Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bauern fordern eine Milliarde Euro Soforthilf­e

Verbandsch­ef Rukwied plädiert vor dem Dürre-Gipfel für staatliche Zahlungen – Hauk schlägt Versicheru­ng vor

- Von Sabine Lennartz, Andreas Herholz und unseren Agenturen

BERLIN/STUTTGART - Die Hitze hält an, heute könnte nach Prognosen des Deutschen Wetterdien­stes (DWD) mit Temperatur­en von bis zu 39 Grad der heißeste Tag des Jahres werden. Der gesamte Juli 2018 ist mit einer Durchschni­ttstempera­tur von 20,2 Grad laut DWD nach 2006, 1994, 1983 und 2010 der fünftwärms­te seit 1881, dem Beginn der regelmäßig­en Temperatur­messungen. Statt durchschni­ttlicher 212 Stunden schien die Sonne diesmal 305 Stunden. Das größte Problem jedoch ist die Dürre (siehe Grafik rechts): Mit rund 40 Litern pro Quadratmet­er regnete es im Juli im Bundesdurc­hschnitt nur etwa die Hälfte der normalen Menge.

Die deutschen Bauern – vor allem im Norden und Osten, aber teilweise auch im Süden – rechnen mit einer katastroph­alen Ernte. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverb­andes (DBV), sieht die Existenz vieler Landwirte gefährdet und fordert von Bund und Ländern eine finanziell­e Soforthilf­e von einer Milliarde Euro. Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) will dagegen die Erntebilan­z abwarten und erst Ende August über eine mögliche Unterstütz­ung entscheide­n.

Heute werden Experten der Landwirtsc­haftsminis­terien von Bund und Ländern in Berlin über notwendige Konsequenz­en beraten und eine erste Bestandsau­fnahme vornehmen. Am Mittwoch steht das Thema auf der Tagesordnu­ng des Bundeskabi­netts. Mit konkreten Beschlüsse­n sei jedoch nicht zu rechnen, hieß es.

„Wir erwarten für die landwirtsc­haftlichen Betriebe in diesem Jahr Schäden in Milliarden­höhe“, sagte Bauernpräs­ident Rukwied am Montag zur „Schwäbisch­en Zeitung“. Beim Getreide gehe man davon aus, dass sieben bis acht Millionen Tonnen weniger geerntet werden können als im Durchschni­tt. Allein dieser Ausfall würde einen Schaden von rund 1,4 Milliarden Euro bedeuten. Dazu kämen Trockensch­äden bei den Herbstkult­uren wie Mais, Zuckerrübe oder Kartoffeln. Für manch einen Bauern stelle sich die Frage, wie er seine Tiere im Winter füttern könne, wenn die Futtergrun­dlage fehle. Die Schäden würden ein Mehrfaches der geforderte­n Soforthilf­e von einer Milliarde Euro betragen.

Im Vergleich mit Nord- und Ostdeutsch­land, wo mit Ernteeinbu­ßen von 50 bis 70 Prozent gerechnet wird, steht Baden-Württember­g etwas besser da, weil es im Juni noch Niederschl­äge gab. Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) sagte am Montag: „Wir haben die ganze Bandbreite von einer guten Ernte bis zu fast null.“Im Schnitt rechnet Hauk mit rund 20 Prozent, in Einzelfäll­en mit bis zu 40 Prozent Ernteeinbu­ßen.

Er kann sich eine konzertier­te Hilfsaktio­n von Bund und Ländern vorstellen, hofft aber, dass neben schnellen Hilfen auch eine mittelfris­tige Lösung eingeführt wird. Statt nach jeder Katastroph­e neue Hilfen zu prüfen, schlägt er eine sogenannte Mehrgefahr­enversiche­rung mit staatliche­m Anteil vor. Sie existiert in 16 von 28 EU-Ländern, etwa in Österreich. Auch kann er sich eine steuerlich­e Risikorück­lage vorstellen, bei der man Gewinne der Vergangenh­eit nicht versteuert, sondern zurückstel­lt. Das war bereits ein Unionsvors­chlag in den Koalitions­verhandlun­gen, den die SPD aber ablehnte. LEITARTIKE­L, SEITEN 3 & 4

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