Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Erneuter Anschlag im Herzen Londons
Ein Mann rast vor dem Parlament in eine Menschengruppe – Sein Motiv ist unklar
LONDON (dpa) - Möglicherweise in terroristischer Absicht ist ein Mann mit einem Auto in Fußgänger und Radfahrer vor dem Parlament in London gerast. Eine Frau wurde schwer verletzt, zwei weitere Menschen erlitten leichtere Verletzungen. Der 29-jährige Fahrer wurde widerstandslos festgenommen. Die Anti-Terror-Einheit leite jetzt die Ermittlungen, teilte Scotland Yard mit. Der Ort und die Art des Vorfalls hätten laut Polizei dafür den Ausschlag gegeben.
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LONDON - Der Alarm wurde um 7.37 Uhr am Dienstagmorgen ausgelöst. Ein silberfarbenes Auto fuhr vor dem Parlamentsgebäude in London in eine Gruppe von Fußgängern und Radfahrern an einer Ampel, bevor es weiter raste und mit den Sicherheitsabsperrungen vor dem Westminsterpalast kollidierte. Bei der Attacke sind drei Menschen verletzt worden. Ein Mann und eine Frau seien kurzzeitig ins Krankenhaus gekommen, ein verletzter Mann sei noch vor Ort behandelt worden, hieß es. Das Parlament – sowohl das Unter- wie das Oberhaus – befindet sich zur Zeit in der Sommerpause.
Bewaffnete Polizisten waren in Minutenschnelle an Ort und Stelle. Sie konnten den Fahrer festnehmen. Der schwarze Mann, in Jeans, weißem T-Shirt und dunkler Daunenjacke gekleidet, ließ sich widerstandslos abführen. Scotland Yard teilte mit, es handele sich um einen 29-jährigen Briten, der bislang nicht polizeibekannt gewesen sei. Die Gegend um die Parlamentsgebäude wurden abgesperrt. Die Ausgänge der direkt gegenüber dem Parlament gelegenen U-Bahnstation „Westminster“wurden geschlossen, die Westminster Bridge über der Themse abgesperrt. Das gesamte Regierungsviertel befand sich am Dienstag für Stunden in einem „Lockdown“
Fahrer kooperiert nicht
Die Anti-Terror-Einheit der Londoner Polizeibehörde Scotland Yard übernahm die Ermittlungen. Mehrere Zeugen meinten übereinstimmend, dass es sich bei dem Zwischenfall nicht um einen Unfall gehandelt haben soll. Scotland Yard gab wenige Stunden nach der Festnahme bekannt, dass man den Zwischenfall als Terrortat einstufe.
Laut Anti-Terror-Polizei war das für die Tat verwendete Auto in der Nacht zum Dienstag aus dem zentralenglischen Birmingham nach London gekommen. Nach der Attacke habe es am Nachmittag zwei Durchsuchungen in Birmingham sowie eine in Nottingham gegeben. Der mutmaßliche Attentäter kooperiere nicht mit den Ermittlern, sagte ein Polizeisprecher. Seine Identität sei noch nicht formell geklärt, weitere Verdächtige gebe es nicht.
Die BBC konnte eine Videoaufzeichnung auftreiben, die, wenn auch aus weiter Entfernung, den Anschlag zeigt. Man sieht, wie der Ford Fiesta auf dem Parliament Square westwärts mit zuerst normaler Geschwindigkeit fährt. Hinter ihm taucht ein Ambulanzwagen mit Signallichtern auf. Es ist möglich, dass der Fahrer des Fiesta die Ambulanz mit einem ihn verfolgenden Polizeiwagen verwechselte. Jedenfalls beschleunigt er und zieht scharf nach links. Er fährt über einen Bürgersteig, wobei er Radfahrer und Passanten anfährt, die an einer Ampel stehen. Der mutmaßliche Terrorist hält auf die Sicherheitsbarrieren des Parlaments zu. Zwei Polizeibeamte können sich gerade noch durch einen Sprung in Sicherheit bringen, bevor das Auto in eine schwarzgelbe Stahlschranke kracht. Der Aufprall sei so hart gewesen, berichtete ein Zeuge, dass der Fiesta in die Luft sprang.
Sicherheitsmaßnahmen verstärkt
Der Terroranschlag weckt schreckliche Erinnerungen. Vor fast anderthalb Jahren, im März 2017, fand ebenfalls an den „Houses of Parliament“ein Anschlag statt. Der 52-jährige Brite Khalid Masood war mit einem Geländewagen die Westminster Bridge hinunter Richtung Parlament gerast und hatte dabei vier Menschen getötet. Am Unterhaus angelangt, fuhr er sein Auto in einen Zaun, stieg aus und drang in den Parlamentskomplex ein. Er erstach einen Polizeibeamten, bevor er selbst erschossen werden konnte.
Nach diesem Anschlag hat man die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Barrieren aus Stahl und Beton wurden errichtet und sollen verhindern, dass Autos oder Lastwagen in den Komplex eindringen können.
Anschläge „hoch wahrscheinlich“
Noch am frühen Nachmittag berief die Premierministerin Theresa May eine Sitzung des Krisenstabs COBRA ein. „Meine Gedanken“, sagte May, „sind mit denjenigen, die in Westminster verletzt wurden, und mein Dank geht an die Notfalldienste für ihre sofortige und mutige Reaktion.“Die offizielle Terrorwarnstufe im Königreich lautet „severe“, ernst, was bedeutet, dass eine Attacke „hoch wahrscheinlich“ist.
Rund 3000 sogenannte „subjects of interest“, also Terrorverdächtige oder Gefährder, gibt es laut offiziellen Angaben in Großbritannien. Weitere 20 000 Personen gelten als mögliche Sympathisanten.
Großbritannien wird seit Jahren von Anschlägen erschüttert. Bei der in jüngster Zeit schwersten Terrorattacke riss im Mai 2017 ein Selbstmordattentäter nach einem Konzert von Teenie-Star Ariana Grande in Manchester 22 Menschen mit in den Tod.