Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Tierheim in Biberach hofft auf dickeres Finanzpols­ter

Vor allem die Kosten für Tierarzt und Personal sind angestiege­n

- Von Birga Woytowicz

BIBERACH - Fussel ist neun Jahre alt. Und putzmunter. Kaum betritt der Pfleger die Futterkamm­er, steht die Hündin in der Tür. Vor gut einem Monat noch unvorstell­bar: Da kam Fussel ins Tierheim, am Bauch mit Tumoren übersät, mit einem krummen Bein und lichtem Fell. Dass es dem Tier inzwischen so gut geht, hat es dem Kreistierh­eim in Biberach zu verdanken. Das stößt bei der Pflege jedoch an finanziell­e Grenzen und hat ein Maßnahmenp­aket geschnürt, das jetzt in den Kreisgemei­nden die Runde macht.

800 bis 1000 Tiere nimmt das Tierheim pro Jahr auf. Zwei Drittel davon sind Fundtiere. Deren Unterbring­ung und Pflege ist kommunale Pflichtauf­gabe. Seit 2011 gilt eine einheitlic­he Regelung: Pro Einwohner zahlen die Gemeinden eine jährliche Pauschale in Höhe von 60 Cent an das Tierheim. Zu wenig. In den letzten Jahren fuhr das Tierheim Verluste in Höhe von einigen Zehntausen­d Euro ein. Lediglich 2015 stand unter dem Strich ein Gewinn: „Der konnte nur durch eine größere Erbschaft erzielt werden“, erklärt Michaela Müller, Vorstandsm­itglied für Sonderaufg­aben. Erbschafte­n und Spenden seien jedoch unvorherse­hbar und daher keine planbare Größe in der Finanzplan­ung. Deswegen hat das Tierheim nun Anträge zur Anhebung der Einwohnerp­auschale um 40 Cent in die jeweiligen Gemeinderä­te eingebrach­t.

Zahl der Fundtiere stabil

Obwohl die Zahlen der Fundtiere im Verlauf der vergangene­n Jahre stabil geblieben sind, ist der Kostenberg gewachsen. Ein deutliches Plus gebe es bei den Ausgaben für Tierarzt und Personal: „Der Gesundheit­szustand, in dem die Tiere bei uns abgegeben werden, verschlech­tert sich“, sagt Müller. Besonders bei den Katzen sei es tragisch, ergänzt Petra Schefold, die Vorsitzend­e des Tierschutz­vereins. „Das gilt auch nicht nur für herrenlose Tiere.“Fussel hatte zwar ein Dach über dem Kopf, aber ihre Besitzer ignorierte­n ihr Leiden. Automatisc­h stiegen durch diesen und andere Fälle auch die Personalko­sten an, sagt Müller: „Der Pflegeaufw­and wird größer. Wir haben zehn Teilzeitmi­tarbeiter, die ihre Stunden aufgestock­t haben.“

Die Einwohnerp­auschale fließt nicht nur in die Pflegekost­en. Auch der Gebäudebet­rieb werde damit finanziert. Im aktuellen Zustand könne dieses aber nicht bleiben: Eine Sanierung sei längst überfällig, sagt Müller. Das Dach ist undicht, die Wände im Katzenbere­ich feucht und die Lüftungsan­lage müsste dringend erneuert werden. Außerdem möchte der Verein draußen bei den Ausläufen einen Stromansch­luss installier­en, damit der Platz im Winter problemlos mit Licht versorgt werden kann. „Und wenn es drin ist, würden wir eine energieeff­iziente Heizung anschaffen. Die alte arbeitet noch mit Öl.“

Die Kosten für die Sanierung liegen bei 185 000 Euro. Alleine kann das Tierheim diese Summer nicht aufbringen. Hier kommt die zweite Maßnahme ins Spiel: Ein Förderprog­ramm für die Sanierung von Tierheimen, bei dem das Land BadenWürtt­emberg 40 Prozent der Kosten übernimmt. „Den Antrag können wir selbst nicht stellen, das hat der Kreis getan. Als Antragstel­ler übernimmt er 30 Prozent.“Die übrigen 30 Prozent müsse das Tierheim über Rücklagen finanziere­n. Die Entscheidu­ng über die Förderung liege aber noch in der Hand des Regierungs­präsidiums. „Wir rechnen erst Ende November mit einem Ergebnis. Dringendes muss vorher schon gemacht werden“, erklärt Müller.Vielen Bürgern sei das Kostendile­mma des Tierheims nicht bewusst, stellt Petra Schefold immer wieder fest: „Die Menschen nehmen es als selbstvers­tändlich hin, dass der Kreis alles bezahlt. Viele erwarten auch, dass wir immer sofort handeln.“Dabei arbeiten die meisten ehrenamtli­ch beim Tierheim. Michaela Müller zum Beispiel schiebt über 30 Wochenstun­den. „Wir haben ja auch noch einen Hauptberuf, das vergessen viele.“

Das Tierheim lebt vom Engagement. Schon wer eine herrenlose Katze meldet, hilft dem Verein weiter. Dabei geht es um die Kastration­shilfe des Landkreise­s Biberach – die dritte Säule des neuen Konzepts. In diesem Jahr hat der Kreis die Fördersätz­e angehoben. Eine Erleichter­ung. „Damit müssen wir noch bis zu 70 Euro pro Kastration selbst bezahlen“, sagt Michaela Müller. Jede kastrierte Katze sei jedoch ein Erfolg: „Wir müssen das Elend der Tiere verringern. Das ist Realität.“Geht der Plan auf, sei man mit dem Gesamtkonz­ept zufrieden. Kostendeck­end sei die Lösung allerdings noch nicht: „Der Betrag, den wir selbst aufbringen müssen, liegt im unteren sechsstell­igen Bereich.“Eine weitere Anhebung der Einwohnerp­auschale sei denkbar, man wolle jedoch nicht vorpresche­n und sei um eine einvernehm­liche Lösung bemüht, so Müller.

Am Ende gehe es sowieso um das Wohl der Tiere. „Man hört oft, dass Leute nicht kommen, weil sie das Elend im Tierheim nicht mit ansehen wollen. Dabei kann die Aufnahme bei uns auch ein Sprungbret­t ins Leben für die Tiere sein.“Wie bei Fussel. Eine erste Interessen­tin war schon da. Und vielleicht kommt der Terrier bald in ein neues, richtiges Zuhause.

 ?? FOTO: BIRGA WOYTOWICZ ?? Einen Monat nach ihrer Abgabe im Tierheim geht es Fussel wieder gut. Petra Schefold, Vorsitzend­e des Tierschutz­vereins, ist froh über ihre Entwicklun­g.
FOTO: BIRGA WOYTOWICZ Einen Monat nach ihrer Abgabe im Tierheim geht es Fussel wieder gut. Petra Schefold, Vorsitzend­e des Tierschutz­vereins, ist froh über ihre Entwicklun­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany