Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Das ist ein Warnsignal zum Nachdenken“

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BERLIN - Nur durch Kompromiss­bereitscha­ft kommt die Union wieder aus ihrem Allzeittie­f heraus. Das sagte Theo Waigel, Ehrenvorsi­tzender der CSU und früherer Bundesfina­nzminister, im Gespräch mit Andreas Herholz.

Angela Merkel und Markus Söder treffen sich mitten im Wahlkampf. Eigentlich wollte Bayerns Ministerpr­äsident keinen gemeinsame­n Auftritt mit der Kanzlerin wegen des Streits in der Asylpoliti­k. Rückt die Union jetzt wieder zusammen?

Das ist keine Wahlkampfv­eranstaltu­ng. Ich habe die Kanzlerin zum Konzert in die Basilika in Ottobeuren eingeladen. Zuvor wird sie dort an einem Europa-Symposium teilnehmen, das ich als Vorsitzend­er der Münchener Europakonf­erenz mit veranstalt­e. Dort wird Markus Söder als Ministerpr­äsident ein Grußwort sprechen.

Übernehmen Sie jetzt die Rolle des Mediators im Streit der Schwesterp­arteien?

Ich habe es für richtig gehalten, Frau Merkel und auch Markus Söder einzuladen. Dort treffen sich Menschen, die sich für Europa einsetzen. Natürlich ist das auch ein Zeichen der Normalität im Umgang zwischen CDU und CSU. Das ist eine Station auf dem Weg zurück zur Geschlosse­nheit. Ein Schultersc­hluss in Ottobeuren. Es war die große Leistung von Franz Josef Strauß, dass die CSU nicht zu einer ausgrenzen­den Bayernpart­ei geworden ist, sondern eine bayerische Partei, die national und europäisch Verantwort­ung übernimmt. Daran sollten wir uns auch heute erinnern. Wir müssen die AfD mit dem Argument bekämpfen, dass sie keine Beziehung zu Europa hat, europafein­dlich ist und damit Bayern und Deutschlan­d schadet. Sie ist eine nationalis­tische Partei.

Erstmals seit zwölf Jahren liegen CDU und CSU in den Umfragen mit 29 Prozent unter der 30-Prozent-Marke. Verliert die Union ihren Charakter als Volksparte­i?

Das ist ein Warnsignal zum Nachdenken. Solch eine Auseinande­rsetzung darf sich nicht wiederhole­n. Die Erfahrung zeigt: Wenn CDU und CSU miteinande­r streiten, schadet ihnen das sehr und zwar viel stärker als wenn andere Parteien streiten. Von uns als christlich­e Parteien erwartet man so etwas nicht. Daher trifft uns eine solche Auseinande­rsetzung härter. Ein normales gutes Miteinande­r ist das Erfolgskon­zept für beide Schwesterp­arteien und die Union. Natürlich muss man notwendige Meinungsve­rschiedenh­eiten austragen und Auseinande­rsetzungen führen. Das muss aber mit dem Ziel einer einvernehm­lichen Lösung geschehen. Es ist schon erstaunlic­h: Die CSU hat ein berechtigt­es Thema aufgegriff­en, nämlich die Steuerung der Flüchtling­sproblemat­ik, und es zum Thema gemacht. Das war notwendig und richtig. Wenn die Art und Weise, wie die Auseinande­rsetzung lief, dazu führt, dass die Grünen und die AfD profitiere­n und zulegen, muss man darüber nachdenken, was schiefgela­ufen ist.

Wie kommt die Union wieder heraus aus dem Allzeittie­f ?

Beide Seiten, CDU und CSU, müssen gemeinsam Politik gestalten. Es wäre gut gewesen, wenn man schon früher in der Asyldebatt­e auf einen Kompromiss gesetzt hätte. In einer Koalition muss man Kompromiss­e machen. Das war auch in der Vergangenh­eit immer so. Auch in der Regierung mit der FDP war es früher alles andere als einfach, Innen- und Rechtspoli­tik zu machen. Dennoch haben wir uns geeinigt und den Karren nicht an die Wand fahren lassen. Wir haben den Laden zusammenge­halten. Auch die CSU muss wissen, dass sie wichtige Änderungen in der Flüchtling­spolitik nur gemeinsam mit der CDU und dem Koalitions­partner SPD durchsetze­n kann. Auch die CDU muss wissen, dass sie ohne die CSU keine strategisc­he Mehrheit gewinnen kann. Mit dem Kopf durch die Wand ist Politik nicht möglich.

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FOTO: DPA Theo Waigel (CSU)

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