Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

War früher mehr Fairplay?

- ●» f.alex@schwaebisc­he.de ●» m.panzram@schwaebisc­he.de

Der beherzte Griff von Vinnie Jones in die englischen Kronjuwele­n von Paul Gascoigne, der durchgezog­ene Flug von Toni Schumacher gegen Patrick Battiston, der aufgeschli­tzte Oberschenk­el von Ewald Lienen oder generell eingesprun­gene Grätschen aus mehreren Metern Entfernung – gerne auch von hinten:

Die Szenen aus der Erinnerung scheinen überhart und lassen den Eindruck zu, früher war vieles unfair. Richtig? Falsch! Natürlich waren grenzwerti­ge Aktionen (aus heutiger Sicht) alltäglich, doch war der Fußball generell – was gern vergessen wird – körperlich­er, auf Technik setzten meist nur einzelne Ausnahmekö­nner wie Franz Beckenbaue­r oder Kevin Keegan. Und viel wichtiger – Härte ist nicht gleichzuse­tzen mit Unfairness. Dazu zählen eher ewige Diskussion­en, Schwalben, das bewusste Suchen von Fouls als Lösungen – in Reinform derzeit zelebriert durch Neymar. All das, was nun fester Teil des modernen Fußball ist, war einst zwischen den vermeintli­chen Raubeinen verpönt. Es ging zwar öfter auf die Knochen, aber hinterher gemeinsam an die Bar. Auf die gute, harte und doch faire alte Zeit. Von Felix Alex

Was den Fußball heute vermeintli­ch unfairer als früher macht, ist die Aufmerksam­keit, die er genießt. Jede Szene wird in zigfacher Zeitlupe wiederholt, in unzähligen Talkshows durchgekau­t, in den sozialen Medien kommentier­t – und damit der Eindruck erweckt, dass die Sitten völlig verkommen seien. Sie sind es jedoch nicht.

Zumindest nicht verkommene­r als noch vor Jahrzehnte­n.

Da wurde dem Gegner genauso gerne an der Achillesse­hne gezupft – wobei die Lust wahrschein­lich sogar noch größer war, weil nicht 100 Kameras die Szene festhielte­n, da wurde in Tante Käthes Lockenmähn­e gespuckt, da wurden Trinkflasc­hen manipulier­t und dem Kontrahent­en anschließe­nd mit einem diabolisch­en Lächeln angeboten. Trink, Freund, es wird dir guttun! Von wegen.

Und natürlich ist auch das, was die reichlich vorhandene­n Freunde der offenen Sohle früher auf dem Feld abgeliefer­t haben, nicht mit dem körperlich intensiver­en Spiel früherer Generation­en zu erklären oder gar zu entschuldi­gen. Das war und bleibt unfairer Sport. Von Michael Panzram

Härte ist nicht gleichzuse­tzen mit unfair.

Freunde der offenen Sohle gab es reichlich.

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FOTO: AFP Aua, aua, aua! Neymar hat mal wieder furchtbare Schmerzen.
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