Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Milliarden­paket für Mütter und Frührentne­r

Hubertus Heil stellt Konzept gegen Altersarmu­t vor – Kritik von Arbeitgebe­rn, Lob vom DGB

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Aufschlag von Hubertus Heil, der Bundesarbe­itsministe­r präsentier­te am Freitag in Berlin sein großes Rentenpake­t zur Vermeidung von Altersarmu­t: knapp 40 Milliarden für ältere Mütter, Erwerbsgem­inderte und Geringverd­iener, zugleich stabiles Rentennive­au und stabile Beiträge. Unbezahlba­re Geschenke zulasten der Jüngeren und ein Sprengsatz für die Generation­engerechti­gkeit? Der Minister und SPD-Politiker winkt ab: „Ich kenne keine Oma, die ihrem Enkel die Zukunft verbauen will. Und ich kenne kein Enkel, der seiner Oma nicht eine ordentlich­e Altersabsi­cherung gönnt.“Heils Mission: „Nach einem Leben voller Arbeit soll man im Alter ordentlich abgesicher­t sein.“

Ob das mit dem schwarz-roten Rentenpake­t wirklich zu erreichen ist, daran gibt es erhebliche Zweifel. „Teuer und ungerecht“lautet die Fundamenta­lkritik, die Arbeitgebe­rHauptgesc­häftsführe­r Steffen Kampeter am Freitag äußert. Zustimmung kommt dagegen von den Gewerkscha­ften.

3,7 Milliarden für Mütterrent­e

Teuerster Baustein in Heils Paket ist die Ausweitung der Mütterrent­e (Mütterrent­e II) auf Frauen, die vor 1992 Kinder zur Welt gebracht haben. 3,7 Milliarden Euro kostet das pro Jahr, jede vierte heutige Rentnerin erhält künftig mehr. Eine gezielte Armutsvorb­eugung gelinge dadurch aber nicht, sagen Experten, weil auch viele Frauen mit hohen Renten und wohlhabend­en Partnern profitiere­n. Als „absurd“betrachtet FDP-Rentenfach­mann Johannes Vogel das Instrument.

100 Millionen Euro im Jahr werden die Verbesseru­ngen für diejenigen kosten, die wegen Krankheit in Frührente gehen müssen. Die Betroffene­n werden künftig so gestellt, als hätten sie bis zum normalen Rentenalte­r gearbeitet. Bis 2025 werden die Ausgaben für die Erwerbsmin­derungsren­te allerdings auf eine Milliarde Euro jährlich ansteigen. Hinzukomme­n die Entlastung­en für Geringverd­iener. Sie sollen die vollen Sozialabga­ben erst ab einem Verdienst von 1300 statt bislang 850 Euro zahlen – ohne jedoch Einbußen bei der Rente hinnehmen zu müssen. Die Rentenaufs­tockung durch den Staat wird weitere 200 Millionen Euro pro Jahr kosten.

„Mit dem Rentenpake­t schaffen wir Sicherheit für ein gutes Leben“, verspricht Arbeitsmin­ister Heil und betont, dass die gesetzlich­e Rentenvers­icherung die „tragende Säule“bleiben müsse. Um den Menschen die Sorge vor zu geringen Altersbezü­gen und vor zu hohen Beiträgen zu nehmen, greift der Minister in die Rentenanpa­ssungsform­el ein. Das Niveau soll so bis 2025 bei 48 Prozent gehalten und die Beiträge auf maximal 20 Prozent gedeckelt werden. Auch das wird teuer – zehn Milliarden Euro bis 2025. Acht Milliarden Euro hat Bundesfina­nzminister Olaf Scholz dafür im Haushaltsg­esetz eingeplant, sie sollen in einem Demografie-Fonds angespart werden. Hinzu kommen zwei Milliarden Euro aus dem Haushalt des Bundesarbe­itsministe­riums. Der Fonds wird „im Fall unvorherge­sehener Entwicklun­gen“angezapft.

Heil: Mittel für sozialen Frieden

Die Gesamtkost­en des Paketes bis 2025: 31,7 Milliarden Euro. Viel Geld, um Verlässlic­hkeit zu schaffen, sagt Heil. Das sei auch eine wichtige Reaktion auf Versuche, die Gesellscha­ft zu spalten und sozialen Unfrieden zu stiften.

Rückendeck­ung kommt vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund. DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach begrüßte, dass der „automatisc­he Rentensink­flug“gestoppt werde. Heil habe „einen Wendepunkt in der Rentenpoli­tik eingeleite­t“, erklärte Katja Mast, SPDRentene­xpertin und Mitglied der Rentenkomm­ission. Die Verbesseru­ngen für Mütter, Frührentne­r und Geringverd­iener seien „sehr zu begrüßen“, sagte Peter Weiß (CDU), arbeitsmar­ktpolitisc­her Sprecher der CDU/CSU-Bundestags­fraktion.

Nach der Sommerpaus­e soll das Kabinett Heils Gesetzentw­urf bestätigen, dann muss es durch den Bundestag. Zum 1. Januar 2019 sollen die Maßnahmen in Kraft treten.

Strittig ist noch, ob die zusätzlich­en Lasten hauptsächl­ich vom Beitragsza­hler gestemmt werden müssen oder überwiegen­d vom Steuerzahl­er. Letzteres verlangten gestern abermals die Deutsche Rentenvers­icherung und die Arbeitgebe­r.

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