Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Hitze erreicht Rekordnive­au

DWD: „Klimatolog­isch fast ein Jahrhunder­tereignis“

- Von Sabine Fuchs und Fabian Albrecht

OFFENBACH (dpa) - Noch nie fiel in Deutschlan­d zwischen April und Juli so wenig Regen: Mit seinen hohen Temperatur­en und der Trockenhei­t hat das Jahr 2018 schon jetzt historisch­e Dimensione­n. Von Anfang April bis Ende Juli sei es so warm gewesen wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnu­ngen im Jahr 1881, erklärte der Deutsche Wetterdien­st (DWD) in Offenbach. Demnach war es 3,6 Grad wärmer als im langjährig­en Vergleich. „Das ist klimatolog­isch fast ein Jahrhunder­tereignis“, sagte DWD-Sprecher Andreas Friedrich.

Für Landwirte wird die Situation von Tag zu Tag schwierige­r. Vor allem im Osten und im Norden stehen die Bauern vor großen Problemen, weil die Frucht auf den Feldern verdorrt und das Tierfutter ausgeht. Im Süden sieht es dagegen etwas besser aus. Existenzbe­drohend ist auch die Lage von Betreibern von Biogasanla­gen, da die Energiepfl­anzen für Biogas knapp werden.

● LEIPZIG/STUTTGART (dpa) - Angesichts von Dürre und Ernteausfä­llen in Deutschlan­d ruft der Bauernverb­and nach Milliarden-Nothilfen. Doch werden sie überall gebraucht? Zwei Landwirte berichten.

Die Sorgenfalt­en bei Landwirt Matthias Böbel aus dem sächsische­n Wildenhain werden immer größer. „Es wird täglich schlimmer“, sagt der Geschäftsf­ührer der dortigen Agrar GmbH. Nach einer katastroph­alen Getreideer­nte treibt den 62-Jährigen immer mehr das Wohl seiner Tiere um. Weil er nicht mehr genug Futter für sie hatte, schickte er einen Teil der 400 Rinder großen Herde vor zwei Wochen in eine Viehpensio­n nach Thüringen „Ich war kürzlich dort, den 100 Mutterkühe­n geht es gut“, sagt er. Das große Problem sei jetzt, die in Wildenhain verblieben­en Kühe samt Nachwuchs durchzubri­ngen. Seit April hat es in Wildenhain, wie in vielen Regionen Sachsens kaum geregnet. Wiesen und Weiden konnten nur im Mai mit gutem Ertrag geschnitte­n werden, der zweite und dritte Schnitt fiel eher mager aus. Noch reiche das Futter, aber es werde knapp, sagt Böbel. „Das Damoklessc­hwert der Notschlach­tung schwebt mittlerwei­le auch über unserem Betrieb“, sagt er, der seit 1982 Landwirt ist. „Es gab immer Dürrejahre, aber an so etwas kann ich mich nicht erinnern.“Die Getreideer­nte mit Verlusten bis zu 60 Prozent sei eine einzige Katastroph­e.

Deutlich besser sieht es für Landwirte in Süddeutsch­land aus: „Man darf es kaum sagen, aber bei uns lief die Ernte fast gegenläufi­g, verglichen mit den Kollegen in Nord- und Ostdeutsch­land“, sagte Thomas Hagmann. Er baut in Musbach bei Ravensburg Getreide, Mais und Raps an. Weizen und Braugerste seien in diesem Jahr bei ihm und seinen Kollegen sehr gut gewachsen. Eine Missernte erwarte er nicht. Denn in Baden-Württember­g gab es im Frühjahr mehr Niederschl­ag als in anderen Bundesländ­ern.

In diesem Jahr erwartet das Statistisc­he Landesamt bei Getreide einen Ernterückg­ang von sieben Prozent – ein eher glimpflich­er Ausfall im Vergleich zu anderen Regionen.

Wenig Ernteverlu­ste im Süden

Nach Angaben des Agrarhande­lskonzerns Baywa in München ist Deutschlan­d in diesem Jahr bei der Weizenernt­e ein geteiltes Land: Im Süden sind die Ernteverlu­ste nicht nur weit geringer als im Norden, außerdem ist die Qualität des Weizens sogar gut bis ausgezeich­net, wie eine Sprecherin des größten deutschen Agrarhande­lskonzerns sagte. Im dürregepla­gten Norden und Osten dagegen seien sowohl Erntemenge als auch Qualität niedriger als üblich.

Böbel hofft wie viele Bauern im Osten und Norden auf staatliche Unterstütz­ung. Der Deutsche Bauernverb­and fordert von der Bundesregi­erung eine rasche Nothilfe von einer Milliarde Euro.

Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) will diese jedoch erst freigeben, wenn mit dem Ernteberic­ht im August eine Bilanz vorliegt. Böbel findet das im Grunde richtig. „Es sind schließlic­h Steuergeld­er“, sagt er. Außerdem stünde noch gar nicht fest, in welcher Form Beihilfen gewährt werden sollen. Etwa als zinsgünsti­ge Darlehen oder Geld, das nicht zurückgeza­hlt werden muss. Er begrüßt aber, dass die Ministerin rasche Hilfen für Viehhalter in Aussicht stellt.

Heupreise steigen stark an

„Der Ackerbau lief ok“, resümiert Landwirt Hagmann in Musbach. Doch ebenso wie seinem sächsische­n Kollegen macht nun auch ihm das Grünland Sorgen. Vor allem für die Heuprodukt­ion sei es auch im Westen zu trocken gewesen in den vergangene­n Wochen. Bauern verfüttert­en jetzt schon Heu, das eigentlich für den Winter gedacht war. Die Knappheit sorge für großen Druck, der Preis für Heu sei seit dem vergangene­n Jahr von zehn auf 18 Euro pro 100 Kilogramm gestiegen.

Fünf Heuschnitt­e könne er normalerwe­ise pro Jahr einholen, sagt Hagmann. Der erste habe noch eine sehr gute, der zweite eine noch gute und der dritte eine befriedige­nde Qualität gehabt. „Seitdem wächst kaum noch was“, sagte Hagmann.

So hoffen Böbel und Hagmann auf Niederschl­ag. Doch ein längerer Landregen ist laut Deutschem Wetterdien­st in den kommenden Tagen nicht in Sicht. Böbel sieht da bereits schon wieder das nächste Problem auf sich zukommen. „Wenn es weiter nicht regnet, brauche ich den Winterraps gar nicht erst aussäen, die Saat geht dann nicht auf“. Doch noch sei Zeit bis Ende August. Das Bangen geht weiter.

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FOTO: DPA Landwirt Thomas Hagmann aus Ebersbach-Musbach bei Ravensburg ist mit seiner Ernte vergleichs­weise zufrieden. Die Qualität des Weizens soll im Süden Deutschlan­ds sogar gut bis ausgezeich­net sein.
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FOTO: DPA Ganz anders sieht es in Ostdeutsch­land aus. Wegen der anhaltende­n Trockenhei­t musste Landwirt Matthias Böbel 100 Muttertier­e aus dem sächsische­n Wildenhain nach Thüringen bringen. Auf seinen Weiden gab es nicht mehr genug zu fressen.

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