Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
87 Jahre nach Aussem und Krahwinkel
Kerber und Görges im Viertelfinale von Wimbledon – Chancen auf mehr stehen gut
LONDON (dpa/SID) - Jetzt rückt sogar ein deutsches Wimbledon-Endspiel immer näher: Die beiden besten deutschen Tennisspielerinnen haben beim Klassiker in London fast im Gleichschritt das Viertelfinale erreicht. Nur 25 Minuten nachdem Julia Görges durch ein 6:3, 6:2 gegen die Kroatin Donna Vekic ihr erstes Grand-SlamViertelfinale erreicht hatte, folgte Angelique Kerber durch ein 6:3, 7:6 (7:5) gegen Belinda Bencic (Schweiz). In einer Wimbledon-Auflage voller Überraschungen haben beide nun die Chance auf einen Coup: Je zwei Siege trennen sie auf den berühmten Rasenplätzen von einem Duell gegeneinander um die wohl begehrteste Trophäe im Tennis. Ein deutsches WimbledonEndspiel bei den Damen hat es bisher nur 1931 gegeben – zwischen Cilly Aussem und Hilde Krahwinkel.
Die frühere Finalistin Kerber verdiente sich gegen Bencic mit ihren Defensivkünsten, der größeren Konstanz, aber auch Glück den Erfolg. „Es war ein wirklich schweres Match. Ich habe versucht, mein bestes Tennis zu spielen“, sagte die zweimalige GrandSlam-Siegerin nach dem verwandelten zweiten Matchball. „Ich versuche, nicht links und rechts zu schauen.“
Görges wirkte nach ihrem souveränen Sieg über Vekic, als könne sie selbst nicht recht glauben, was ihr gelungen war. Die 29-jährige Bad Oldesloerin („Ich habe das nicht erwartet, ehrlich!“) bekommt es im Kampf um das Halbfinale mit der Niederländerin Kiki Bertens zu tun. Die ehemalige Nummer 1 Kerber trifft auf die Russin Darja Kassatkina. Erstmals seit 2014 (damals Kerber und Sabine Lisicki) mischen im Viertelfinale in London noch zwei deutsche Frauen mit.
Den Montag der zweiten Woche, an dem nur in Wimbledon alle Achtelfinalpartien ausgetragen werden, nennen die Engländer gern „Manic Monday“. Normalerweise spielen dann alle Favoriten, bei den Frauen aber haben so gut wie alle Wimbledon bereits verlassen (müssen). Am Montag nun scheiterte auch Karolina Pliskova an der nächsten Gegnerin von Görges, Kiki Bertens. Zum ersten Mal in der Wimbledon-Geschichte steht bei der 132. Auflage keine Spielerin aus den ersten Zehn der Setzliste im Viertelfinale. Die an Nummer 11 und 13 gesetzten Kerber und Görges sind neben der Lettin Jelena Ostapenko (Nr. 12) die am höchsten notierten Spielerinnen in der Runde der letzten acht.
Die 21-jährige Bencic, einst Nummer 7 der Welt, beschäftigte Kerber zunächst mit druckvollem Grundlinienspiel. Zum 1:3 im ersten Satz musste die Kielerin ihren Aufschlag abgeben, ließ sich aber nicht von ihrem Weg abbringen und verlor kein weiteres Spiel mehr in diesem Durchgang. Die Linkshänderin variierte geschickt, profitierte jetzt aber auch von zahlreichen vermeidbaren Fehlern der Schweizerin. In allen drei offiziell gezählten Duellen hatte sich Kerber zuvor Bencic geschlagen geben müssen. Diesmal wehrte sie im zweiten Durchgang vier Satzbälle ab und rettete sich in den Tiebreak, in dem sie sich den Erfolg erkämpfte. Wirklich erkämpfte: Die 30-Jährige setzte jedem Ball entschlossen nach und brachte ihre Gegnerin mit hervorragenden Schlägen aus der Defensive heraus immer wieder in Bedrängnis. Weil sich die nach zahlreichen Verletzungen wiedererstarkte Bencic jedoch nach Kräften wehrte, wogte das Match hin und her.
Julia Görges wehrte gegen die von Kerbers Ex-Coach Torben Beltz trainierte Vekic alle neun Breakbälle gegen sich ab. Die erste Chance zum Viertelfinaleinzug ließ die Weltranglisten-13. noch aus, beim zweiten Matchball landete eine Rückhand Vekics im Netz. Nach 1:17 Stunden jubelte Julia Görges. Und befand später lächelnd: „Es ist wirklich nett.“