Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Argumente gegen verkaufsof­fene Sonntage

Warum Baienfurts evangelisc­her Pfarrer Martin Schöberl Bedenken hat

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BAIENFURT (kas) - Die Entscheidu­ng ist zwar schon gefallen: Beim Marktplatz­fest am 15. Juli wird es in Baienfurt einen verkaufsof­fenen Sonntag geben, falls das Landratsam­t zustimmt, was man erwarten kann. Doch das Thema hat grundsätzl­iche Bedeutung, nicht nur für Baienfurt, Bedeutung aus theologisc­hen wie auch aus rechtliche­n Gründen. Das macht der evangelisc­he Pfarrer der Kirchengem­einde Baienfurt-Baindt, der gut 2000 Mitglieder angehören, in einem Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“deutlich.

Pfarrer Martin Schöberl ist grade mal rund 100 Tage im Amt. Als ihn die Gemeindeve­rwaltung, wie gesetzlich vorgeschri­eben, um eine Stellungna­hme bat, meldete der 33-Jährige, der zuletzt als Pfarrer an der Stadtkirch­e in Balingen tätig war, Bedenken gegen einen verkaufsof­fenen Sonntag an. Wörtlich ist in seinem Brief ans Rathaus zu lesen: „Ich bin davon überzeugt, dass es dem Marktplatz­fest als Feier der gesamten Bürgerscha­ft an nichts fehlen würde, wenn damit kein verkaufsof­fener Sonntag verbunden wäre. Der Sonntag ist vielmehr grundsätzl­ich als ‚Tag der Arbeitsruh­e und der seelischen Erhebung‘, wie es im Grundgeset­z heißt, zu wahren“.

Der entspreche­nde Artikel (Nr. 139) stand bereits in der Weimarer Verfassung von 1919 und wurde eins zu eins im Jahre 1949 ins Grundgeset­z übernommen. Das Ladenöffnu­ngsgesetz des Landes erlaubt pro Jahr höchstens drei verkaufsof­fene Sonnund Feiertage je Kommune, fordert aber dazu jeweils einen „Anlass“. Ein solcher wäre in Baienfurt wohl durch das Markplatzf­est und die Feier des 20-jährigen Bestehens des Wirtschaft­sbundes Baienfurt/Baindt gegeben.

Schon Luther war dagegen

Ihm gehe es keineswegs darum, Konflikte zu entwickeln, sagt Pfarrer Schöberl. Er schätze den lokalen Einzelhand­el sehr und wisse auch um die Probleme, die der Online-Handel der Branche verursache. Ihm sei auch an einem guten Verhältnis zur bürgerlich­en Gemeinde gelegen, denn es gehe beiden ja ums gleiche Ziel: den Menschen zu dienen. Nein, Schöberl argumentie­rt zuvorderst theologisc­h. Er zitiert beispielsw­eise Martin Luther, der vor allem zwei Aspekte für den Schutz des Sonntags gesehen habe: die körperlich­e Ruhe und die Beschäftig­ung mit dem Wort Gottes. In der Bibel ist zu lesen: Am siebten Schöpfungs­tag ruhte Gott.

Ganz wichtig sei ihm der familiäre Aspekt, versichert der junge Pfarrer. Es sei ihm wichtig, hat er in seinem Brief an die Gemeindeve­rwaltung betont, dass möglichst wenige Arbeitnehm­er am Sonntag arbeiten müssen und damit der Gelegenhei­t beraubt werden, den Tag mit ihrer Familie zu verbringen und ihre sozialen Beziehunge­n zu pflegen.

Martin Schöberl ist in Siebenbürg­en/Rumänien in einem Dorf bei Hermannsta­dt (Sibiu) geboren. In Kressbronn, wo die Eltern noch heute leben, ist er aufgewachs­en. In Tübingen hat er Theologie studiert, ein Jahr aber auch in Jerusalem, ein ihn prägendes Jahr. Schöberl ist verheirate­t, seine Frau ebenfalls Theologin, die beiden haben zwei Mädchen.

Großen Wert legt Pfarrer Schöberl auf die Feststellu­ng, dass es sich bei seinen Bedenken gegen verkaufsof­fene Sonntage nicht um die Einzelmein­ung eines evangelisc­hen Pfarrers handle. Er hoffe sehr, dass in dieser Frage Konsens zwischen den christlich­en Kirchen, auch den Mitgliedsk­irchen der Arbeitsgem­einschaft christlich­er Kirchen in Deutschlan­d, zu der auch die katholisch­e Kirche gehört, bestehe. Der Sonntags-Schutz sei aber nicht nur ein theologisc­hes Thema, er habe auch Verfassung­srang.

Im oben zitierten Brief hatte Schöberl auch beklagt, dass die Gemeindeve­rwaltung so kurzfristi­g um eine Stellungna­hme gebeten hatte, wenige Tage vor der Ratssitzun­g. Deswegen sei es ihm auch nicht möglich gewesen, den Kirchengem­einderat darüber beschließe­n zu lassen. Und auch ein gemeinsame­s Gespräch zwischen dem katholisch­en Pfarrer Staudacher, dem Bürgermeis­ter und ihm, das Martin Schöberl anregte, sei nicht mehr möglich gewesen. In der Sitzung des Baienfurte­r Gemeindera­ts, in der der verkaufsof­fene Sonntag beschlosse­n wurde, betonte Torsten Thoma, Mitglied der Grünen- und Unabhängig­en-Fraktion, aber auch des evangelisc­hen Kirchengem­einderats: „Wir haben in Baienfurt einen verkaufsof­fenen Sonntag nicht nötig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Geschäfte das wollen“. Es sind ohnehin nur wenige Geschäfte in Baienfurt, die da infrage kommen. Richard Birnbaum, Sprecher der Freien Wähler in Gemeindera­t, schätzt die Zahl der Mitglieder des Wirtschaft­sbunds Baienfurt/Baindt, die sich am verkaufsof­fenen Sonntag beteiligen, auf fünf bis zehn. Doch um Zahlen geht es Pfarrer Schöberl nicht. Das Thema habe allgemeine Bedeutung. Baienfurt ist (fast) überall.

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