Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Im Auftrag des Herrn

Kirchliche Seelsorger sind beim Wacken Open Air sehr gefragt

- Von Michael Althaus

● WACKEN (KNA) - Von der Bühne schallt Heavy Metal von Judas Priest – im Bierzelt gibt es Seelsorgeg­espräche über Nöte und Trauer: Beim Wacken Open Air geht beides. Das Angebot der Kirchen kommt an.

Im schleswig-holsteinis­chen Dorf Wacken, das zum weltweiten Synomym für harte Musik geworden ist, herrscht in diesen Tagen wieder der Ausnahmezu­stand: Schon auf der Hauptstraß­e des 2000-EinwohnerD­örfchens drängen sich dicht an dicht schwarz gekleidete Metal-Fans. Auf den Äckern, wo sonst Kühe weiden, haben sie ihre Zelte aufgeschla­gen und feiern zu harten Klängen von Bands wie Judas Priest, Sepultura oder Running Wild. Es fließt jede Menge Alkohol.

Insgesamt rund 75 000 Besucher aus aller Welt sind zum Wacken gereist. „Wer hier arbeitet, darf keine Berührungs­ängste haben“, sagt Seelsorger Lars Wulff. Der evangelisc­he Diakon aus Husum hat seinen Gesprächsp­artnern schon ihre Wunden verbunden oder Erbrochene­s aus dem Haar gewaschen. Er ist bereits zum fünften Mal Mitglied im Team der Festivalse­elsorge der evangelisc­hen Nordkirche auf dem Wacken Open Air, das heute Abend endet.

20 ausgebilde­te Fachleute, darunter Pastoren, Erzieher und Psychother­apeuten, kümmern sich rund um die Uhr um die ganz persönlich­en Sorgen der Fans. Zu erkennen sind sie an ihren blauen Westen mit der Aufschrift „Festivalse­elsorger“, bei Bedarf steht ein Beratungsz­elt für Gespräche zur Verfügung. Die Themen reichen vom verlorenen Schlüssel über den Ärger nach einer nichtbesta­ndenen Prüfung bis zur Trauer um einen verstorben­en Freund oder Angehörige­n. „Viele Sorgen kommen auf dem Festival erst richtig zutage“, sagt Wulff. Außerdem seien viele mit der ungewohnte­n Situation überforder­t: „Es ist laut, es ist heiß, überall sind Menschen. Wenn man gerade einmal nicht in Partystimm­ung ist, kann das schnell zur Herausford­erung werden.“

„Viele Sorgen kommen auf dem Festival erst richtig zutage.“Diakon Lars Wulff ist zum fünften Mal beim Wacken im Einsatz

Für Wulff sind die Nachtschic­hten am spannendst­en. „Dann kommt das Festival eigentlich erst richtig in Gang.“Häufig fördere der Alkohol Probleme zutage. In den durchschni­ttlich rund 30-minütigen Gesprächen versucht er eine Lösung für die Probleme der Festivalbe­sucher zu finden. „Im schlimmste­n Fall kann das auch bedeuten, dass wir jemandem raten, nach Hause zu fahren.“

Der Hamburger Lutz Neugebauer ist einer von drei Katholiken, die in diesem Jahr erstmals mit im Team sind. Er führte sein erstes Seelsorgeg­espräch bereits am Bierstand, wo ihn zwei Männer ansprachen. „Ich erwarte hier ganz andere Gespräche, als ich sie sonst in meiner Gemeinde führe“, so der ehrenamtli­che Diakon. Über konkrete Inhalte der Gespräche sprechen die Mitarbeite­r nicht. „Es ist uns wichtig, dass Seelsorgeg­eheimnis zu wahren“, sagt der Leiter des Teams, Landesjuge­ndpastor Tilman Lautzas. Es gehe um vertraulic­he Beratung, nicht aber um christlich­e Mission: „Mission und Beratungsg­espräch vertragen sich unserer Auffassung nach in keinster Weise.“Demzufolge ist das Angebot für Menschen jeden Glaubens offen: „Wenn jemand mit uns über Odin und Thor diskutiere­n will, dann tun wir das auch gerne“, so Lautzas.

Die Initiative, Seelsorge anzubieten, ging 2010 vom Veranstalt­er des Festivals aus. Das von Lautzas entwickelt­e Konzept diente bereits als Vorbild für vergleichb­are Angebote, etwa auf dem Greenfield-Festival in der Schweiz. 241 Gespräche führten die Seelsorger im vergangene­n Jahr, fast doppelt so viele wie noch 2014.

Für Lars Wulff ist der kirchliche Einsatz auf dem Festival eine zeitgemäße Form, den christlich­en Glauben zu leben. Unter den Metallern trifft er teils auch engagierte Gemeindemi­tglieder.

Die Festivalse­elsorge ist nicht das einzige Angebot der Kirchen auf dem Metal-Festival: Bereits am Mittwochab­end wurde die Wackener Dorfkirche bei einem eigens für die Festivalbe­sucher gestaltete­n Gottesdien­st zur „Metal Church“.

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FOTO: KNA/MICHAEL ALTHAUS Kirche trifft Metal: Lars Wulff (links) und Lutz Neugebauer sind als ehrenamtli­che Mitarbeite­r der Festivalse­elsorge auf dem Wacken Open Air im Einsatz.

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