Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Schon 9000 Menschen wollen die Humpis in Avignon sehen
Positive Bilanz des Stadthistorischen Museums – Planungen für nächste Ausstellung laufen bereits
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RAVENSBURG - Seit mehreren Jahren sucht das Museum Humpisquartier im Ausland nach Spuren der oberschwäbischen Kaufleute, die sich im Mittelalter in der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft zusammengeschlossen hatten. Denn vor 500 Jahren trieb Ravensburg Handel mit halb Europa. Aktuell läuft eine Ausstellung über die Humpis in Avignon, die nach drei Monaten bereits 9000 Menschen gesehen haben.
Man muss sich das vorstellen: In einer Zeit, in der die Menschen kaum mobil waren, der eigene Lebensbereich am Horizont endete, da handelten Ravensburger Kaufleute mit verschiedenen Waren in einem Bereich zwischen Valencia und Genua, zwischen Venedig und Brügge. Das Museum Humpisquartier in der Ravensburger Oberstadt bemüht sich seit mehreren Jahren, diese Fernhandelsgeschichten zu erforschen. In der jüngsten Vergangenheit gab es dazu Ausstellungen mit neuen Erkenntnissen über das Wirken der mittelalterlichen Ravensburger Kaufleute in Genua und Barcelona.
Seit Mai geht es in der Sonderausstellung des Museums um die Humpis in Avignon. Die Humpis waren die wichtigste Familie im Zusammenschluss mit den Mötteli und Muntprat, die die 1406 erstmals urkundlich erwähnte Große Ravensburger Handelsgesellschaft gründeten. Sie betrieb nicht nur Handel von Oberschwaben aus, sondern hatte zeitweise 13 eigene Niederlassungen in ganz Europa. Allein die Präsenz in Avignon währte fast 100 Jahre lang.
Andreas Schmauder, Direktor des Museums Humpisquartier, freut sich über das anhaltende Interesse der Ravensburger und Touristen an seiner aktuellen Avignon-Ausstellung. 9000 Besucher in drei Monaten seien „eine sehr gute Zahl“.
Bis zum Ausstellungsende am 23. September rechnet Schmauder mit weiteren 6000 Besuchern. Zum Vergleich: Die Ausstellungen über die Aktivitäten der Humpis in Genua vor sechs Jahren wollten 14 000 Menschen sehen, die Schau über den Standort Barcelona vor drei Jahren 17 000.
Durch Eintragungen ins Gästebuch und Gespräche bei Führungen hat Andreas Schmauder ganz unterschiedliche, interessante Rückmeldungen erhalten. Die Besucher seien überrascht, dass die heutige Massenware Zucker im Mittelalter ein derartiger Luxus gewesen sei, dass er nur den Reichen und der Medizin vorbehalten war. Erstaunlich fanden die Leute auch, dass die Ravensburger Händler im 15. Jahrhundert im spanischen Valencia in einer eigenen Fabrik Zucker herstellten. Und welche enorme Menge jedes Jahr von dort kam: über 140 Tonnen.
Auch die viel besungene Brücke von Avignon sorgte für Überraschungen in der Ausstellung: Das Lied kennt jeder, dass das Bauwerk als letzte Brücke über die Rhone vor dem Mittelmeer damals von entscheidender strategischer Bedeu- tung war, was Avignon als Stadt noch mehr Bedeutung gab, war vielen Besuchern nicht bekannt.
Im Januar beginnen bereits die Planungen für die nächste Ausstellung über die Humpis auswärts. Der Flandern-Handel soll dann beleuchtet werden. Mit einer Ausstellung ist aber erst in drei Jahren zu rechnen. Die Quellenlage ist dünn, Details müssen erst erforscht werden.