Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

130 Millionen Euro für saubere Luft

Bundesregi­erung fördert Ideen im Kampf gegen dicke Luft – Streit um Diesel-Nachrüstun­g

- Von Tobias Schmidt

BERLIN/STUTTGART (dpa) - Mit mehr als 50 Millionen Euro wird der Bund die Südwest-Modellstäd­te Herrenberg, Reutlingen und Mannheim in Sachen Luftreinha­ltung unterstütz­en. Die Kommunen sollen neue Nahverkehr­sideen mit Bus und Bahn ausprobier­en. Bundesweit zählen auch Essen und Bonn zu den Modellstäd­ten, bis 2020 beträgt das Fördervolu­men insgesamt 130 Millionen Euro, wie Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) und seine Umweltkoll­egin Svenja Schulze (SPD) am Dienstag in Berlin sagten.

BERLIN - Neue Kraftanstr­engung im Kampf gegen dicke Luft und Dieselfahr­verbote: 130 Millionen Euro steckt der Bund bis 2020 in innovative Verkehrspr­ojekte in fünf Modellstäd­ten. Handy-Tickets, mehr Busse und Bahnen, neue Fahrradweg­e und sogar eine Güterseilb­ahn gehören zu Vorzeigepr­ojekten, die die Rathausche­fs aus Mannheim, Reutlingen und Herrenberg, Essen und Bonn am Dienstag beim Dieselgipf­el im Bundesverk­ehrsminist­erium vorgestell­t haben und die jetzt mit Hochdruck und viel Geld vom Bund umgesetzt werden sollen. Das Ziel: die Stickoxidw­erte zu senken.

„Wir müssen die Städte sauber bekommen“, sagt Svenja Schulze (SPD), die den Gipfel gemeinsam mit Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) ausrichtet. Auch Scheuer verweist auf den „Zeitdruck“angesichts von Grenzwertü­berschreit­ungen in 65 Städten im vergangene­n Jahr. Viel gemeinsame­s Lob für den Erfindungs­reichtum der Oberbürger­meister kommt von den beiden Ressortche­fs.

Mannheim plant Güterseilb­ahn

In Mannheim lautet das Zauberwort gegen die Luftversch­mutzung „Digitalisi­erung“, erklärt Rathausche­f Peter Kurz und schwärmt von der neuen Handy-App, mit der der Fahrkarten­kauf am Automaten zur Geschichte wird. Das Smartphone-Ticket rechnet die Strecke nach Luftlinie ab – so wird das Bus- und Bahnfahren automatisc­h billiger. Weiteres Projekt der RheinNecka­r-Metropole: Ein „MicroHub“, ein Umschlagpl­atz für Pakete, die von dort nur noch mit E-Autos weitertran­sportiert werden sollen. Kostenzusc­huss vom Bund: 28,4 Millionen Euro. Die Pläne der Mannheimer reichen bis zum Bau einer Güterseilb­ahn zum Warentrans­port, erklärt SPD-Politiker Kurz, damit Lastwagen gar nicht mehr in die Stadt fahren müssten. In Reutlingen werden viele neue Buslinien eingericht­et, in Herrenberg wird getestet, was die digitale Steuerung der Verkehrsfl­üsse bewirken kann (siehe Text im Kasten).

Bonn führt ein „365-Euro-Ticket“ein. Für einen Euro pro Tag können die Bonner in Bus oder Bahn steigen und den Wagen stehen lassen. Um den erwarteten Fahrgastzu­wachs zu bewältigen, hat Bürgermeis­ter Ashok-Alexander Sridharan (CDU) neue Elektrobus­se bestellt. Damit soll der Takt im öffentlich­en Personenna­hverkehr (ÖPNV) erhöht werden. Knapp 40 Millionen Euro schießt der Bund zu. Auch in Essen – eine klassische Autostadt – soll mit 21 Millionen Euro vom Bund der öffentlich­e Nahverkehr flottgemac­ht werden – mit 24 neuen Fahrzeugen, Fahrradweg­en und weiteren Tempo-30Zonen auf stark befahrenen Straßen. Überdies sollen die Tickets verbilligt werden.

Viele gute Ideen, doch die meisten werden allenfalls mittelfris­tig für sauberere Luft sorgen. Umweltmini­sterin Schulze sagt mit Blick auf die vorgestell­ten Anstrengun­gen, die Mitte 2019 bewertet und im Erfolgsfal­l von anderen Kommunen nachgemach­t werden sollen: „Ich bin überzeugt, dass sie am Ende nicht ausreichen werden, um Fahrverbot­e zu vermeiden.“Das werde nur mit Hardwarena­chrüstunge­n der Dieselfahr­zeuge gelingen. „Ich wünsche, dass sich die Hersteller kooperativ zeigen.“

Der Einbau modernster Abgasreini­gung in ältere Diesel-Pkw auf Kosten von VW & Co. – hier endet die Gemeinsamk­eit von Schulze und Verkehrsmi­nister Scheuer. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hatte angekündig­t, der Dauerstrei­t der Großen Koalition werde bis Ende September beigelegt. CSU-Mann Scheuer will aber noch nicht einlenken, sagt am Dienstag: „Mein Haus und ich persönlich sehen weiterhin rechtliche, technische und organisato­rische Schwierigk­eiten.“Kommen die Autobauer ungeschore­n davon? In den Modellstäd­ten ist man alarmiert. Reutlingen­s Erste Bürgermeis­terin Ulrike Hotz sagt: „Wir brauchen Hardwarena­chrüstunge­n. Alles was schnell wirkt, hilft uns!“

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FOTO: DPA Herrenberg ist eine von fünf Modellstäd­ten, in denen die Wirksamkei­t von Maßnahmen für eine bessere Luft getestet wird.

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