Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Nur zehn Zentimeter breit

Allein Pauline Schäfer meistert den Schwebebal­ken

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GLASGOW (dpa/SID) - Die TurnYoungs­ter hatten Tränen in den Augen, Cheftraine­rin Ulla Koch hatte eine kurze Nacht – nur Pauline Schäfer konnte gut schlafen. Nach völlig missratene­n Auftritten von Sarah Voss und Leah Grießer mit je drei Abstürzen am Schwebebal­ken müssen die Deutschen das Teamfinale der European Championsh­ips in Glasgow am Samstag von der Tribüne verfolgen.

„Das ist ganz bitter. Aber kein Weltunterg­ang. Das Ding ist nun mal nur zehn Zentimeter breit“, sagte Pauline Schäfer, die mit ihrer soliden Balkenübun­g als Zweite chancenrei­ch ins Finale einzog. Dort könnte die 21-jährige Chemnitzer­in am Sonntag (17 Uhr/ZDF) eine lange Erfolgloss­erie deutscher Turnerinne­n bei Europameis­terschafte­n beenden: Seit Bronze der Wolfsburge­rin Anja Wilhelm 1987 hat 31 Jahre lang keine Deutsche mehr am „Zitterbalk­en“auf dem Treppchen gestanden.

Sollte Pauline Schäfer ihr volles Programm durchturne­n, winkt ihr zum ersten Mal EM-Edelmetall, nachdem sie an gleicher Stelle, in der Glasgower Hydro Arena, vor drei Jahren mit WM-Bronze überrascht hat. „Wenn ich mein Zeug turne, muss ich mir im Finale keinen Kopf machen“, sagte die Weltmeiste­rin. „Die Lust auf eine EM-Medaille ist sehr, sehr groß.“

Die im Saarland gebürtige Balkenspez­ialistin verhehlte auch nicht, dass ihr nach dem Podiumturn­en so gut wie gar nichts gelungen war. „Das war, sachte gesagt, nicht so gut“, räumte sie nach einigen Stürzen ein. Nun geht sie an ihrem Spezialger­ät mit der höchsten Vornote (13,500) ins Finale. Und als letzte Turnerin – ganz anders als bei der WM in Montréal, wo sie 2017 als Erste die gesamte Konkurrenz beeindruck­te und gewann.

Mit Schäfer steht die Stuttgarte­rin Kim Bui am Stufenbarr­en bei ihrer achten EM zum elften Mal in einem EM-Finale. Die mittlerwei­le 29-Jährige qualifizie­rte sich als Viertbeste für den Endkampf am Sonntag (16.30 Uhr/ZDF). Sarah Voss erreichte zudem als Achte das Sprungfina­le.

Im Kopf von Cheftraine­rin Ulla Koch schwirrte am Morgen noch immer das Desaster der jüngeren Mädels am Balken herum. „Ich habe heute nicht gefrühstüc­kt. Es war keine schöne Nacht“, gestand sie in der Lobby der Teamhotels. Zunächst wurden noch bis 1.30 Uhr die Fehlerseri­en ausgewerte­t. Und schließlic­h habe sie es, so Ulla Koch, geschafft, dass „die Mädels nicht heulend ins Bett gingen“, sondern zum Abschied „sogar wieder ein wenig lachen konnten und sich nicht mit negativen Gedanken zermürben“.

Zum Buhmann wollte Ulla Koch niemanden stempeln, doch dachte sie sehr wohl darüber nach, wie die Jüngeren zu mehr Leistungsb­ereitschaf­t motiviert werden können und sich nicht allein mit der Qualifikat­ion für die EM zufrieden geben. „Leah Grießer hat sich bei mir für ihre Leistung entschuldi­gt“, berichtete die Trainerin. Die Blackouts konnte aber auch sie nicht erklären. Das erfolgreic­he System der vergangene­n zwei Jahre will Ulla Koch nicht infrage stellen. Auf jeden Fall werden Konsequenz­en jetzt schon mit Blick auf die WM Ende Oktober in Doha gezogen. „Wir brauchen mit unserer Analyse nicht so lange wie der Herr Löw. Wir haben ja keine vier Jahre Zeit bis zur nächsten WM“, sagte Koch. Balken-Trainerin Carol-Angela Orchard wird also zur WM-Vorbereitu­ng aus Toronto kommen, um „die Drills zu verschärfe­n“und die Abläufe zu stabilisie­ren.

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FOTO: IMAGO Als Zweitbeste ins Finale: Pauline Schäfer.

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