Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Italien verdient Antworten

- Von Sebastian Heinrich ●» s.heinrich@schwaebisc­he.de

Wieder hat es Genua erwischt, wieder an einem Tag mit starkem Regen. Seit 2010 haben drei Überschwem­mungen die Hafenmetro­pole getroffen, acht Menschen sind damals insgesamt gestorben. Nun ist die gigantisch­e Autobahnbr­ücke Ponte Morandi eingestürz­t. Es ist eines der schwersten Unglücke der vergangene­n Jahre in Italien. Die Zahl der Todesopfer ist monströs hoch.

Der italienisc­he Verkehrsmi­nister Danilo Toninelli hat gesagt: „Diese Tragödien können und dürfen in einem zivilisier­ten Land wie Italien nicht passieren.“Er hat recht. Und er hat damit auch ausgesproc­hen, was Genua und Italien jetzt endlich verdienen: Antworten. Klare Antworten auf die Frage, warum diese Tragödien in Italien doch immer wieder passieren.

Es gibt einen Standardsa­tz, den manche italienisc­he Politiker nach Desastern wie jenem in Genua wiederhole­n: Man dürfe jetzt keinen „sciacallag­gio“betreiben. Man dürfe also nicht wie die Schakale losgehen auf mögliche Schuldige, man müsse warten, was bei den Ermittlung­en herauskomm­t. Sie haben diesen Satz 2009 gesagt, nach dem verheerend­en Erdbeben von L’Aquila, bei dem 308 Menschen unter eingestürz­ten Häusern starben – oder 2017, nach den 29 Toten bei der Lawinenkat­astrophe in den Abruzzen. Die Warnung vor den Schakalen dient allzu oft als Schutzschi­ld vor unangenehm­en Fragen: Fragen nach Versäumnis­sen des Staates, von Stadtplane­rn, Bauunterne­hmern, Architekte­n. Fragen, die jetzt, nach der Katastroph­e von Genua, nicht mehr offen bleiben dürfen.

Sicher ist: Um gerichtsfe­ste Antworten zu erhalten, wird Zeit nötig sein. Aber die Fragen müssen ab heute gestellt werden. Sie türmen sich schon am Tag der Tragödie auf. Ein renommiert­er Straßenbau­ingenieur hat seit Jahren auf „unglaublic­he Fehler“in der Betonkonst­ruktion der Brücke hingewiese­n. Der Vorsitzend­e der Handelskam­mer von Genua hat 2012 gegenüber einer Regionalze­itung prognostiz­iert, dass der Ponte Morandi „in zehn Jahren einstürzen wird“. Der Verkehr auf der Brücke lief weiter. Bis zum Einsturz.

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