Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Streiten, aber richtig

- Von Sabine Lennartz ●» s.lennartz@schwaebisc­he.de

Allzu viele Menschen wenden sich gerade angewidert von der Politik und den Parteien ab. Das liegt vielleicht an den Sommerferi­en und der Hitze, bestimmt aber auch am Verdruss über das immer wieder Gleiche. Dieser oder jener Politiker sagt, tut oder unterlässt etwas, es wird zu viel angekündig­t und kritisiert – und zu wenig umgesetzt. Dabei wächst die Sehnsucht nach neuen und großen Ideen, nach einem Bild davon, wie es morgen in Deutschlan­d aussehen soll. Es wird viel zu oberflächl­ich diskutiert, viel zu wenig um die richtige Lösung gestritten – und verheerend wenig erklärt, von denen, die es könnten.

Das ist mit Sicherheit der schwerste Fehler Angela Merkels, die zwar oft das Richtige tut, aber keine Worte findet, es plausibel zu machen. Viele Deutsche machen sich Sorgen, wie die Zukunft ihrer Kinder aussieht, sie wollen keine Fremdenfei­ndlichkeit in Deutschlan­d, aber auch keine Zuwanderun­g ohne Grenzen. Warum nur beschreibt niemand den Weg, wie man in eine offene Gesellscha­ft geht, die trotzdem ihre Werte behält? Warum legt Horst Seehofer seinen – unter dem Strich vernünftig­en – Masterplan vor und streitet monatelang über einen einzigen Punkt, statt seine Politik umzusetzen, wie es in seiner Macht stünde? Warum muss die Sprache ständig zugespitzt und verroht werden, um Schlagzeil­en zu produziere­n? Vom Unrechtsst­aat bis zum Asyltouris­mus? Warum versuchen es die, die überhaupt reden, nicht mit ruhigen Worten?

Ja, auch manche Medien tragen Verantwort­ung für manche Auswüchse im immer schnellere­n Nachrichte­ngeschäft. Aber statt politische­r Konkurrenz oder Medien eilig Schuld zuzuweisen, lohnte ein Blick auf eigene Defizite. Es fehlen die Auseinande­rsetzungen in der Sache und über die Themen, die die Menschen wirklich interessie­ren: Pflege, Bildung, Gesundheit, Alter, Renten.

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hat kürzlich gewarnt, die Demokratie werde nicht durch ihre Feinde gefährdet, sondern durch jene, die sie zu wenig verteidige­n. Er hat recht. Nicht stille Verachtung, sondern reden und streiten – und am Ende handeln – ist das Gebot der Stunde.

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