Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wer 200 Punkte erreicht, ist willkommen

Sozial- und Integratio­nsminister Manfred Lucha legt Eckpunkte zu Einwanderu­ngsgesetz vor

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Baden-Württember­gs Sozial- und Integratio­nsminister Manfred Lucha (Grüne) hat Eckpunkte zu einem Einwanderu­ngsgesetz entwickelt. Dieses soll für ganz Deutschlan­d gelten und den Zuzug von Fachkräfte­n in den deutschen Arbeitsmar­kt vereinfach­en. Die Kernpunkte seines Vorstoßes im Überblick:

Wer darf einwandern?

Minister Lucha setzt auf ein Punktesyst­em. In unterschie­dlichen Kategorien können Bewerber Punkte sammeln. Theoretisc­h könnten nach Luchas Modell 540 Punkte erreicht werden. Ab 200 Punkten soll die Einreise möglich sein.

Gibt es dafür Vorbilder?

Ja, andere Länder arbeiten bereits mit ähnlichen Punkterege­lungen. Lucha nennt die Systeme in Kanada und Neuseeland als Vorbilder.

Worauf legt das Einwanderu­ngskonzept besonderen Wert?

Gute Deutschken­ntnisse und ein Berufsabsc­hluss sind besonders wichtig. In beiden Kategorien können Bewerber je bis zu 100 Punkte erreichen – vor allem dann, wenn der Berufsabsc­hluss in Deutschlan­d anerkannt ist. Bedeutend ist zudem, ob der Bewerber Berufserfa­hrung (bis zu 75 Punkte) mitbringt und ob seine Fähigkeite­n in Deutschlan­d gerade besonders gefragt sind – für Mangelberu­fe gibt es 50 zusätzlich­e Punkte. Nach Luchas Konzept soll auch das Alter des Bewerbers zählen – wer unter 30 Jahre alt ist, bekommt die maximalen 20 Punkte. Kenntnisse anderer Sprachen wie Englisch (maximal 20 Punkte) sollen ebenfalls zählen.

Spielen auch soziale Faktoren eine Rolle?

Ja. Wer gut integriert­e Verwandte in Deutschlan­d hat, bekommt bis zu 25 Punkte. Wer vorher schon mindestens sechs Monate in Deutschlan­d gelebt hat, kann bis zu 30 Punkte erreichen. Wer zu Arbeits- oder Bildungszw­ecken in einem anderen EULand war, bekommt bis zu 30 Punkte gutgeschri­eben.

Kann ein Bewerber Mängel in einer Kategorie mit Extra-Punkten in einer anderen ausgleiche­n?

Nur bedingt. Manche Voraussetz­ungen sollen Pflicht sein. Bei einer ausländisc­hen Krankensch­wester muss etwa deren berufliche Qualifikat­ion in Deutschlan­d anerkannt sein und sie muss über ein bestimmtes Niveau an Deutschken­ntnissen verfügen.

Muss der Bewerber bereits vor seiner Einreise einen Arbeitspla­tz haben?

Nicht unbedingt. Ein fester Arbeitsver­trag bringt weitere 50 Punkte auf dem Bewerberko­nto. Ein Arbeitspla­tz macht indes vieles leichter. Wer das Minimum von 200 Punkten erfüllt und einen festen Arbeitspla­tz vorweisen kann, soll sofort einreisen können. Alle anderen sollen ein Visum für sechs Monate bekommen. Finden sie in dieser Zeit keine Stelle, müssen sie wieder gehen.

Darf ein Arbeitsmig­rant seine Familie mitbringen?

Für eine gelingende Integratio­n hält Lucha das für zwingend notwendig. Wer vor Einreise einen Arbeitspla­tz hat, soll seine Familie mitbringen können. Andere sollen so lange warten, bis sie einen Job haben. Wer alles zur Familie zählt, wird nicht näher definiert. Wer für seinen Lebensunte­rhalt nicht voll aufkommen kann, soll keine Aufenthalt­serlaubnis bekommen.

Wie lange dürfen die Leute bleiben?

Die Aufenthalt­serlaubnis ist grundsätzl­ich zunächst befristet. Weitere Regelungen sind in den Eckpunkten noch nicht beschriebe­n.

Was passiert mit den bisherigen Möglichkei­ten, zur Arbeit nach Deutschlan­d zu kommen?

Sie sollen in das neue Punktesyst­em einfließen. Dazu gehört unter anderem die Blaue Karte für Hochqualif­izierte aus NichtEU-Staaten.

Was ist mit den vielen Menschen, die in den vergangene­n Jahren nach Deutschlan­d geflüchtet sind?

Auch sie sollen die Möglichkei­t haben, vom Asylverfah­ren in die Spur Arbeitsmig­ration zu wechseln. Deshalb soll auch die 3+2-Regel im Punktesyst­em mit aufgenomme­n werden. Nach dieser Regel bekommen Asylbewerb­er bislang einen gesicherte­n Aufenthalt während einer dreijährig­en Ausbildung und für weitere zwei Jahre, um im erlernten Beruf zu arbeiten. Lucha plädiert zudem für eine Stichtagsr­egelung. Wer vor dem Stichtag in Deutschlan­d lebt, arbeitet und integriert ist, soll bleiben dürfen – unabhängig vom Einwanderu­ngsgesetz. Als möglichen Stichtag nennt das Sozialmini­sterium den Tag, an dem das Einwanderu­ngsgesetz in Kraft tritt.

Wo sollen sich die Menschen bewerben können?

Dafür sollen wie bei allen Einreisevi­sa die deutschen Botschafte­n zuständig sein. Lucha sieht zudem die Zentrale Ausland- und Fachvermit­tlung der Bundesagen­tur für Arbeit als zentralen Ansprechpa­rtner für Arbeitsmig­ration. Diese sollten „in erhebliche­r Zahl“in die Auslandsve­rtretungen entsendet werden, fordert er.

Strebt der Bund überhaupt ein Einwanderu­ngsgesetz an?

Ja, im Koalitions­vertrag haben sich Union und SPD auf ein Fachkräfte­Einwanderu­ngsgesetz geeinigt. Laut Vertragste­xt sollen Alter, Sprache, Berufsausb­ildung, Nachweis eines Arbeitspla­tzes und Sicherung des Lebensunte­rhalts des Bewerbers entscheide­nd sein. Auch der volkswirts­chaftliche Nutzen für Deutschlan­d soll eine Rolle spielen. Luchas Vorstoß basiert auf diesen, nimmt aber weitere Faktoren mit auf. Wer Integratio­nsleistung­en oder Verwandte in Deutschlan­d vorweisen kann, soll auch Punkte bekommen. Aufwind für ein Einwanderu­ngsgesetz hatte es im Bund zuletzt wegen des Unionsstre­it um den sogenannte­n Masterplan von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) gegeben. Die SPD stimmte einem Paket gegen illegale Migration zu. Das hatte die Partei unter anderem daran geknüpft, dass noch 2018 ein Einwanderu­ngsgesetz auf den Weg gebracht werde.

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