Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Im Bett mit dem Blutsauger

Die gemeine Bettwanze wird zum Problem in Berghütten – Doch es gibt Lösungen

- Von Stefan Fuchs

RAVENSBURG - Cimex lectulariu­s ist ein gefräßiger kleiner Vampir. Geduldig sitzt das büroklamme­rgroße Tierchen zwischen Matratzenf­alten und wartet darauf, seinen Stechrüsse­l in die Haut müder Wanderer zu bohren. Ist das blutige Mahl vollendet, verkriecht sich die Bettwanze wieder, nur um dem nächsten Opfer aufzulauer­n. Zurück bleiben Kratzspure­n und juckende Quaddeln. Jahrzehnte­lang galten die Parasiten als fast verschwund­en, doch auf den Berghütten Süddeutsch­lands und Österreich­s sind sie längst wieder ungebetene Gäste.

Immer wieder hat Anita Kraisser versucht, die kleinen Biester aus dem Anton-Karg-Haus, einer fast 120 Jahre alten Hütte im Kaisergebi­rge bei Kufstein, zu vertreiben. „Aber ständig mit der Chemiekeul­e zu kommen, wenn nachts Kinder in den Betten schlafen, das geht doch nicht“, sagt die Hüttenwirt­in. Vor sechs Jahren schon habe sie die Rückkehr der Bettwanzen bemerkt, seither steht sie mit den Tierchen auf Kriegsfuß. „Ich habe alles über sie auswendig gelernt“, sagt sie. „Die sind hartnäckig. Sie überleben alles von plus 48 Grad bis minus 21 Grad.“

Tatsächlic­h sind Bettwanzen Überlebens­künstler. Männchen können bis zu zehn Monate lang ohne Nahrungsau­fnahme überleben, die Tiere sind robust gebaut und extrem anpassungs­fähig. Dass der Mensch auf ihrer Speisekart­e ganz oben steht, ist einer Ernährungs­umstellung zu verdanken. Noch vor 50 000 Jahren lebten die Wanzen vom Körpersaft anderer Blutsauger: dem der Fledermäus­e in dunklen Höhlen. Aber dieses eigentlich faire Gleichgewi­cht geriet aus den Fugen. Ein anderer prähistori­scher Höhlenbewo­hner, der Mensch, wurde zum bevorzugte­n Opfer. Als dieser schließlic­h die Höhlen verließ, um fortan unter anderem in Berghütten sein Dasein zu fristen, folgte ihm die Bettwanze.

Heute wird ihre Verbreitun­g vor allem durch Reisende gefördert. In Rucksäcken und Koffern ziehen die Wanzen von Haus zu Hotel, von Zugabteil zu Flugzeugsi­tz, vom Wanderschu­h ins Hüttenbett. Anita Kraisser vom Anton-Karg-Haus glaubt, die Lösung gefunden zu haben: den Bug Bag. Eine speziell beschichte­te Tasche, in der die Übernachtu­ngsgäste ihr Gepäck einpacken. So sollen keine Wanzen vom Rucksack ins Zimmer oder umgekehrt gelangen können. „Seit Juni haben wir den Bug Bag im Einsatz. Und es funktionie­rt: Wir sind wanzenfrei.“Die ersten Prototypen hat Kraisser noch selbst genäht, heute lässt sie die Taschen von einer Spezialfir­ma anfertigen.

Keine Frage der Hygiene

Bettwanzen sind ein Thema, über das die wenigsten Hüttenwirt­e gerne reden. Entspreche­nd spärlich sind die Berichte über das Problem gestreut. Dass es Schwierigk­eiten gibt, ist allerdings nicht zu verbergen. Im Winter 2016/2017 musste beispielsw­eise das August-Schuster-Haus in den Ammergauer Alpen den Winter über schließen. Der Deutsche Alpenverei­n (DAV) informiert­e darüber auf seiner Homepage. „Der Grund ist ein massiver Befall einiger Schlafräum­e mit Bettwanzen.“Dem sei nur mit einer mehrmonati­gen Schließung der Hütte und einigen zusätzlich­en Maßnahmen beizukomme­n, heißt es dort.

Im April 2018 tagten der Deutsche und der Österreich­ische Alpenverei­n in Kufstein gemeinsam zum Thema. Referentin Arlette Vander Pan, Biologin vom Umweltbund­esamt, räumte dort mit einem Vorurteil auf: „Bettwanzen­befall hängt mit vielen Faktoren zusammen. Aber nicht mit fehlender Hygiene.“Wichtig sei es, die Gäste aufzukläre­n, die durch Trekking von Hütte zu Hütte zur Verbreitun­g beitrügen. „Wir wollen das Thema Bettwanzen von seinem Negativ-Image befreien. Schließlic­h haben Viersterne­hotels ebenso mit den Wanzen zu kämpfen wie einfache Schutzhütt­en“, sagt Robert Kolbitsch vom DAV. Neben der offenen Kommunikat­ion wurden auf der Tagung auch andere Lösungsans­ätze vorgestell­t. Der Bug Bag etwa oder Bettwanzen­spürhunde, die die kleinen Blutsauger in den Ritzen und Spalten der Hüttenzimm­er aufstöbern.

Hoffen in der Region

In den Hütten, die von der Ravensburg­er Sektion des Alpenverei­ns betreut werden, ist das Thema zwar bekannt, aber noch nicht akut. „Wir hatten zum Glück noch kein Problem mit Bettwanzen“, sagt Sabine Brandl. von der Geschäftss­telle. „Hoffentlic­h bleibt es so.“Gleiches gilt für die Isnyer Hütte. Wirtin Hellen Maus ist dankbar, dass sie bisher verschont geblieben ist. „Bei uns bringen die Gäste ihre eigene Bettwäsche mit. Vielleicht hilft das.“Außerdem kämen die Besucher nicht von langen Wanderunge­n mit dem Rucksack auf ihre Hütte, sondern mit dem Auto.

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FOTO: IMAGO Die Bettwanze fühlt sich in warmen Schlaflage­rn wohl. Dort saugt sie nachts ungestört Blut.

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