabbe dabbe, im-mer dabbe dabbe dabbe“. Dass der gelernte Krankenpfleger auch Mentaltrainer mit typischer Schwabengosch ist, das kommt uns Anfängern zugute. Die Frage „Wie ist der Popo? Weich?“nimmt ihm keine Tanzschülerin krumm. Wir alle nehmen gerne den Tipp mit der Fliesenfuge an. Wir merken uns, dass der Diagonalschritt nichts anderes ist, als wenn wir kurz eine Freundin besuchen. Und den Fußwechsel erklärt Tom mit dem Warten vor dem Postschalter.
Nach etwa einer Stunde, in der viele meiner Mittänzerinnen die Schuhe ausgezogen haben, erklärt Tom kurzerhand, nun sei „Schluss mit dem Reha-Tempo!“Er scharwenzelt tanzend ein paar Treppenstufen hoch, referiert über bewegliche vierte und fünfte Lendenwirbel, packt seine schöne Anni und zeigt ein paar schnelle Moves und Drehungen. Die Hüftrotation müsse stimmen. Das sei das „A“und noch viel mehr das „Oohhh“beim Salsa. Man möge sich vorstellen, mit der Hüfte im Vorbeigehen die Besteckschublade zuzuschieben oder die Kühlschranktür ins Schloss zu werfen.
Erstaunlich ist für Tom Roth: „Was man aus euch alles rausholen kann in anderthalb Stunden. An Rhythmus und an Wasser“, sagt der Biberacher und lobt seine schwitzende Truppe ausgiebig. Frappierend für mich als Chronistin aber ist, dass man mit ein bisschen Musik und lustigen Sprüchen eine Damenschar so richtig restlos glücklich machen kann. Das steht in den gelösten Gesichtern aller Tanzschülerinnen nämlich geschrieben – das pure Glück. Wenn die Damen nun noch Toms Versprechen glauben wollen, dann dürfte ein Tanzpartner für den Salsa schnell gefunden sein – zumindest in Kuba. „Da ist jeder Barmann beweglich in den Hüften“, sagt Tom. Und dann legt er zu Demo-Zwecken noch einmal so richtig los, mit seiner Anni.