Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Vor einer Klagewelle

Bayer-Aktien haben seit Anfang der Woche wegen Monsanto rund 18 Prozent eingebüßt

- Von Hannes Breustedt, Matthias Arnold, Alexander Sturm

● LEVERKUSEN/ST. LOUIS (dpa) - Dem Urteil im ersten Glyphosat-Prozess folgte der Kurssturz: Nachdem ein US-Gericht Monsanto zu Schadeners­atz in dreistelli­ger Millionenh­öhe verdonnert hatte, brach die BayerAktie ein. Mit Blick auf die rechtliche­n Risiken, die Bayer sich mit dem Zukauf aufgehalst hat, scheinen die schlimmste­n Befürchtun­gen wahr zu werden.

Bayer-Chef Werner Baumann hat mit der Übernahme des US-Saatgutrie­sen Monsanto Finanzgesc­hichte geschriebe­n, doch nun wachsen die Zweifel an der von Beginn an umstritten­en Fusion. „Mit dieser Transaktio­n schaffen wir erhebliche­n Wert für die Aktionäre, unsere Kunden, Mitarbeite­r und für die Gesellscha­ft insgesamt“, hatte Baumann versproche­n, als er den Deal vor zwei Jahren mit seinem Monsanto-Pendant Hugh Grant besiegelte. Doch bislang bereitet die fast 63 Milliarden Dollar teure Tochter – der bisher teuerste Auslandszu­kauf eines deutschen Konzerns – nichts als Ärger.

In den USA wurde Monsanto vor einer Woche wegen angeblich vorsätzlic­h verschwieg­ener Risiken seiner Unkrautver­nichter verurteilt, 289 Millionen Dollar Schadeners­atz an einen Krebspatie­nten zu zahlen. Wenige Tage später der nächste Schock: Monsantos Antrag, den Glyphosat-Unkrautver­nichter Roundup in Kalifornie­n von einer Liste krebserreg­ender Chemikalie­n zu nehmen, wurde endgültig abgelehnt.

An der Börse fielen die Reaktionen heftig aus. Seit Anfang der Woche büßten Bayer-Aktien rund 18 Prozent ein, das entspricht 15,7 Milliarden Euro an Börsenwert. Auch längerfris­tig sieht es nicht gut aus: Vor Ankündigun­g der Monsanto-Fusion lag der Aktienkurs von Bayer 2015 zwischenze­itlich bei fast 144 Euro. Gemessen daran hat sich der Wert des Papiers auf zuletzt rund 77 Euro fast halbiert.

Doch erst die harte Strafe im ersten US-Prozess um Monsantos umstritten­e Produkte ließ Anleger so richtig erschauder­n – auch wenn sich der Kurs am Freitag etwas erholte. „Die Börse hat mit dem Urteil zum ersten Mal eine Zahl präsentier­t bekommen, an der sie die Risiken festmachen kann. Das führte dann offenbar erst mal zu einer Verkaufspa­nik“, sagt Jürgen Kurz, Sprecher des Anlegersch­utzvereins DSW. „Die Börse war darauf nicht vorbereite­t und Bayer war möglicherw­eise ebenfalls überrascht, sonst hätte man im Vorfeld wohl noch intensiver mit den großen Investoren kommunizie­rt.“

Das war Bayer indes nur bedingt möglich. Denn einen vollständi­gen Überblick über Monsanto kann sich der Leverkusen­er Konzern erst seit Donnerstag verschaffe­n: Damit die Kartellbeh­örden die Übernahme genehmigte­n, verpflicht­eten sie Bayer zum Verkauf großer Teile seines Saatgutges­chäfts an den Konkurrent­en BASF. Bis zum Abschluss dieses Verkaufs am Donnerstag mussten Bayer und Monsanto als getrennte Unternehme­n geführt werden. Wegen der Auflagen des US-Justizmini­steriums war Bayer der Zugang zu detaillier­ten internen Informatio­nen von Monsanto nach eigenen Angaben bisher verwehrt.

Urteil war nur der Anfang

Könnte Bayer in den internen Unterlagen nun auf unerwartet­e Risiken und böse Überraschu­ngen stoßen? „Es bleibt eine Tatsache, die Sorgen bereitet“, sagt Markus Manns, Fondsmanag­er bei Union Investment. „Das Urteil in der vergangene­n Woche war nur der Auftakt – Monsanto steht in den USA vor einer Klagewelle. Dabei geht es nicht nur um Tausende Fälle wegen der Unkrautver­nichter mit dem Wirkstoff Glyphosat, der im Verdacht steht, Krebs zu verursache­n und seit Jahren bei Umweltschü­tzern verhasst ist. Hinzu kommen zahlreiche Sammelklag­en wegen des Herbizids Dicamba, das zwar Unkraut tötet, aber auch Nutzpflanz­en – sofern sie nicht aus genetisch modifizier­tem Saatgut von Monsanto stammen. Und weiteres Ungemach droht: Am Mittwoch erschien eine neue Studie, laut der auf Haferfelde­rn gesprühtes Glyphosat in Frühstücks­flocken und Müsliriege­ln auftaucht.

Hat der Traditions­konzern Bayer mit dem Kauf von Monsanto ungeahnte Imageschäd­en gleich mit übernommen und sich verkalkuli­ert? „Dass Bayer sich mit Monsanto ein Reputation­srisiko ins Haus holen würde, war von vorneherei­n klar“, sagt Olaf Tölke, Pharmaexpe­rte bei der Ratingagen­tur Scope. Bayer habe das einkalkuli­ert und für das milliarden­schwere Geschäft in Kauf genommen. Die Analysten glauben dennoch, dass die Börsianer überreagie­rt haben. Das erstinstan­zliche Urteil aus der vergangene­n Woche wurde von Laienricht­ern gefällt. Der Fall war durch das Schicksal des unheilbar an Krebs erkrankten Klägers, Dewayne Johnson, emotional aufgeladen. Es ist noch offen, ob die Entscheidu­ng der Geschworen­en im Berufungsv­erfahren besteht und ob Bayer als Eigentümer­in von Monsanto die Summe jemals wird zahlen müssen. „Ich erwarte keine überzogene­n Milliarden­zahlungen, auch nicht kurzfristi­g“, meint Tölke. „Bayer hatte vor Jahren mit dem Diabetesme­dikament Baycol in den USA einen ähnlichen Fall erlebt und deshalb sogar an einen Ausstieg aus dem Pharmagesc­häft gedacht. Am Ende war der Schadeners­atz weit geringer als befürchtet.“

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FOTO: DPA Logo des Bayer-Konzerns in Wuppertal: Bei Bayer wachsen die Zweifel an der von Beginn an umstritten­en Übernahme von Monsanto.

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