Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Eroberer, Eiertänzer und ein Phantom

Kennen Sie den? – An Badesee und Urlaubsstr­and tummeln sich seltsame Typen

- Von Cordula Dieckmann

A● n heißen Tagen wie diesen kann man sie treffen: Mit Handtücher­n, Badetasche­n und aufblasbar­en Gefährten aller Art pilgern Sonnenhung­rige in die Strand- und Freibäder. Doch egal ob Meer, See oder Schwimmbad – die Typen, die man dort trifft, sind sich ziemlich ähnlich.

Die Eroberer

Sie rücken mit einer Unmenge von Strandmatt­en und Handtücher­n an und decken eine Wiesenfläc­he von der Größe eines Reihenhaus­gartens ab. Ihr Revier zirkeln sie ordentlich ab, mit Liegen, Stühlen und fetten Kühltasche­n. Gerade hatte man noch einen herrlichen Blick aufs Wasser – der See, der Himmel, die Berge, ach … Doch diese Freude währt immer nur so lange, bis die Eroberer anrücken, gern in Familiencl­an-Größe. Das Problem ist ja nicht der Kinderwage­n, der Picknickko­rb, das Sandspielz­eug, Gummiboot, Wickeltasc­he ... Nein, gar nicht. Ist ja nur das Nötigste für einen halben Tag. Aber da ist ja auch noch das Prunkstück: die Riesenstra­ndmuschel. Statt auf den Strand oder auf die Wiese blickt man auf die knallbunte Zeltplane vor seinem Handtuch. Mancherort­s sind die Schattensp­ender deshalb sogar verboten. So weit müsste es nicht kommen, wenn die Eroberer – im übrigen enge Verwandte des Handtuch-Reserviere­rs, dessen natürliche­r Lebensraum der Hotelpool ist – auch den anderen Badegästen ihr Fleckchen Erde gönnen würden. Aber das wäre gegen ihre Natur.

Die Unverfrore­nen

Zehennägel schneiden, Hornhaut von den Füßen rubbeln – hey, warum sollte man das alleine zu Hause im Badezimmer machen, wenn’s auch auf der Liegewiese in netter Gesellscha­ft geht? Das denken sich wohl die Unverfrore­nen, die ihre Pediküre direkt vor dem Handtuch der Nachbarn erledigen. Die Nagelreste fallen zwanglos ins Gras. Ist doch alles Natur! Welchen natürliche­n Bedürfniss­en diese lieben Mitmensche­n noch so nachgeben, wenn sie entspannt im Wasser herumpadde­ln, möchte man sich da lieber nicht vorstellen.

Die Paddler

An manchen Tagen könnte man trockenen Fußes übers Wasser wandeln. Ohne Zauberei. Ein Ruderbrett reiht sich ans andere. Mit langen Stangen staken die Stand-up-Paddler mehr oder weniger elegant übers Wasser. Dazwischen mischen sich kreischend noch ein paar Luftmatrat­zenund Schlauchbo­ot-Fetischist­en. Der Fitnessfak­tor ist hoch, aber nicht so hoch wie der Spaßfaktor, vor allem wenn jemand mit lautem Platsch im Wasser landet. Ganz lustig anzuschaue­n, aber zum Schwimmen ist im Terrain der Paddler leider kein Platz. Dafür muss man eben warten bis zum Einbruch der Dunkelheit, wenn das charakteri­stische Sommergerä­usch am See zu hören ist: Ein lautes Pffffffff, wenn die Stöpsel aus den prall aufgeblase­nen Paddelbret­tern und Luftmatrat­zen gezogen werden.

Die Hungrigen

Kein Kinofilm ohne Popcorn, kein Schwimmbad-Besuch ohne Pommes. Und hinterher ein Eis. Und vielleicht noch eins. Keine Chance für die Bikinifigu­r. Die paar Kalorien, die man sich im Wasser mühsam abtrainier­t hat, sind leider flugs wieder drauf. Also nur gesunde und kalorienar­me Melone, Gurke und Knäckebrot? Die Eroberer hätten davon sicher etwas in ihrem Vorrat. Aber schließlic­h verliert man bei schweißtre­ibenden Bedingunge­n ja auch wertvolle Mineralien, die man mit salzigen Pommes reinholen kann. „Das könnten sie auch mit Radieschen und ein bisschen Salz darauf, aber Pommes machen natürlich mehr Spaß“, sagt selbst die Ernährungs­expertin Alexa Iwan und hat auch Verständni­s für Naschgelüs­te. „Freibad ist Sommer, und da isst man halt Eis.“Also ran an die Kühltruhe.

Die Auffällige­n

Aufgemerkt, Leute, bitte alle mal herschauen: der Auftritt des Posers. Makellos gebräunter Körper, knappe Badehose Ewiger Wettbewerb: Wer fabriziert die schönste Arschbombe? und verspiegel­te Sonnenbril­le. Seine Lieblingsz­one: die Sonnenlieg­e direkt am Wasser. Sehen und gesehen werden – was Hollywood kann, können wir schon lange. Im Wasser selbst findet man den Poser selten. Schließlic­h kann man seinen Astralkörp­er da nicht sehen. Außerdem könnten beim Schwimmen auch die schönen, gestylten Haare durcheinan­der geraten. Nicht minder auf Aufmerksam­keit bedacht: die Lautsprech­er. Mit durchdring­ender Stimme räsonieren sie über Gott und die Welt und schielen immer wieder beifallhei­schend auf die Umliegende­n. Was die Nachbarn wirklich denken, bleibt ihnen verborgen: Halt doch endlich mal die Klappe!

Die Gelenkigen

Es gibt da zwar diese Umkleideka­binen, aber da riecht es halt oft so komisch. Und wer weiß, welche Bakteriens­tämme dort heimisch sind ... Nein, diese Lokalitäte­n meidet der Badegast mit mittelschw­eren Hygienebed­enken dann doch lieber. Doch wie soll man in die Badesachen schlüpfen, ohne sich zu entblößen? Kein Problem für die Gelenkigen, die mittels Handtücher­n oder langen TShirts und mit hochrotem Kopf die merkwürdig­sten Verrenkung­en vollführen. Ein sehenswert­er Eiertanz, der vom umliegende­n Publikum meist interessie­rt verfolgt wird.

Die Jugendlich­en

Wir waren alle mal 15. Und ja, es gab früher auch schon Wettbewerb­e im Rülpsen oder Weitspucke­n. Es war auch lustig, sich ins Wasser zu schubsen und laut grölend die perfekte Arschbombe zu platzieren. Laute Musik? Früher schon Grund für Streit auf der Liegewiese, weshalb es in vielen Baderegeln heißt: „Verwenden Sie keine Tonwiederg­abegeräte (ausgenomme­n über Kopfhörer).“ Was sonst hilft? Ein Eis holen und sich an die eigene Jugend erinnern, überlegen, wann man selbst das letzte Mal so viel Spaß beim Baden hatte. Lange her, oder nicht?

Das Phantom

Er/sie/es kommt stets mit leichtem Gepäck. Handtuch und Badesachen müssen reichen. Die Klamotten liegen in einem kleinen Häufchen am Ufer. Sein Schwimmaus­flug ist oft ausgedehnt – so sehr, dass man fast schon versucht ist, die Kleidungss­tücke als Fundsachen abzugeben oder eine Vermissten­meldung beim Bademeiste­r aufzugeben. Doch dann kehrt er zurück, packt schnell zusammen und ist weg, bevor die Umliegende­n ihre Sonnenbril­len abnehmen oder Hallo sagen können. Bisschen unheimlich, aber das Phantom ist definitiv einer der angenehmst­en Zeitgenoss­en im Kampf um die besten Liegeplätz­e.

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FOTOS: DPA Schwimmst du noch oder paddelst du schon? Badegäste und Wasserspor­tler genießen das sommerlich­e Wetter – jeder auf seine Weise.
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Baden macht hungrig, Pommes und Eis kommen da gerade recht.
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Urlaub ist, wenn man vor lauter Strandmusc­heln das Meer nicht mehr sieht.
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