Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bauern beklagen Diebstahl auf Obstplantagen
Betroffener verjagt wöchentlich Langfinger von seinen Apfelbäumen – Die wenigsten Fälle landen bei der Polizei
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RAVENSBURG - Endlich Erntezeit: Nicht nur die Bauern freuen sich in diesen Wochen über voll hängende Obstbäume. Auch Diebe schlagen immer wieder zu und pflücken sich Früchte von fremden Bäumen. Die Besitzer ärgern sich über die Dreistigkeit. Bei der Polizei landen indes nur wenige Fälle.
„Die Leute kommen mit Tüten und packen ein“, sagt der Betreiber eines Obsthofes im Süden von Ravensburg, Karl-Hubert Rist. „Das ist ein wahnsinniges Ärgernis.“Wenn es viele Früchte gibt, merke er das nicht so schnell. Aber im vergangenen Jahr, als ein Frühlingsfrost die Ernte geschmälert hatte, sei der Diebstahl augenscheinlich gewesen.
Ungefähr ein Mal pro Woche schätzt er, sind Langfinger bei ihm am Werk. Manchmal beobachte er sogar, dass sich jemand an seinen Bäumen zu schaffen macht. Spricht er die ungebetenen Gäste an, habe er schon zu hören bekommen, er sei ein unverschämter Bauer, der den Hals wohl nicht voll bekomme. „Es gibt keine Hemmschwelle mehr“, sagt Rist. Auch seine Berufskollegen, die teurere Früchte wie Erdbeeren und Kirschen anbieten, hätten dasselbe Problem. Die Polizei zu rufen, ist aus Rists Sicht zusätzlicher Aufwand für ihn, weil er dann warten müsste, bis die Beamten eintreffen. Und er stellt die Frage: „Was bringt’s?“Er hoffe auf den Anstand der Menschen, damit sie künftig die Finger von seinem Obst lassen. „Wir leben davon!“
2017 gerade einmal 13 Fälle angezeigt
Unter der Bezeichnung „Diebstahl von Ernteerzeugnissen“werden die Fälle bei der Polizei gespeichert. Man habe keine bedeutende Zunahme zu verzeichnen, sagt Polizeisprecher Markus Sauter. Im Bodenseekreis wurden 2017 insgesamt 13 Fälle angezeigt, 2016 waren es noch elf. Sauter geht aber davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt, da viele Fälle eben nicht gemeldet würden. Ohne konkrete Hinweise wie Autokennzeichen sei es schwierig, die Täter zu ermitteln. Sauter bestätigt, dass auch schon größere Mengen an Obst gestohlen wurden.
Entlang der Touristenrouten am Bodensee scheint das Problem massiv zu sein. Beispielsweise hat die Gemeinde Immenstaad zusammen mit dem Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) eine Anzeige zum Thema „Mundraub“im dortigen Gemeindeblatt veröffentlicht. Von „Zeitgenossen, die dreist vorgehen und kistenweise Früchte entwenden“, ist dabei die Rede. Es komme deshalb immer wieder zu Polizeieinsätzen.
„Wo mehr Touristen sind, sind wahrscheinlich auch mehr Leute, die geneigt sind, was mitzunehmen“, sagt der Obstbauer Thomas Heilig, der in Bavendorf vor allem Äpfel und Süßkirschen anbaut. Auch auf seinen Plantagen komme Diebstahl vor, es handle sich aber um Einzelfälle. „Das war schon mal mehr.“Seine Kirschen verbergen sich unter Vogelund Insektenschutznetzen. Ein Dieb müsste die Netze anheben und darunterschlüpfen, erklärt er. „Da ist die Hemmschwelle größer.“
Internetplattform organisiert „Mundraub“
Obstbauer Heinrich Blank, der südöstlich von Ravensburg Äpfel anbaut, hat alle seine Anlagen eingezäunt – nicht wegen der Diebe, sondern damit Rehe nicht in die Plantage gelangen und Bäume anfressen. Allerdings wurde Blank bereits ein mal der Zaun aufgeschnitten. „Das ist dann schon viel kriminelle Energie“, sagt er. Wer kostenlos und legal an Obst kommen will, kann sich Tipps auf der Plattform www.mundraub.org holen. Der Name ist irreführend, da es ja gerade nicht um Diebstahl gehen soll. Auf einer Karte beschreiben Nutzer den Standort von Bäumen, die ihren Informationen zufolge abgeerntet werden können. Im besten Fall sind es die Besitzer, die ihre Früchte zur Ernte für alle freigeben. Manchmal handelt es sich auch um Obst, das im öffentlichen Raum wächst.
Für Ravensburg wurde diesen Sommer ein Kirschbaum an einem Fußballfeld in der St.-Martinus-Straße in der Nordstadt eingetragen. Eine Kirschpflaume, um genau zu sein, wie die Stadtverwaltung Ravensburg mitteilt. Ihr gehört der Baum – und es sei nichts dagegen einzuwenden, dass die Früchte geerntet werden, teilt eine Stadtsprecherin mit. Wer sich dort die Taschen füllt, hat also nichts zu befürchten.
Weitere Informationen sind im Internet zu finden unter www.mundraub.org