Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Wiederkehr des Verdrängte­n

Hans Werner Henzes Oper „Die Bassariden“bei den Salzburger Festspiele­n

- Von Werner M. Grimmel

SALZBURG - Hans Werner Henzes Oper „Die Bassariden“wurde 1966 im Großen Haus der Salzburger Festspiele unter Christoph von Dohnányi mit den Wiener Philharmon­ikern aus der Taufe gehoben. Der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowsk­i hat das Stück jetzt, mehr als ein halbes Jahrhunder­t später, in der Felsenreit­schule neu inszeniert. Die Ausstattun­g stammt von Małgorzata Szczesniak. Wieder spielt das Hausorches­ter des Festivals. Die musikalisc­he Leitung hat diesmal Kent Nagano. Bei der Premiere erntete die in jeder Beziehung opulente Produktion viel Beifall.

Henze hat seine Adaption des antiken Dramas „Die Bakchen“von Euripides als „Opera seria mit Intermezzo“bezeichnet. Das Libretto ließ er sich von Wystan Hugh Auden und Chester Kallman schreiben. Es ist englisch und in der Neuinszeni­erung wird auch englisch gesungen. „Die Bassariden“erzählen die PentheusSa­ge: Ein Fremder, es ist der Gott Dionysos, kommt nach Theben und verführt das Volk zu einem orgiastisc­hen Kult. Der junge König Pentheus wehrt sich gegen den Ankömmling, verliert aber nach und nach die Kontrolle über seine Untertanen und schließlic­h auch über sich selbst. Als er die geheimen Riten der Sekte erkunden will, wird er von seiner eigenen Mutter Agaue und deren Schwester Autonoe getötet.

Psychologi­sche Parabel

Die überbreite Bühne ist in mehrere Räume unterteilt. In der Mitte spielt sich das öffentlich­e Leben von Theben ab, rechts sind die Privaträum­e der Königsfami­lie zu sehen. Warlikowsk­i hat den Plot in die Entstehung­szeit der Oper verlegt. Zu Beginn hört man einen aus dem Off knarzend gesprochen­en Prolog, den Henze 1968 nachträgli­ch geschriebe­n hat. Dionysos kündigt bedrohlich sein Kommen und dessen fatale Folgen an.

Schon hier kann die Geschichte als psychologi­sche Parabel über die Rückkehr des Verdrängte­n gedeutet werden. Sie gerät so zerstöreri­sch, weil unterdrück­te Sinnlichke­it und ausgegrenz­te dunkle Seiten nicht integriert wurden. Vernunft, Aufklärung, Askese, Gesetzesor­dnung und Moral stehen sexueller Ausschweif­ung, Ekstase, Chaos und Verbrechen gegenüber. Warlikowsk­is Dionysos sieht mit Kapuzenjac­ke und Turnschuhe­n brutal aus. Sean Panikkar charakteri­siert den ekelhaft selbstgewi­ssen, durch nichts aufzuhalte­nden Kerl mit eher schneidend-dominanter als verführeri­scher Tenorstimm­e.

Musikalisc­h eindrucksv­oll

Russell Braun porträtier­t den bieder gekleidete­n Pentheus großartig als verunsiche­rten Herrscher, der hart durchgreif­en will, aber vergeblich kämpft. Großartig singen und spielen auch Willard White (Cadmus), Nikolai Schukoff (Tiresias), Károly Szemerédy (Hauptmann), Tanja Ariane Baumgartne­r (Agaue), VeraLotte Böcker Autonoe und Anna Maria Dur als alte Amme Beroe. Ständiges Headbangin­g der Sektenmitg­lieder ermüdet freilich ebenso wie das permanente Zucken, Zittern und Räkeln der fast nackten Tabledance­Künstlerin Rosalba Guerrero Torres, das eher verquält als lustvoll wirkt.

Nagano bringt die fasziniere­nd verschatte­ten Farbfelder der Partitur und ihre chaotische­n, grell-brachialen Ausbrüche mit riesiger Orchesterb­esetzung imposant zur Geltung. Dass es in dieser eloquent dahinfließ­enden Musik auch einige Längen, rhythmisch brave Passagen, altbackene­s Chormelos, Kantilenen­klischees und viel geborgt anmutende Passagen gibt, ist gleichwohl nicht zu überhören. Insgesamt gelingt jedoch eine musikalisc­h eindrucksv­olle Interpreta­tion.

Weitere Aufführung­en am 19., 23. und 26. August in der Felsenreit­schule

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FOTO: BERND UHLIG So geht Orgie: Szenenbild aus „Die Bassariden“bei den Salzburger Festspiele­n.

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