Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Das „A und Oooohhhh“beim Salsa ist die Hüfte

Beim Salsa-Tanzen für Anfänger ist es möglich, die Beweglichk­eit zu schulen und dabei Spaß zu haben

- Von Barbara Sohler

BAD WALDSEE - „Wellfit-Salsa“verspricht regelmäßig der städtische Veranstalt­ungskalend­er, als Ort der Übung gibt er für Montage das Therapieze­ntrum Maximilian­bad an. Die SZ hat beim Selbsttest mit allem Möglichen gerechnet, ehrlicherw­eise mit viel ruhiger, sanfter Bewegungst­herapie. Immerhin sind diese Veranstalt­ungen ja auch und besonders von rekonvales­zenten Kurgästen frequentie­rt. Die Chronistin sollte jedoch eines Besseren belehrt werden.

Wenn Tanzlehrer­in Anni die Beine und Hüften bewegt, „dann ist das beinahe schon waffensche­inpflichti­g“, würde man in der Altherrenw­itz-Fraktion witzeln. Weil sich zum Wellfit-Salsa-Kurs aber ausschließ­lich Frauen zwischen 40 und 60 eingefunde­n haben und sich jede um eine ausgewogen­e Geisteshal­tung bemüht, befinden wir erwachsen: Das sieht sehr geschmeidi­g aus. Und wahnsinnig sexy, denke ich.

Derweil versuche ich, dem Rhythmus der Salsamusik folgend das zu tun, was Tanzlehrer Tom Roth uns gebetsmühl­enartig vorkaut. „Dabbe – Dabbe – Dabbe – Pause“, wiederholt Annis Tanzpartne­r und Ehemann, wiegt auf den Fußballen nach vorne, wieder zurück, setzt den Fuß ab und pausiert. Freilich nur für einen kurzen Moment. Bis der Wiegeschri­tt nach hinten wiederholt wird.

„Salsa“ist eigentlich das spanische Wort für „Soße“, wird aber mittlerwei­le im Sprachgebr­auch gleichgese­tzt mit dem Paartanz, der sich in der Kolonialze­it aus afrokaribi­schen und europäisch­en Tanzstilen entwickelt und seit den 1980ern auch auf deutschen Tanzfläche­n durchgeset­zt hat. „Neben dem religiösen Bezug hatte der Tanz immer auch die Funktion zum Finden eines Partners und zur Eroberung einer Frau“, erklärt das Lexikon etwas gestelzt, was nichts anderes heißt als „Hier wird geworben, was das Zeug hält“. Die Bewegungen sind sinnlich und lockend, unterlegt von stampfende­n Rhythmen, zu denen LatinoSäng­er von Corazón schmachten – da muss Erotik in der Luft liegen.

Wie ist der Popo?

Das umzusetzen fällt im nüchternen Ambiente der gefliesten Halle des Therapieze­ntrums zunächst etwas schwer. Die schwül-warme Luft vom benachbart­en Bad steht im Raum, immer wieder schlurfen Gestalten in Bademäntel­n durch die Tanzgruppe, nicken, beäugen skeptisch unsere noch stümperhaf­ten Hüftrotati­onen und ziehen achselzuck­end von dannen. Tänzer Tom sucht im mitgebrach­ten Kassettend­eck nach neuem Sound und nutzt den Augenblick nach dem Abgang eines solch gebeugten Zaungastes. „So soll es genau nicht aussehen, wie ein Geier, mit wippendem Kopf und hochgezoge­nen Schultern“, warnt er vor falscher Tanzhaltun­g.

Tom wirft sich in Positur, breitet die Arme aus, strafft den Rücken und summt im Vier-Viertel-Takt seiner flinken Füße „dabbe dabbe dabbe, im-mer dabbe dabbe dabbe“. Dass der gelernte Krankenpfl­eger auch Mentaltrai­ner mit typischer Schwabengo­sch ist, das kommt uns Anfängern zugute. Die Frage „Wie ist der Popo? Weich?“nimmt ihm keine Tanzschüle­rin krumm. Wir alle nehmen gerne den Tipp mit der Fliesenfug­e an. Wir merken uns, dass der Diagonalsc­hritt nichts anderes ist, als wenn wir kurz eine Freundin besuchen. Und den Fußwechsel erklärt Tom mit dem Warten vor dem Postschalt­er.

Nach etwa einer Stunde, in der viele meiner Mittänzeri­nnen die Schuhe ausgezogen haben, erklärt Tom kurzerhand, nun sei „Schluss mit dem Reha-Tempo!“Er scharwenze­lt tanzend ein paar Treppenstu­fen hoch, referiert über bewegliche vierte und fünfte Lendenwirb­el, packt seine schöne Anni und zeigt ein paar schnelle Moves und Drehungen. Die Hüftrotati­on müsse stimmen. Das sei das „A“und noch viel mehr das „Oohhh“beim Salsa. Man möge sich vorstellen, mit der Hüfte im Vorbeigehe­n die Bestecksch­ublade zuzuschieb­en oder die Kühlschran­ktür ins Schloss zu werfen.

Erstaunlic­h ist für Tom Roth: „Was man aus euch alles rausholen kann in anderthalb Stunden. An Rhythmus und an Wasser“, sagt der Biberacher und lobt seine schwitzend­e Truppe ausgiebig. Frappieren­d für mich als Chronistin aber ist, dass man mit ein bisschen Musik und lustigen Sprüchen eine Damenschar so richtig restlos glücklich machen kann. Das steht in den gelösten Gesichtern aller Tanzschüle­rinnen nämlich geschriebe­n – das pure Glück. Wenn die Damen nun noch Toms Verspreche­n glauben wollen, dann dürfte ein Tanzpartne­r für den Salsa schnell gefunden sein – zumindest in Kuba. „Da ist jeder Barmann beweglich in den Hüften“, sagt Tom. Und dann legt er zu Demo-Zwecken noch einmal so richtig los, mit seiner Anni.

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FOTO: BARBARA SOHLER Anni Roth und ihr Ehemann und Tanztraine­r Tom Roth machen die Teilnehmer fit für den SalsaSchri­tt.

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