Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ziegen büxen gleich zweimal aus: Hoher Zaun soll dritte Flucht verhindern
Wie drei clevere Vierbeiner ihren Weg in den Biergarten fanden – und dabei Blumentöpfe kahl fraßen
KEMPTEN (sih) - Wenn um 18 Uhr die Messe endet, verlagert sich der Trubel auf der Festwoche endgültig in die Biergärten und Festzelte. Und so dachten sich wohl auch die Ziegen auf der Ausstellungsfläche des Vereins „Mir Allgäuer“am Samstag gegen halb sieben: „Feierabend, auf geht’s ins Getümmel“. Der Zaun von etwa 1,20 Metern war schnell überwunden und was zum Naschen auch rasch gefunden: Sonnenblumen beim Mohrenwirt. Das ganze gleich zweimal hintereinander. Jetzt soll ein viel höherer Zaun eine dritte Flucht verhindern.
Jeden Tag stehen sie brav in ihrem Gehege im Schulhof der staatlichen Realschule, lassen sich streicheln und freuen sich über die Aufmerksamkeit der Besucher: Die Ziegen des Vereins „Mir Allgäuer“, der auf der Festwoche ein Café und einen kleinen Streichelzoo betreibt. So soll Werbung für Ferien auf dem Bauernhof gemacht werden.
Seit drei Jahren schon ziehen die Vierbeiner im Sommer vom SoyerHof in Rettenberg für zehn Tage nach Kempten. „Die Ziegen sind also schon messeerfahren“, sagt Geschäftsführerin Sabine Hartmann mit einem Augenzwinkern. Abends haben sie bisher immer ihre Ruhe genossen, außerdem waren sie vergangenes Jahr noch zu klein, um über den Zaun zu kommen.
Heuer freilich wollten sie wohl etwas erleben. Erst erklommen sie die Heuballen in ihrem Gehege, dann den Zaun. Und schon ging es los in Richtung Mohrenwirt, als Wegzehrung diente die Blumendekoration vor den Hallen auf dem Schulgelände. Am Ziel angekommen, taten sich Hannah, Hänsel und Gretel an den Sonnenblumen im Biergarten gütlich. „Da haben wir nicht schlecht gestaunt, als plötzlich die Tiere auftauchten“, sagt Beate Rothärmel. Die Frau des Wirts hat nicht lange gezögert und die Ausreißer wieder zurückgebracht.
Ein paar Minuten später standen die Ziegen aber schon wieder an den Tischen. „Unsere Gäste fanden die ganze Sache ziemlich lustig“, sagt Rothärmel. Dem zweiten Ausflug der Vierbeiner bereitete die Festwochen-Security ein Ende – und erhöhte kurzerhand den Zaun um 60 Zentimeter.
Geschäftsführerin Sabine Hartmann ist samt Tochter Madeleine gleich wieder zurück auf die Festwoche gefahren, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. „Wir sind froh, dass die Ziegen nur an die Blumendekoration geraten sind und nicht den Gärtnerstand gefunden und kahl gefressen haben.“Ihre Tochter ist erleichtert, dass die Ziegen gesund und munter wieder da sind. Zusammen mit ihren Freunden Jolina und Colin kümmert sich die Zehnjährige unter Tags um die Vierbeiner und weiß: „Ziegen klettern einfach gerne.“
Aber wie kommt es, dass die Ziegen auf Wanderschaft gingen, während Schafe auf Weihnachtsmärkten meist still und stumm in ihren Gehegen bleiben? „Ziegen sind im Gegensatz zu Schafen extrovertiert. Sie sind clever – und vor allem neugierig“, erklärt Oliver Post, Vorsitzender der Kreuzthaler Bürgerstiftung Kultur Landschaft Adelegg. Er betreibt einen Ziegenhof mit 60 Muttertieren. „Die Tiere sind zutraulich und ideenreich. Wenn sie sich etwas in den Kopf setzen, finden sie Mittel und Wege, ihren Willen durchzusetzen. Außerdem sind sie auf Buntes fixiert.“
Kein Wunder also, dass die drei nichts mehr im Zaum halten konnte, als sie die Blumendekoration entdeckt hatten. „Wenn Ziegen auf eine Wiese kommen, fressen sie als Allererstes die eiweißhaltigen Blüten. Sie sind Feinschmecker.“