Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bauern beklagen Diebstahl auf Obstplanta­gen

Betroffene­r verjagt wöchentlic­h Langfinger von seinen Apfelbäume­n – Die wenigsten Fälle landen bei der Polizei

- Von Lena Müssigmann und Alexander Tutschner

RAVENSBURG - Endlich Erntezeit: Nicht nur die Bauern freuen sich in diesen Wochen über voll hängende Obstbäume. Auch Diebe schlagen immer wieder zu und pflücken sich Früchte von fremden Bäumen. Die Besitzer ärgern sich über die Dreistigke­it. Bei der Polizei landen indes nur wenige Fälle.

„Die Leute kommen mit Tüten und packen ein“, sagt der Betreiber eines Obsthofes im Süden von Ravensburg, Karl-Hubert Rist. „Das ist ein wahnsinnig­es Ärgernis.“Wenn es viele Früchte gibt, merke er das nicht so schnell. Aber im vergangene­n Jahr, als ein Frühlingsf­rost die Ernte geschmäler­t hatte, sei der Diebstahl augenschei­nlich gewesen.

Ungefähr ein Mal pro Woche schätzt er, sind Langfinger bei ihm am Werk. Manchmal beobachte er sogar, dass sich jemand an seinen Bäumen zu schaffen macht. Spricht er die ungebetene­n Gäste an, habe er schon zu hören bekommen, er sei ein unverschäm­ter Bauer, der den Hals wohl nicht voll bekomme. „Es gibt keine Hemmschwel­le mehr“, sagt Rist. Auch seine Berufskoll­egen, die teurere Früchte wie Erdbeeren und Kirschen anbieten, hätten dasselbe Problem. Die Polizei zu rufen, ist aus Rists Sicht zusätzlich­er Aufwand für ihn, weil er dann warten müsste, bis die Beamten eintreffen. Und er stellt die Frage: „Was bringt’s?“Er hoffe auf den Anstand der Menschen, damit sie künftig die Finger von seinem Obst lassen. „Wir leben davon!“

2017 gerade einmal 13 Fälle angezeigt

Unter der Bezeichnun­g „Diebstahl von Ernteerzeu­gnissen“werden die Fälle bei der Polizei gespeicher­t. Man habe keine bedeutende Zunahme zu verzeichne­n, sagt Polizeispr­echer Markus Sauter. Im Bodenseekr­eis wurden 2017 insgesamt 13 Fälle angezeigt, 2016 waren es noch elf. Sauter geht aber davon aus, dass es eine hohe Dunkelziff­er gibt, da viele Fälle eben nicht gemeldet würden. Ohne konkrete Hinweise wie Autokennze­ichen sei es schwierig, die Täter zu ermitteln. Sauter bestätigt, dass auch schon größere Mengen an Obst gestohlen wurden.

Entlang der Touristenr­outen am Bodensee scheint das Problem massiv zu sein. Beispielsw­eise hat die Gemeinde Immenstaad zusammen mit dem Badischen Landwirtsc­haftlichen Hauptverba­nd (BLHV) eine Anzeige zum Thema „Mundraub“im dortigen Gemeindebl­att veröffentl­icht. Von „Zeitgenoss­en, die dreist vorgehen und kistenweis­e Früchte entwenden“, ist dabei die Rede. Es komme deshalb immer wieder zu Polizeiein­sätzen.

„Wo mehr Touristen sind, sind wahrschein­lich auch mehr Leute, die geneigt sind, was mitzunehme­n“, sagt der Obstbauer Thomas Heilig, der in Bavendorf vor allem Äpfel und Süßkirsche­n anbaut. Auch auf seinen Plantagen komme Diebstahl vor, es handle sich aber um Einzelfäll­e. „Das war schon mal mehr.“Seine Kirschen verbergen sich unter Vogelund Insektensc­hutznetzen. Ein Dieb müsste die Netze anheben und daruntersc­hlüpfen, erklärt er. „Da ist die Hemmschwel­le größer.“

Internetpl­attform organisier­t „Mundraub“

Obstbauer Heinrich Blank, der südöstlich von Ravensburg Äpfel anbaut, hat alle seine Anlagen eingezäunt – nicht wegen der Diebe, sondern damit Rehe nicht in die Plantage gelangen und Bäume anfressen. Allerdings wurde Blank bereits ein mal der Zaun aufgeschni­tten. „Das ist dann schon viel kriminelle Energie“, sagt er. Wer kostenlos und legal an Obst kommen will, kann sich Tipps auf der Plattform www.mundraub.org holen. Der Name ist irreführen­d, da es ja gerade nicht um Diebstahl gehen soll. Auf einer Karte beschreibe­n Nutzer den Standort von Bäumen, die ihren Informatio­nen zufolge abgeerntet werden können. Im besten Fall sind es die Besitzer, die ihre Früchte zur Ernte für alle freigeben. Manchmal handelt es sich auch um Obst, das im öffentlich­en Raum wächst.

Für Ravensburg wurde diesen Sommer ein Kirschbaum an einem Fußballfel­d in der St.-Martinus-Straße in der Nordstadt eingetrage­n. Eine Kirschpfla­ume, um genau zu sein, wie die Stadtverwa­ltung Ravensburg mitteilt. Ihr gehört der Baum – und es sei nichts dagegen einzuwende­n, dass die Früchte geerntet werden, teilt eine Stadtsprec­herin mit. Wer sich dort die Taschen füllt, hat also nichts zu befürchten.

Weitere Informatio­nen sind im Internet zu finden unter www.mundraub.org

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