Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ritt auf dem Rück

Abseits der Massen können Radler das Hinterland des Bodensees entdecken

- Von Kerstin Conz

K● ühle Wälder, einsame Wege und eine traumhafte Aussicht auf Vulkane, Alpen und den Bodensee – auf der Bodanrück-Tour entkommen Radler den Touristenm­assen am Bodensee. Die Runde ist anspruchsv­oll und nicht unbedingt geeignet für Familien mit Kindern oder quengelnde­n Teenagern. Doch mit dem Pedelec ist die Tour auch für Sonntagsfa­hrer machbar – vorausgese­tzt, der Akku hält.

Los geht’s am Bodensee-Radwanderw­eg in Konstanz. Egal, ob man mit dem Katamaran, dem Zug oder der Fähre ankommt – der BodenseeRa­dwanderweg führt fast direkt an den Anlegestel­len beziehungs­weise dem Bahnhof vorbei. Erstes Highlight ist nach ein paar Kilometern die Insel Mainau. Wer den ganzen Tag eingeplant hat, kann hier einen Stopp einlegen. Kinder haben freien Eintritt und vergnügen sich am liebsten beim Wasserspie­lplatz. Eine Oase der Ruhe ist auch an starken Besucherta­gen das Café Vergissmei­nnicht, das Jugendlich­e betreiben.

Durch eine schattige Allee, die immer wieder den überwältig­enden Blick auf den Bodensee freigibt, führt die Tour weiter Richtung Litzelstet­ten. Vor dem Ort kommt die erste kurze Steigung, danach geht es am Strandbad vorbei Richtung Dingelsdor­f und Wallhausen, wo ebenfalls Strandbäde­r locken. Wer keinen Proviant dabei hat, sollte sich unbedingt im Restaurant Ufer 39 am Strandbad Wallhausen stärken, denn unmittelba­r nach dem Bad kommt die größte Steigung hinauf auf den Bodanrück. Die Halbinsel zwischen dem Überlinger See und dem Untersee besticht zwar durch ihre Landschaft, doch Einkehrmög­lichkeiten sind hier eher rar.

Oben angekommen zeigt der Blick auf den Tacho, dass der Anstieg seinen Tribut gefordert hat. Zwei der fünf Balken auf der Akku-Anzeige des Pedelecs sind weg – dabei liegen zwei Drittel der Tour noch vor uns.

Die zweite Herausford­erung ist die Wegbeschre­ibung. Abseits des Bodensee-Radwanderw­egs gibt es keine durchgehen­de Beschilder­ung. Wirklich verfahren kann man sich allerdings nicht. Irgendwo weist dann doch noch ein Schild auf die nächste Ortschaft hin.

Wir queren die Hauptstraß­e vor Langenrain und folgen dem Radweg nach Freudental. Endlich. Es geht wieder bergab! Schön ist es hier. Schon von weitem sichtbar thront Schloss Freudental über dem Dorf. Wir sind so begeistert, dass wir die Abzweigung vor dem Ort verpassen. Doch der Umweg lohnt sich. Unmittelba­r hinter dem Ort kommt linker Hand die Bauernstub­e Litz, in der man unter Obstbäumen neben Eseln und Lamas etwas essen und trinken kann. Nur dumm, dass die Stube erst ab 15 Uhr geöffnet ist. Nur sonntags ist schon ab zehn Uhr offen. Wer hier gelandet ist, kann sich entscheide­n: Wieder nach Freudental zurückfahr­en oder direkt hinunter nach Kaltbrunn rollen und die Tour abkürzen? Für Radler mit Kindern sicher eine Alternativ­e.

Wir widerstehe­n der Versuchung. Schließlic­h wollen wir noch zum Mindelsee. Also zurück zum Ort und ab Richtung Möggingen. Wieder geht es bergauf, bergab durch den Wald. Mit gutem Profil ist man hier klar im Vorteil. Die Mountainbi­kerin triumphier­t und mir macht der Akku Sorgen. Irgendwo beim Mindelsee verschwind­et der dritte Balken auf der Anzeige. Der Strom wird knapp, aber es könnte reichen. Die Hälfte ist schließlic­h geschafft und die größte Steigung bewältigt. An fast jeder

Kreuzung stehen Radler und brüten über ihren Karten. Wir scheinen nicht die einzigen zu sein, die mit ihrer Wegbeschre­ibung kämpfen.

Kurz vor Möggingen geben die Bäume den Blick frei auf die HegauVulka­ne, die Alpen und den Mindelsee. Der gut zwei Kilometer lange Gletscherz­ungensee ist ein echtes Kleinod. Das Naturschut­zgebiet ist neben dem Wollmating­er Ried bei Konstanz das einzige offizielle internatio­nal bedeutsame Feuchtgebi­et für Watt- und Wasservöge­l im Südwesten. Vor allem, wenn in den Urlaubszei­ten die Strandbäde­r am Bodensee überlaufen sind, gilt der See als Geheimtipp. Allerdings gibt es nur eine Badestelle, die man in wenigen Minuten vom Wanderpark­platz in Möggingen erreicht.

Doch statt in den Badeanzug schlüpfen wir in die Regenjacke­n und starren wieder auf die Karte. Es ist kalt und wir haben Hunger. Jenseits der Touristenp­fade sollte man unbedingt einen Riegel mehr einpacken, denn viele Restaurant­s haben erst abends geöffnet. Beim Gedanken an herzhafte Landjäger müssen wir eine Abfahrt verpasst haben. Statt beim Parkplatz Richtung Wildpark Allensbach landen wir in Markelfing­en. Macht nichts. Vom Bodanrück führen alle Wege zum Bodensee – davon sind wir inzwischen überzeugt. Wir kaufen am Straßenran­d ein Kilo Obst, üben uns im Kernweitsp­ucken und diskutiere­n die Strategie für die letzte Etappe nach Konstanz.

Es tröpfelt und wir entscheide­n uns gegen den Schlenker nach Kaltbrunn, von wo aus es durch schattige Wälder zurück nach Konstanz gehen würde. Uns zieht es hinunter zum Bodensee-Radwanderw­eg. Hier ist zwar mehr los, doch über uns hängen bedrohlich schwarze Wolken, und die Akkuanzeig­e auf dem Tacho zeigt nur noch einen Strich. Die Strategie geht auf: Kurz vor dem Wolkenbruc­h sitzen wir beim Kaffee, und der Akku hält bis Konstanz. Dort angekommen sind wir trotz Abkürzung stolz auf uns. Mit 58 Kilometern haben wir sogar vier Kilometer mehr auf dem Tacho als die Tour eigentlich haben sollte.

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FOTOS: KERSTIN CONZ Der Mindelsee ist einer der Höhepunkte der Bodanrück-Tour. Wer in der Hochsaison dem Trubel am Bodensee entkommen möchte, findet hier eine Oase der Ruhe.
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Schön sitzen kann man im Rosenstübl­e auf dem Bodanrück.

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