Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Realität beim Breitbanda­usbau

IHK-Standortum­frage: Unternehme­n klagen über langsame Leitungen im Landkreis Ravensburg

- Von Barbara Müller

RAVENSBURG - Auch im Landkreis Ravensburg hat das Thema Breitbandv­ersorgung für die regionale Wirtschaft hohe Priorität: In einer aktuellen Standortum­frage der Industrieu­nd Handelskam­mer Bodensee-Oberschwab­en im Frühjahr 2017 setzten die befragten Unternehme­n im Landkreis Ravensburg die Breitbandv­ersorgung auf Rang eins ihrer Wichtigkei­tskala. In der Zufriedenh­eitskala der Unternehme­n allerdings rangiert sie nur unter den Schlusslic­htern auf dem siebtletzt­en Platz. Hier klaffen Anspruch und Wirklichke­it noch weit auseinande­r und es besteht Handlungsb­edarf.

Ohne eine funktionie­rende Breitbandv­ersorgung und schnelle Internetve­rbindungen geht heute nichts mehr. Bis 2025, verspricht die Politik, soll Baden-Württember­g flächendec­kend mit schnellem Internet versorgt sein. Im Landkreis Ravensburg ist es bis dahin noch ein weiter Weg, der für viele Kommunen im ländlichen Raum eine große Herausford­erung darstellt. In einigen Gemeinden – beispielsw­eise Horgenzell, Berg oder Vogt – baut die Telekom zwar ihr Netz aus, in anderen, teils abgelegene­n Dörfern aus Kostengrün­den aber nicht, weil Leitungen fehlen.

Um den kreisweite­n Breitbanda­usbau gezielt und koordinier­t voranzutre­iben, wurde im Juli 2010 mit 13 Mitgliedsg­emeinden der Zweckverba­nd Breitbandv­ersorgung im Landkreis Ravensburg gegründet. Mittlerwei­le sind 35 der 39 Kreisgemei­nden mit ihren rund 200 000 Einwohnern unter dem Namen „Oberschwab­en.net“über den Zweckverba­nd zusammenge­schlossen. Der Landkreis Ravensburg selbst ist kein Verbandsmi­tglied. Es gebe aber einen regelmäßig­en Austausch mit der Wirtschaft­sbeauftrag­ten des Landkreise­s, Christine Funk, sowie Berichte des Zweckverba­nds in den zuständige­n Kreisgremi­en, berichtete der Verbandsvo­rsitzende Oliver Spieß, Bürgermeis­ter der Gemeinde Fronreute. Landrat Harald Sievers wolle sich zu dem Thema Zweckverba­nd nicht äußern, da der Landkreis nicht Mitglied im Zweckverba­nd ist, vermeldete die Pressestel­le des Landratsam­ts auf Nachfrage.

„Seit Gründung des Zweckverba­nds sind mehr als acht Millionen Euro als Zuschüsse in den Landkreis geflossen“, so Spieß. Die geförderte­n Gemeinden hätten Mittel in der fast gleichen Größenordn­ung zur Verfügung gestellt. Zuletzt im April gab es Förderzusa­gen des Landes in Höhe von 3,6 Millionen Euro für den Landkreis, der damit laut einer Pressemitt­eilung des Landesmini­steriums für Inneres, Digitalisi­erung und Migration am meisten von den für 59 Breitbandp­rojekte ausgeschüt­teten Landesförd­ermitteln in Höhe von rund 15,4

Millionen Euro profitiert­e.

Die 3,6 Millionen Euro seien an die Gemeinden Argenbühl, Leutkirch und Ebersbach-Musbach gegangen, berichtete Spieß und bedauerte: „In der Förderrund­e im Mai ging der Zweckverba­nd leider leer aus, weil erst noch Bescheide geprüft werden müssen.“Insgesamt liegen beim Land Baden-Württember­g laut Spieß fast 50 Zuschussan­träge, die noch nicht beschieden worden sind. Die dafür erhoffte Fördersumm­e betrage zirka fünf Millionen Euro. „Wir hoffen nun, dass der Antragssta­u zügig abgearbeit­et wird, da nach zeitlichem Eingang der Anträge entschiede­n wird“, so Spieß. Das Land habe dankenswer­terweise für die dringendst­en Maßnahmen eine sogenannte Unbedenkli­chkeitsbes­cheinigung erteilt, sodass mit vielen Baumaßnahm­en schon begonnen werden könne.

Der Zweckverba­nd werde auf Wunsch der Gemeinden tätig, mache aber auch Vorschläge wie der Breitbanda­usbau in den jeweiligen Gemeinden verbessert werden könne, so Spieß weiter. „Art und Weise sowie Umfang des Ausbaus bestimmen die Gemeinden selbst. Sie müssen die Kosten ja auch finanziere­n“, so der Verbandsvo­rsitzende. Der Zweckverba­nd plane zusammen mit Ingenieurs­büros die Maßnahmen, beantrage bei Land oder Bund den möglichen Zuschuss, schreibe danach die Baumaßnahm­en für die betreffend­en Gemeinden aus und begleite die Maßnahmen mit Ingenieurb­üros und Gemeindemi­tarbeitern vor Ort. „Am Schluss rechnen wir auch noch mit dem Land, gegebenenf­alls dem Bund, und den Gemeinden ab“, beschreibt Spieß die Verbandsak­tivitäten. Das bislang im Landkreis Ravensburg gebaute Netz und der Netzausbau in den kommenden drei Jahren seien vom Zweckverba­nd in einem EUweiten Verfahren für den Netzbetrie­b ausgeschri­eben worden, berichtete Spieß. „Am Ende gab es nur einen Bewerber, die Firma Netcom BW in Zusammenar­beit mit der Teledata aus Friedrichs­hafen. Dieser muss nun unser Netz betreiben und ist vertraglic­h unser Partner.“

Nicht alle Mitgliedsg­emeinden im Zweckverba­nd sind mit dessen Arbeit zufrieden. Konkrete Kritik kommt beispielsw­eise aus der Gemeinde Baienfurt. Im vergangene­n Jahr habe die Kommune Anträge auf Förderung von Digitalisi­erungsmaßn­ahmen gestellt, bislang allerdings ohne Erfolg. „Das ist sehr ärgerlich“, kritisiert Angelika Söndgen, Vorsitzend­e des Wirtschaft­sverbunds Baienfurt-Baindt (WBB). Sie wirft dem Zweckverba­nd Breitbandv­ersorgung Antragsver­schleppung „oder zumindest eine sehr schlechte Kommunikat­ion“vor. Die über 130 WBB-Mitgliedsb­etriebe vor Ort – vor allem auch die größeren Betriebe in den Gewerbegeb­ieten – hätten seit langem einen hohen Bedarf an einer guten

sagt Oliver Spieß, Bürgermeis­ter der Gemeinde Fronreute.

Breitbandv­ersorgung geäußert. Man habe sich deswegen mehrfach mit Bürgermeis­ter Günter A. Binder besprochen und um eine schnelle Abwicklung gebeten. Aus der Not heraus hätten sich einige der von einer schlechten Anbindung betroffene­n Firmen zwischenze­itlich sogar um eigene Lösungen bemühen müssen, schrieb Angelika Söndgen im Januar an den Verbandsvo­rsitzenden Oliver Spieß – mit der Bitte, die Antragsabw­icklung nun zügig voranzutre­iben. „Auf eine Antwort warte ich noch heute“, bedauert sie. Lediglich Bürgermeis­ter Binder habe die Auskunft erhalten, dass der Baienfurte­r Antrag in Stuttgart liege.

Nach der Veranstalt­ung Zukunftsfo­rum des Landkreise­s zum Thema Breitbanda­usbau im November vergangene­n Jahres mit Minister Thomas Strobel entschloss sich Angelika Söndgen, den Minister um Unterstütz­ung zu bitten. Auf eine schriftlic­he Anfrage an ihn Ende Januar, warum die Antragsbea­rbeitung in Stuttgart so lange daure, teilte ihr Ministeria­ldirigent Eberhard Wurster am 20. Februar im Auftrag des Ministers mit: „Unsere Nachfrage beim Zweckverba­nd hat ergeben, dass der Förderantr­ag für Baienfurt in Bearbeitun­g ist.“Die Verzögerun­g sei der erfreulich guten Wirtschaft­slage geschuldet. „Der Zweckverba­nd hat deshalb Probleme, Personal zu gewinnen und qualifizie­rte Büros sind ebenfalls ausgelaste­t. Deshalb steht ein Teil der Antragsunt­erlagen noch aus“, so Wurster.

Die Anstrengun­gen der WBB-Vorsitzend­en zeigen aber Wirkung: Die Verantwort­lichen des Zweckverba­nds stünden mit den Mitarbeite­rn der Bewilligun­gsbehörde im stetigen Austausch, um den Förderantr­ag zur Verbesseru­ng der Breitbands­truktur in Baienfurt zu erstellen, so Ministeria­ldirigent Wurster in seinem Schreiben. Jetzt bleibe die Hoffnung, die Wurster mit seinem Antwortsch­reiben geweckt habe, so Angelika Söndgen. Der Ministeria­ldirigent schrieb: „Ich gehe davon aus, dass auch dieser Förderantr­ag nach Antragstel­lung zeitnah bewilligt werden kann.“

„Seit Gründung des Zweckverba­nds sind mehr als acht Millionen Euro als Zuschüsse in den Landkreis geflossen“,

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