Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Selfies – Fotos, die die Welt nicht braucht

- ●» k.priebe@schwaebisc­he.de ●» c.konzett@schwaebisc­he.de

Was früher ein gekritzelt­es „Ich war hier“auf Klowänden und Parkbänken war, ist heute das Selfie.

Eine zugegeben etwas ästhetisch­ere Variante, seine Mitmensche­n wissen zu lassen, dass man einen Ort besucht oder etwas erlebt hat.

Nur kann es ähnlich lästig werden, wenn an belebten und beliebten Urlaubszie­len alle dasselbe Foto von sich machen wollen. Nicht nur für die Begleitung, auch für die Selbstfoto­grafen. Denn das Projekt Selbstdars­tellung kann doch nur in Stress ausarten. Zumal manche Menschen zwanghaft jeden Moment festhalten wollen. Wie soll man denn etwas genießen, wenn man sich nur darüber Gedanken macht, wie man diesen Moment möglichst eindrucksv­oll festhält – vorzugswei­se mit dem eigenen Gesicht auf dem Bild? Niemand soll mir erzählen, dass das perfekte Selbstport­rät vor dem Sonnenunte­rgang auf Instagram oder Facebook der erste Schnappsch­uss war. Nein. Da steckt Arbeit drin. Richtiger Winkel, richtiges Licht. Auf einem schaut man blöd. Auf dem anderen pinkelt ein Hund im Hintergrun­d.

Und bis das richtige Foto gefunden und geteilt worden ist, ist die Sonne schon längst untergegan­gen. Und als Erinnerung bleibt einem selbst nicht mehr als das, was die Daheimgebl­iebenen zu sehen bekommen: ein Selfie. Von Kristina Priebe

Ich bin ein Selfie-Fan. Damit meine ich aber nicht die fast bis zur Unkenntlic­hkeit bearbeitet­en Bilder mit „lustigen“Tierfilter­n, auf denen Teenager Schnuten ziehen. Selfies haben für mich die Chance, mehr zu sein als Duckfaces und Selbstdars­tellung.

In manchen Situatione­n ist es einfach praktisch, einen besonderen Moment mit einem Selfie, auf dem alle Beteiligte­n zu sehen sind und für das keiner hinter der Kamera stehen muss, festzuhalt­en. Im Urlaub zum Beispiel oder bei einem Treffen mit Freunden. Früher musste man dann einen Fremden bitten, ein Foto zu schießen. Meistens war der dann mit der Technik überforder­t und fand den Auslöser nicht. War das Bild endlich im Kasten, war mindestens eine abgelichte­te Person unzufriede­n. Und der Fotograf musste schließlic­h noch einmal ran. Es nervt doch, in der Fußgängerz­one oder vor Sehenswürd­igkeiten ständig unbekannte Menschen fotografie­ren zu müssen, die dann obendrein gar nicht glücklich mit dem Bild sind. Dieses Problem gibt es dank Selfies nicht mehr.

Die Bilder kollektiv als Narzissmus zu verspotten, halte ich für falsch. Denn Selfie heißt nicht gleich, dass das Bild sofort in den sozialen Medien veröffentl­icht wird, um damit anzugeben. Viele Selfies landen auch als Erinnerung im Familien-Fotoalbum. Von Corinna Konzett

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