Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ansturm auf Notaufnahmen ist zu groß
OSK lehnt Patientengebühr dennoch ab. Angespannte Situation in Bad Waldsee.
● RAVENSBURG/BAD WALDSEE - Immer mehr Menschen gehen im Krankheitsfall in die Notaufnahme einer Klinik, anstatt sich an einen Arzt zu wenden. Für die Krankenhäuser ist das ein riesiges Problem. Denn das bedeutet nicht nur unnötige Mehrarbeit. Die Krankenhäuser zahlen für jeden Patienten auch noch erheblich drauf.
Beispiel Oberschwabenklinik: Fast 58 000 Patienten versorgte der Ravensburger Klinikverbund im vergangenen Jahr in seinen Notaufnahmen. Das sind fast ein Drittel mehr als noch zehn Jahre zuvor. Im Krankenhaus St. Elisabeth war die Steigerung mit 43 Prozent auf fast 35 000 Fälle noch höher. Besonders angespannt allerdings ist die Situation in der Notaufnahme in Bad Waldsee: Dort werden mittlerweile doppelt so viele Patienten behandelt als noch vor zehn Jahren (3744 Patienten waren es 2007, im Jahr 2008 bereits 4244 und 2017 wurden 7346 Patienten registriert).
Vorschlag: 50 Euro Strafgebühr
Den Krankenhäusern müsste daher ein aktueller Vorschlag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gefallen. Die Idee: Patienten, die in die Notaufnahme einer Klinik gehen, aber lediglich Bagatell-Beschwerden haben, sollen 50 Euro Strafgebühr bezahlen. Als Abschreckungseffekt.
Dr. Jan-Ove Faust, Direktor Medizin und Behandlung der Oberschwabenklinik (OSK), hält diesen Gedanken für fragwürdig: „Wer legt fest, ob der Patient ein Kliniknotfall war oder nicht? Wer legt fest, wann ein Fall so leicht war, dass eine Strafe für einen vermeidbaren Besuch der Notaufnahme angemessen ist?“Faust rechnet diesbezüglich nicht nur mit „viel Verdruss und Bürokratie“, sondern unter Umständen sogar mit rechtlichen Auseinandersetzungen, wenn sich ein Patient weigern würde, die 50 Euro zu bezahlen.
Faust hält auch nicht viel davon, Patienten durch eine mögliche Strafgebühr vom Aufsuchen der Krankenhausnotaufnahme abzuhalten: „Es gibt leider immer wieder Fälle, in denen zu lange gezögert wird. Eine Gebühr mit Abschreckungseffekt kann im Einzelfall fatale Folgen haben.“
Auffallend sei dagegen, dass vor allem jüngere Patienten viel häufiger in die Notaufnahme gehen als ältere. Weil’s bequemer ist. Das Krankenhaus hat immer offen, auf einen Behandlungstermin muss man nicht Wochen warten. Nicht zuletzt spielt aber auch eine Rolle, dass Haus- und Fachärzte keine Nachfolger finden und daher der zu erwartende Arzttermin oftmals zur Nervenprobe wird.
Diese Tendenzen spiegeln sich in den Erfahrungen der OSK. Jan-Ove Faust: „Wir können die Tage genau ausmachen, an denen die Notaufnahmen der Kliniken besonders hoch frequentiert sind: Es sind die Brückentage in den Feiertagsphasen, wenn Praxen in großer Zahl geschlossen bleiben, sowie mittwochs und freitags, wenn die Praxen früher schließen.“
Nach Untersuchungen der OSK hätte ein Drittel der registrierten Notaufnahme-Patienten genauso gut eine niedergelassene Haus- oder Facharztpraxis aufsuchen können. Gut ein Drittel der Notfallpatienten wird stationär aufgenommen.
Für die Krankenhäuser sind die vielen Notfallpatienten inzwischen auch ein finanzielles Problem. Im Schnitt erhält eine Klinik für die Behandlung dieser Personen ein Entgelt von 53 Euro, Kosten fallen allerdings in der Höhe von durchschnittlich 115 Euro an. Faust: „Die OSK muss pro Jahr aus ihren Notaufnahmen ein Defizit von rund drei Millionen Euro intern ausgleichen. Tendenz steigend.“
Praxis in Waldsee erhofft
Hilfreich für die Entlastung der Mitarbeiter der OSK-Ambulanzen sind die Notfallpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung im St-ElisabethenKlinikum in Ravensburg (seit 2012) und im Westallgäu-Klinikum in Wangen (seit 2011) an Wochenenden und Feiertagen. „Die Praxen haben in diesen beiden Städten den Ansturm auf die Notaufnahmen deutlich abgepuffert, sonst wären die Steigerungen in den Notaufnahmen dort noch höher. In Bad Waldsee ist dieser Effekt nicht spürbar, da es hier keine Notfallpraxis gibt. Wir haben der Kassenärztlichen Vereinigung schon mehrfach signalisiert, dass wir in Bad Waldsee eine Notfallpraxis begrüßen und im Rahmen der Kooperation auch hier Räume zur Verfügung stellen würden“, teilte OSK-Sprecher Winfried Leiprecht auf SZ-Anfrage mit. Bislang gebe es von der Kassenärztlichen Vereinigung aber keine Signale für eine Notfallpraxis in der Kurstadt. Da sich ein Waldseer Patient kaum auf den Weg nach Wangen, Ravensburg oder in die Notfallpraxis am Krankenhaus 14 Nothelfer in Weingarten mache, sei die Überbeanspruchung der Notaufnahme in Bad Waldsee besonders hoch.
Aus Sicht des OSK-Klinikdirektors Jan-Ove Faust ist neben den Notfallpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung eine andere Sache für die Kliniken entscheidend: „Dass akzeptiert wird, dass ein Krankenhaus auf die Versorgung schwerer erkrankter oder verletzter Patienten ausgerichtet ist und Fälle für den niedergelassenen Arzt an andere Stellen gelenkt werden müssen.“