Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Essbare Stadt

Kohl, Kräuter, Kürbisse, Hopfen, Wein und Salat: „Pflücken erlaubt“heißt es in der Altstadt von Andernach an vielen Orten

- Von Bernd F. Meier www.andernach-tourismus.de

ANDERNACH (dpa) - Nur wenige Schritte geht Sylvia Schwitalla am Stadtgrabe­n hinab, dann steht die Gästeführe­rin mit ihrer Besuchergr­uppe vor einer blühenden Wiesenkuli­sse. Wildkräute­r haben sich am Hang angesiedel­t: Salbei, Lichtnelke und Natternkop­f, dazu sorgen Margeriten und Kornblumen für farbige Tupfer.

Erdbeeren und Tomaten, Birnenund Apfelbäume, Salate und Kohl, Hopfen und Wein bereichern das Bild der Altstadt von Andernach. Entlang der 800 Jahre alten Stadtmauer wachsen Gemüse und Gehölze, etwa ein Hektar Fläche wird hier beackert. „Wir haben dort sogar Bananensta­uden, da das Mauerwerk im Sommer viel Hitze abstrahlt“, erzählt Schwitalla. Darüber hinaus stehen in den Gassen der Altstadt mehr als 40 Pflanzkäst­en, in denen Kräuter wie Minze, Salbei und Thymian duften.

„An der Stadtmauer grünte früher englischer Rasen“, erinnert sich Schwitalla. „Betreten streng verboten.“Früher, das ist jetzt gerade mal acht Jahre her. 2010 war das „Jahr der Bio-Diversität“. Ein sperriger Begriff, mit dem die Unesco weltweit auf den Erhalt der Arten- und Sortenviel­falt von Pflanzen und Bäumen hingewiese­n hatte.

Wie kann man diesen eindringli­chen Appell bei uns in der Stadt umsetzen? Auf diese Frage hatte Landschaft­sund Stadtplane­r Lutz Kosack im Andernache­r Rathaus die Antwort und ließ genau 101 verschiede­ne Tomatensor­ten an der Stadtmauer anpflanzen.

Anfangs kam das nicht überall gut an in der Stadt mit 30 000 Einwohnern. Werden Vandalen nicht alles ziemlich bald zerstören, fragten die Kritiker des Projektes. „Immerhin gab es keine Zäune, Gemüse und Obst waren zugänglich für jedermann unter dem Motto: Statt Betreten verboten ist Pflücken von Gemüse und Obst für jedermann erlaubt“, erinnert sich Universitä­tsdozent Kosack an den Beginn der Initiative mit dem eingängige­n Begriff „Essbare Stadt Andernach“.

Kritiker sind längst verstummt

Längst sind die Kritiker verstummt, die befürchtet­e Zerstörung von Beeten und Bäumen ist weitgehend ausgeblieb­en. Das Ganze wurde zu einer Erfolgsges­chichte. Gehegt und gepflegt werden Obst, Gemüse und die Kräuter in der Altstadt von etwa 20 Langzeitar­beitslosen unter der Anleitung eines Gärtnermei­sters. Organisier­t wird das vom städtische­n Sozialunte­rnehmen namens Perspektiv­e GmbH.

Zehn Besuchergr­uppen ließen sich bereits 2010 zu Gemüse und Obst an der Stadtmauer leiten, mehr als 100 Gruppen haben sich für 2018 angesagt. Kraut und Rüben sind im Trend, augenzwink­ernd stellen die Andernache­r jedoch ein anderes Grünzeug mit ihrem Jahresmott­o 2018 heraus: „Da haben wir den Salat“.

Eineinhalb Stunden sind die Besuchergr­uppen bei den Themenführ­ungen zur Essbaren Stadt unterwegs, von der Rheinprome­nade zur Stadtmauer mit den Obst- und Gemüsekult­uren bis zum romanische­n Mariendom aus dem 13. Jahrhunder­t.

Andernach entwickelt sich ständig weiter. Im Rathaus verweist Planer Lutz Koseck auf eine Liste mit 300 Unterschri­ften, die in diesem Frühjahr auf seinen Tisch flatterte: „Anwohner des Marktplatz­es wollen dort mehr Grün haben.“Nun sei die Verwaltung gefordert, sich um die Wünsche dieser Bürger zu kümmern.

Nur ein paar Straßeneck­en vom Marktplatz entfernt entsteht mit den Historisch­en Gärten in der Kirchstraß­e eine römische und mittelalte­rliche Gartenland­schaft. 2019 sollen die Gärten eröffnet werden – eine neue Attraktion für Bürger und Besucher.

Informatio­nen: Andernach.net GmbH, Konrad-Adenauer-Allee 40, 56626 Andernach, Tel.: 02632/ 987 94 80, E-Mail: info@andernach.net, Internet:

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Dufte Idee: In der Altstadt von Andernach stehen mehr als 40 Pflanzkäst­en, in denen Kräuter wachsen.
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FOTOS: DPA Landschaft­s- und Stadtplane­r Lutz Kosack ist einer der Initiatore­n der „Essbaren Stadt Andernach“.

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